«Die Leute sollen nicht denken: Die machen, was sie wollen», sagt Damian Kaeser-Casutt.

Bistum Basel gibt sich zehn Leitsätze

Wie das Bistum Basel synodaler gestaltet werden kann.

Macht und Verantwortung sollen geteilt und Entscheide synodal gefällt werden. Dazu hat das Bistum Basel zehn Leitsätze formuliert. Alle Getauften sollen sich einbringen können. Leitungspersonen müssten Selbstverpflichtungen eingehen, erläutert Damian Kaeser-Casutt (55), Pastoralverantwortlicher im Bistum.

Interview: Regula Pfeifer

Weshalb hat die Begleitgruppe Synodaler Prozess Leitsätze formuliert?

Damian Kaeser-Casutt*: Die synodalen Leitsätze enthalten Haltungen und Handlungsempfehlungen für alle Engagierten, Teams und Gremien in der Kirche. Diese sollen helfen, das Bistum Basel synodaler zu gestalten. Es geht um einen gemeinsamen Weg.

Weshalb sind sie nicht verpflichtend?

Das wäre schwierig. Für Haltungen können Menschen nur gewonnen werden. Sie müssen selbst motiviert sein, diesen Weg zu gehen.

Wie soll die Kirche synodaler werden?

Beispielsweise soll eine Kultur gemeinsamer Entscheidungsfindung entwickelt werden. Entscheidungen von Gremien sollen transparent und nachvollziehbar gemacht werden. Sie wurden bisher wohl öfter zu wenig gut kommuniziert. So entstand bei den Gläubigen der Eindruck: Die machen, was sie wollen – da passiert gar nichts. Zudem sind die Abläufe im grossen Bistum Basel komplex, sie sollten vereinfacht werden.

Was ist mit der Mitwirkung der Gläubigen?

Die Gläubigen sollen sich vermehrt einbringen können. Es braucht partizipative, konsensorientierte Wege zur Meinungsbildung und zu Entscheidungen.

Widerspricht der konsensorientierte Entscheidungsweg nicht dem demokratischen Vorgehen, das wir in der Schweiz haben?

Die synodale Art der Partizipation ist anders als die demokratische. In der Schweiz legen wir grossen Wert auf die Demokratie, und dank ihr geschieht tatsächlich viel Gutes, auch bei den staatskirchenrechtlichen Partnern im dualen System. Allerdings beruht sie auf Mehrheitsentscheiden. Und die können problematisch sein, etwa wenn sie sehr knapp ausfallen.

Hilft da das synodale Vorgehen?

Ja, da können Dialoge geführt werden, bis Konsens herrscht. Auf diese Weise können auch die Meinungen von Minderheiten berücksichtigt werden. Denn Kirche lebt von der Vielfalt und hoffentlich ihrer Wertschätzung. Die Kunst besteht wohl darin, herauszufinden, wie demokratische Strukturen in der Kirche, dialogisches Konsensverfahren und der Umgang mit Entscheidungskompetenzen ein gutes Miteinander finden und sich ergänzen können.

Und wie soll der Konsens in der Kirche funktionieren, die de iure absolutistisch organisiert ist?

Deshalb sagt der 5. Leitsatz aus: «Damit Synodalität gelingen kann, müssen Macht und Verantwortung geteilt werden, und Leitungspersonen müssen Selbstverpflichtungen für eine wirkungsvolle Partizipation aller Getauften eingehen.»

Die Leitsätze fordern zur Gewaltenteilung auf. Das ist ein revolutionärer Ansatz in der Pastoralkirche, wo der Bischof sowohl regiert als auch Gerichtsentscheide fällt.

In der Schweizer Kirche haben wir eine gute und lange Tradition der Gewaltenteilung im dualen System. Zudem gibt es pastorale Räte auf allen Ebenen, von der Pfarrei bis zum Bistum, die vor Entscheidungen beraten. Ich hoffe, es gelingt, dass wir punkto Gewaltentrennung besser werden. Die Selbstverpflichtung ist ein möglicher Schritt dazu.

Demnächst soll über eine Ombudsstelle entschieden werden. Wofür ist sie vorgesehen?

Kaeser-Casutt: Die synodale Befragung im Herbst 2021 hat unter anderem zutage gebracht, dass sich Mitarbeitende und Engagierte im Bistum bei Problemen nicht gehört fühlen. Und es ist in der Komplexität des grossen Bistums nicht einfach zu wissen, wohin man sich wenden soll. Die Idee ist nun, eine erste und unabhängige Anlaufstelle zu haben, die je nach Thema triagieren oder beraten kann.

