Angeregte Diskussionen an der Synodalen Versammlung in Bern. Im Bild: Bischofsvikar Georges Schwickerath (Mitte) Foto: Hans-Ruedi Huber

Realistische Reformschritte als Ziel

Beobachtungen an der Synodalen Versammlung des Bistums Basel

82 kirchliche Expertinnen und Experten haben an der Synodalen Versammlung vom 20. bis 22. Januar in Basel die Eingabe des Bistums Basel zum synodalen Prozess der Weltkirche formuliert. Ihr Schlussdokument nimmt die von den Dialoggruppen an der Basis geäusserten Anliegen auf.

Von Christian von Arx*

Am 20. Januar wurde in München das Gutachten vorgestellt, das allen Erzbischöfen von München und Freising der vergangenen 75 Jahre, auch dem späteren Papst Benedikt XVI., schwere Vorwürfe zu ihrem Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch in ihrem Erzbistum macht. Am Abend des gleichen Tages begann in Basel die synodale Versammlung des Bistums Basel. Das zeitliche Zusammenfallen zeigt: Aus dem Schatten des jahrzehntelang verschwiegenen Missbrauchs kann sich zurzeit keine Auseinandersetzung in und mit der Kirche lösen.

Eine Versammlung von kirchlicher Fachkompetenz

Es war keine «revolutionäre» Versammlung, die in Basel zusammentrat. Und auch kein gewähltes «Kirchenparlament». Von ihrer Zusammensetzung her war die synodale Versammlung eher ein grosses Expertinnen- und Expertengremium. Ein enormes Mass an Fachkompetenz und unterschiedlichen Erfahrungen im kirchlichen Dienst, aus allen zehn Kantonen des grössten Bistums der Schweiz, war drei Tage lang im gleichen Saal vereint.

Die personelle Zusammensetzung war von der Bistumsleitung bestimmt. Sie spiegelte eine grosse Breite an kirchenpolitischen Haltungen wider, Reformerinnen waren ebenso dabei wie Bewahrer. Zahlenmässig waren es ein paar Männer mehr, doch in den Diskussionen waren die Frauen stark präsent. Altersmässig dominierte das «Mittelalter», die Sicht der Jungen brachten die 30- bis 40-Jährigen ein. Die Jurassier:innen äusserten sich manchmal auf Französisch, aber die Versammlungssprache war Deutsch. Mit etwa 16 Prozent klar in der Minderheit fanden sich die Priester. Wohl nahezu alle Anwesenden waren beruflich für die oder mit der Kirche beschäftigt. Was fehlte, waren die Freiwilligen, die gemäss dem Ergebnis der Basisbefragung das Pfarreileben am meisten gestalten.

gfs-Studie als verbindliche Grundlage

Revolutionär war die Stimmung schon darum nicht, weil die Versammelten die Verfassung der Kirche nicht nach ihren eigenen Überzeugungen neu entwerfen konnten. Vielmehr hatte die Beratung einen verbindlichen Ausgangspunkt: Die Studie des Instituts gfs.bern mit den Ergebnissen der Dialoggruppen vom vergangenen Oktober/November. Urs Bieri, Cloé Jans und Adriana Pepe von gfs.bern, die ihre Studie zu Beginn persönlich präsentierten, stellten klar, dass es sich nicht um eine repräsentative Umfrage handelte. Sie verglichen das Vorgehen mit einer Vernehmlassung, für die es erhebliche Hürden (Bildung von Gruppen, komplexe Fragestellungen, Zeitaufwand) zu überwinden galt. Insofern sei die Beteiligung von 800 Gruppen mit 5399 Einzelpersonen als sehr gut werten. Die Antworten stammen in der Regel von Personen, die ein sehr hohes Interesse an der Kirche haben.

Diese Aussagen der Basis zu respektieren, war die Vorgabe für die Versammlung. Die in der gfs-Studie aufbereiteten Ergebnisse richtig zu deuten, sie zu gewichten und ohne Verfälschung in wenige Kernaussagen für jedes der zehn Themenfelder zu bündeln, war der Auftrag. Darüber herrschte – nach Einschätzung des Beobachters – unter den Teilnehmenden Konsens.

Intensive Meinungsfindung in Gruppen

Kontroverse, hitzige Plenumsdebatten gab es an dieser Versammlung keine. Das hing mit der von den beiden Moderatoren – Eugen Trost und Julian Miotk vom RPI Luzern – gewählten Methode zusammen. Sie war auf ein Maximum an Austausch ausgerichtet: Der grösste Teil der rund 17 Stunden Arbeitszeit bestand aus Gruppenarbeit zu den einzelnen Themen. Wobei jeweils eine andere Gruppe das Ergebnis der Vorgänger weiterbearbeitete und wenn nötig eine andere Version erstellte.

