Zionskirche Berlin. Mit Grandezza. Foto: Vera Rüttimann

Bienen, Bonhoeffer und Protest

Die Zionskirche in Berlin wird 150 Jahre alt. Zwei Schweizerinnen haben hier Heimat gefunden.

Die Zionskirche in Berlin hat eine äusserst bewegte Geschichte. Dietrich Bonhoeffer wirkte hier. In den achtziger Jahren gab es Punk-Konzerte und Wiederstand gegen das SED-Regime. Dieses Jahr feiert sie ihr 150-jähriges Bestehen. Zwei Schweizerinnen haben hier Heimat gefunden. 

Text und Fotos Vera Rüttimann

Die Zionskirche steht auf einem kleinen Hügel in Berlin-Mitte. Ihr hoher Turm ragt weit sichtbar über dem Häusermeer der deutschen Metropole hinaus. Die backsteinerne, neugotische Kirche ist Anziehungspunkt für Architekturliebhaber und Szenevolk gleichermassen. Vor der Zionskirche, die inmitten eines baumumsäumten Platzes steht, sind Stühle aufgestellt. Hier sitzt Ursula Rothen Kern gern. Oder sie steht auf und zeigt Tourist:innen den Weg hoch hinauf zum Kirchturm. Dort summt es, es gibt Bienen.

Wie unter einem Brennglas

Auch für die Bernerin ist die Zionskirche ein Ort, an dem die deutsche Geschichte offen daliegt wie ein Buch. Wie in einem Prisma bricht sich in ihr 150 Jahre deutsche Geschichte: Angefangen von der «Kaiserkirche» 1873 bis hin zu Dietrich Bonhoeffer. Wer um die Kirche herumläuft, trifft auf die Bronzeskulptur des berühmten evangelischen Theologen. Der von den Nazis umgebrachte Bonhoeffer trat 1931 als junger Vikar an der Zionskirche seine Stelle an.

Auf der Empore sind weitere Spuren des Widerstandes zu entdecken. Es sind Farbreste eines Protestbanners aus den achtziger Jahren. Es wurde gegen die Verhaftung von Oppositionellen der «Umwelt-Bibliothek» verwendet. Die Zionskirche war eine Keimzelle der 1989er-Revolution.

Ursula Rothen Kern zog 2000 mit ihrer Familie nach Berlin. Ihren Mann, Christian, ein gebürtiger West-Berliner, lernte sie in Bern kennen.

Bald gehörte die heute 67-Jährige zu den Zugezogenen, die mithalfen, diese baufällige Kirche neu zu beleben. Sie traf auf Kirchgemeindemitglieder wie Annette Leonhard, die sich schon zu Mauer-Zeiten hier engagiert haben. Ursula entdeckte den «KlangRaumZion». Bald begann sie, mit ihren Bambusflöten bei Veranstaltungen in der Zionskirche aufzutreten. Heute ist sie Vorsitzende der Bambusflötengilde in Deutschland e.V., die im Herbst 25 Jahre alt wird.

Spuren der Zeitläufte

Im Innenraum blättert die Farbe leise an den Wänden vor sich hin. Die Kirche verströmt eine eigentümliche Patina. «Im Innern sieht die Zionskirche aus, wie viele Orte hier zu Ost-Zeiten», weiss Ursula Rothen Kern. Von vielen Kreativen weiss sie, werde dieses unfertige, nicht-glatt-sanierte Kirche, geliebt. Um die Kirche herum ist alles pfirsichfarben saniert, dadurch strahlt die Zionskirche eine stolze Grandezza aus.

Auch die Bernerin schätzt es, dass in dieser Kirche noch die Wunden und Narben der Vergangenheit zu sehen sind. Der Impetus des Widerstandes, der wird hier in Kunstausstellungen und Zeitzeugengesprächen immer wieder neu belebt. So zeigten unlängst 55 ukrainische und deutschen Künstler «Orte des Widerstandes» gegen den verbrecherischen Krieg von Wladimir Putin.
 


Taubenschiss und Lichtwunder

Die Autorin dieses Texts fängt die Eindrücke in dieser Kirche seit über zwei Jahrzehnten  mit unterschiedlichsten Kameras ein. So mit dem Projekt «Berlin by Holga», wobei farbintensive Bilder von der Zionskirche entstehen. Sie stellte hier mehrfach Fotografien aus. Zuletzt mit «Mein Berlin Wonderland» zum 30. Jahrestag des Mauerfalls im Jahr 2019.

Sie erinnert sich gut an die 90er-Jahre, als man im Winter mit dicken Decken in den Bänken sass. Es gab noch keine Heizung. Und durch offene Stellen im Dach flogen Tauben und hinterliessen Taubenschiss.

Damals wie heute ist diese Kirche ein Licht-Wunder. Die Stimmung ist mystisch. Gerade, wenn die Abendsonne durch die grossen Seitenfenster goldene Lichtpunkte an die fleckigen Wände wirft. Erich, der Organist, spielt mit nackten Füssen an diesem Abend «Glassworks - 01. Opening».

Die Zionskirche als Schauplatz vieler mutiger Taten gegen unterschiedliche repressive Regimes erinnert daran, was Menschen riskierten, um frei zu sein. Sie ist ein Ort, der auch heute mahnt, dass diese immer wieder neu errungen werden muss. Ursula Rothen Kern trifft unten an der Kaffee-Bar auf Annette Leonhard. Sie ist dieser Kirche treu geblieben. Als Mitstreiterin und Zeitzeugin, die ihr Wissen weiter gibt. Sie wird gebraucht.  

 

Buch-Tipp: Andreas Pflitsch: «Der Dom des Nordens – die Berliner Zionskirche und ihre Geschichten», ISBN 978-3-9818357-8-6

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