Die Leitsätze fordern geteilte Macht und geteilte Verantwortung. Ist das machbar?

Wir haben bereits jetzt geteilte Macht in der Kirche. Nicht nur die Bischöfe haben das Sagen. Auch die staatskirchenrechtlichen Körperschaften haben Entscheidungskompetenz. Weiter sind viele Klöster und Orden autonom, ebenso die Verbände: Die Jubla und der Schweizerische Katholische Frauenbund fällen für sich Entscheide.

Was ist denn nun neu?

Neu ist das Bewusstsein, den synodalen Weg gemeinsam zu gestalten. Es ist ein Lernweg. Zum Beispiel die Selbstverpflichtung der Machttragenden. So kann sich ein Pfarrer verpflichten, Entscheide eines Pfarreirats zu respektieren. Ist er anderer Meinung, muss er gemeinsam mit dem Pfarreirat eine weitere Diskussionsrunde einschalten, bis der gemeinsame Entscheid steht.

Wer soll die Macht teilen?

Dazu eingeladen sind nicht nur Kleriker wie Bischöfe und Pfarrer, sondern auch nichtordinierte Führungspersonen in der Kirche, etwa Gemeindeleiterinnen und Pastoralraumleiter.

Die Begleitgruppe Synodaler Prozess kündet für den Winter eine Diskussion über die pastorale Ausrichtung an. Worum geht es da?

Es geht um die Frage: Wie stellen wir die Pastoral in Zukunft sicher? Dieser Frage gehen wir bereits seit ein paar Jahren nach und haben erste Entscheide gefällt. So wurden mit dem Pastoralen Entwicklungsplan (PEP) in den letzten 15 Jahren neue Wege beschritten und unter anderem die Pastoralräume errichtet. Jetzt geht es darum, daraus zu lernen und in einer veränderten Kirche und Gesellschaft weiterzugehen.

Können auch neue Ideen eingebracht werden?

Selbstverständlich muss auch Neues in diesem Diskussionsprozess Platz haben.

Wie kann sich die Basis einbringen?

In einem synodalen Prozess wäre es wichtig, dass sich viele Menschen einbringen. Wir möchten ihnen auch Raum geben. Allerdings ist das nicht einfach. Die Leute müssen mitmachen wollen.

Beim synodalen Prozess haben weniger als ein Prozent der Katholikinnen und Katholiken im Bistum Basel mitgemacht. Sind Sie enttäuscht von der geringen Beteiligung?

Nein, überhaupt nicht. Selbstkritisch müssen wir uns aber die Frage stellen, ob die Menschen uns glauben, dass wir sie stärker beteiligen möchten. Ich denke, es haben sich viele aus diesem Grund auch schon von der Kirche verabschiedet. Die Herausforderung wird sein, dieses Vertrauen aufzubauen.

Ihr Fazit zum synodalen Prozess im Bistum Basel?

Es ist toll, dass wir eine zweite synodale Versammlung für den September 2023 beschlossen haben. Dann werden für die Zukunft der Pastoral Wegweiser konkretisiert, über die diesen Winter bereits diskutiert wird. Zudem sollen die komplexen synodalen Strukturen im Bistum Basel besprochen und weiterentwickelt werden. Das zeigt: Die Bereitschaft ist da, Entwicklungen und Veränderungen im Bistum anzustreben und zuzulassen.

Positiv ist auch: Die Begleitgruppe Synodaler Weg ist breit aufgestellt: Leute aus dem Bistum, der Kantonalkirchen und auch kritische Stimmen sind dabei und bringen den synodalen Prozess voran. kath.ch

* Damian Kaeser-Casutt gehört der Begleitgruppe Synodaler Prozess des Bistums Basel an. Er arbeitet im Ordinariat und leitet als Pastoralverantwortlicher die Abteilung Pastoral. Zur Begleitgruppe gehören weiter: Bischof Felix Gmür, Marie-Louise Beyeler, Präsidentin des Landeskirchenrats der römisch-katholischen Landeskirche Bern, Luc Humbel, Präsident des Kirchenrates der Römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Aargau, Edith Rey Kühntopf, Regionalverantwortliche der Bistumsregion St. Verena, Andrea Meier, Fachstellenleiterin Kinder und Jugend der katholischen Region Bern, Helena Jeppesen, Verantwortliche Inland und Landesverantwortliche Asien der Fastenaktion, José Oliveira von der Portugiesischen Mission AG, BL, BS, Sarah Gigandet, Theologische Mitarbeiterin des Bischofs von Basel sowie für die Moderation Iwan Rickenbacher.

 

 

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