Nach dem langen Arbeitstag vom Freitag war verbreitete Unzufriedenheit mit den bis dahin erarbeiteten Texten zu spüren. Eine Verunsicherung auch, ob die Versammlung ihr Ziel überhaupt erreichen würde. Nach einer konzentrierten Anstrengung am Samstagvormittag waren dann viele überrascht, dass am Schluss doch noch konsistente Formulierungen vorlagen. Eigentliche Schlussabstimmungen der Gesamtversammlung gab es nicht, doch bestand jederzeit die Möglichkeit, Einwände und abweichende Meinungen festzuhalten und mitzugeben. Die Schlussredaktion des Gesamtdokuments – das als Eingabe des Bistums Basel zum synodalen Prozess der Weltkirche an die Schweizer Bischofskonferenz geht – wurde in die Hände einer kleinen Redaktionskommission gelegt.

«Themenspeicher» für das eigene Bistum

Die Eingabe an Rom, zuhanden der für Oktober 2023 angekündigten Welt-Bischofssynode, ist nicht das einzige Ergebnis der synodalen Versammlung. Viele Teilnehmende hielten es für ebenso wichtig, dass auch Anliegen für einen «Themenspeicher» festgehalten wurden, die vom Bistum Basel in seiner eigenen Zuständigkeit weiterverfolgt werden sollen.

Bischof für «Anliegen» statt «Forderungen»

Bischof Felix Gmür, Generalvikar Markus Thürig und die weiteren Mitglieder des Bischofsrates nahmen gleichberechtigt an den Gruppendiskussionen teil. Im Plenum gab es einen einzigen Moment, an dem der Bischof sanften Druck ausübte: Er stiess sich am Wort «Forderungen» im Schlussdokument. Das komme an den «römischen Schreibtischen» schlecht an, und es passe auch nicht zum synodalen Prozess, der auf das «Zuhören» setze. Die Teilnehmer:innen respektierten diesen Wunsch des Bischofs stillschweigend, in der Eingabe ist nun von «Anliegen» die Rede.

Das ist vielleicht bezeichnend für diese synodale Versammlung, die darum bemüht war, kritische Aussagen und Reformanliegen der Dialoggruppen in einer Weise aufzunehmen, die den realen Rahmenbedingungen in der katholischen Kirche Rechnung trägt. Also nicht ein weiteres utopisches Idealprogramm aufzustellen, sondern möglich scheinende Reformschritte zu unterstützen, um die Realität der Kirche den von den Dialoggruppen an der Basis geäusserten Hoffnungen anzunähern.

An der synodalen Versammlung in Basel wurde nicht nur gestritten und geschrieben, sondern auch regelmässig gebetet, gesungen und gefeiert. Für die drei Tage hatte das Projektteam ein Gebetsheft vorbereitet. Am Freitagabend zelebrierte Bischof Felix Gmür mit mehreren Teilnehmern:innen eine Liturgie in der Kirche St. Anton, wo er einst als Seelsorger gewirkt hatte. Es passte zum synodalen Geist der Versammlung, dass der Bischof am folgenden Morgen kritische Rückmeldungen aufnahm, wonach die liturgische Gestaltung im Chorraum den synodalen Charakter zu wenig abgebildet habe.

*Christian von Arx, Chefredaktor «Kirche heute», Pfarrblatt der Nordwestschweiz, war auf Einladung des Bistums der einzige Medienvertreter an der Synodalen Versammlung.

Die Synodale Versammlung  fand von Donnerstagabend, 20. Januar, bis Samstagmittag, 22. Januar, im Hotel Odelya in Basel statt. Die Teilnehmer/innen wurden von der Bistumsleitung eingeladen, sie bearbeiteten in wechselnd zusammengesetzten Gruppen die zehn Themenfelder, wie sie in der am 13. Januar veröffentlichten Ergebnisstudie von gfs.bern zur Befragung von Dialoggruppen im Bistum Basel dargestellt sind. Zu jedem Themenfeld formulierte die Versammlung einen Text mit drei bis vier Kernaussagen und ebenso vielen Anliegen. Die Schlussredaktion des aus diesen zehn Texten bestehenden Dokuments und einer zusätzlichen Einleitung übernahm, nach Abschluss der Versammlung, eine Redaktionskommission aus vier Personen: Bischof Felix Gmür, Domherr Josef Stübi (Pfarrer in Baden, Vizepräsident des Priesterrates), Monika Poltera-von Arb (Pfarreiseelsorgerin in Niederbuchsiten SO, Vizepräsidentin des Rates der Diakone, Theologinnen und Theologen) und Franzisca Ebener (Rothenburg LU, Präsidentin des Seelsorgerates). Der Schlussbericht ist auf der Website «Wir sind Ohr» aufgeschaltet.

 

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