Regierungsrätin Evi Allemann legt den Fokus neu auf alle Religionen, nicht bloss auf die Landeskirchen. Fotos: Ruben Sprich

Bern ist mehr als bloss katholisch oder reformiert

Erste digitale Religionskarte des Kantons

Ende Oktober präsentierte der Regierungsrat eine detaillierte Karte zur geografischen Verteilung der Konfessionsgruppen im Kanton Bern. Damit werden erstmals auch die nichtlandeskirchlichen Religionsgemeinschaften sicht­bar gemacht.

Von Antonio Suárez, freier Journalist

Die «digitale Religionslandkarte» bildet über 20 unterschiedliche Religionsgemeinschaften an insgesamt 640 Standorten ab und veranschaulicht die religiöse Vielfalt des Kantons mit einer bis dato unübertroffenen Detailschärfe. Bislang verfügten erst die Kantone Genf, Luzern und Waadt über vergleichbares kartografisches Material. Die Karte zeigt, dass knapp zwei Drittel der über 15-jährigen bernischen Bevölkerung einer der drei Landeskirchen angehören. Sie erfasst 258 Standorte evangelisch-reformierter Kirchgemeinden, 70 römisch-katholische Pfarreien und Migrationsgemeinschaften, vier christkatholische Kirchgemeinden sowie die beiden jüdischen Gemeinden in Bern und Biel. Hochrechnungen des Bundesamts für Statistik zeigen, dass die Reformierten erstmals überhaupt nicht mehr über eine Bevölkerungsmehrheit (47%) verfügen und dass praktisch jeder Vierte konfessionslos ist (24%). Die ausserhalb der Landeskirchen organisierten Religionsgruppen erreichen einen Anteil von zwölf Prozent, innerhalb derer weitere christliche Gemeinden wie die freikirchliche, lutherische, orthodoxe oder anglikanische die Mehrheit (6,6%) bilden. Die restlichen 5,4 Prozent entfallen auf die islamische Gemeinde (4%) sowie auf Hindus, Buddhisten und Angehörige anderer religiöser Minderheiten wie Aleviten, Bahai und Sikhs (1,4%).

Im Auftrag des Parlaments erstellt

Die «Religionslandkarte» wurde auf dem Geo-Portal des Kantons veröffentlicht. Erstellt wurde sie im Auftrag des Grossen Rats unter Federführung von Regierungsrätin Evi Allemann (SP), Vorsteherin der Direktion für Inneres und Justiz. Innerhalb eines Jahres trugen David Leutwyler, kantonaler Beauftragter für kirchliche und religiöse Angelegenheiten, und dessen Stellvertreterin Eveline Sagna in Zusammenarbeit mit dem Amt für Geoinformationen die relevanten Daten zusammen. Dabei wurden 243 Kirchgemeinden sowie weitere Religionsgemeinschaften an 307 Standorten konsultiert. Mit dem Projektverlauf zeigten sich Leutwyler und Sagna insofern zufrieden, als sich über 90 Prozent der kontaktierten Delegierten und Ansprechpersonen an der Erfassung beteiligten. Die interaktive Karte ist kein abgeschlossenes Projekt. Als Arbeitsinstrument soll sie fortlaufend aktualisiert werden. Zu diesem Zweck wird die Regierungsstelle am 23. November 2021 einen Vernetzungsanlass mit Vertreter:inen der Landeskirchen und Religionsgemeinschaften abhalten.

Landeskirchen stehen nicht im Fokus

Der Fokus der «Religionslandkarte» liegt auf den staatlich nicht anerkannten Gemeinschaften. Drei Primärziele werden dabei verfolgt: Diese religiösen Gemeinschaften sollen erstens mit ihren Standorten sichtbar gemacht, zweitens sollen die Beziehungen zu ihnen ausgebaut, und drittens deren gesellschaftlichen Leistungen erfasst werden. «Im Sinne einer zeitgemässen Religionspolitik wollen wir zu allen Religionsgemeinschaften Beziehungen pflegen», erklärte Regierungsrätin Allemann anlässlich der Präsentation im Berner Rathaus. «Wir wollen die privatrechtlich organisierten Religionsgemeinschaften besser kennenlernen, ihnen zuhören und ihre Anliegen ernstnehmen, denn auch sie leisten wichtige Beiträge.»

Bekommen alle mehr Geld?

Zwar verzichtet das neue Landeskirchengesetz ausdrücklich auf eine staatliche Anerkennung dieser Konfessionsgruppen. Trotzdem will der Kanton gemäss Planungserklärung des Grossen Rats Massnahmen zu deren Förderung prüfen. Im Rahmen eines «religionspolitischen Monitorings» wird der Regierungsrat deshalb analysieren, «ob und in welcher Form weitere Religionsgemeinschaften gemeinnützige und karitative Dienste für die Berner Bevölkerung erbringen», wie es in einer Stellungnahme zu einem Vorstoss von Grossrat Jan Gnägi (Aarberg, Die Mitte) heisst. «Das Landeskirchengesetz garantiert auf gesetzlicher Stufe die Sockelbeiträge, also die Finanzierungsbeiträge für die Leistungen im gesamtgesellschaftlichen Interesse», präzisierte Allemann auf Rückfrage dieser Zeitung. Falls Änderungen an der Beitragshöhe zur Debatte stünden, würde der Grosse Rat dies beschliessen. Doch der Regierungsrat habe diesbezüglich keinen Auftrag, betonte sie. Eine Entscheidungsgrundlage für die Festlegung der Beitragshöhe der nächsten sechsjährigen Finanzierungsperiode werden die Berichte der Landeskirchen liefern, die im Januar 2023 erstmals vorgelegt werden müssen. Von diesen Berichten erwartet die Kantonsregierung, «dass sie die tatsächlich erbrachten Leistungen im gesamtgesellschaftlichen Interesse» abbilden. «Wir benötigen eine sachliche Grundlage für die Diskussion im Grossen Rat», so Allemann.

Hinweis: www.be.ch/religionslandkarte

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