Jugendliche trifft die Pandemie hart. Symbolbild: iStock/W.R. dos Santos

Blues mit Lichtblicken

Jugendliche im Coronamodus

Keine Partys, kaum Freunde treffen, kein Sport: Das Virus stellt Jugendliche besonders auf die Probe – auch die kirchlichen Jugendarbeiter*innen.

Autor: Marcel Friedli l Foto: zVg

Jugendliche, die am Bahnhof rumhängen, neben sich ein paar Sixpack. Und die Zoff mit der Polizei bekommen, wenn sie etwas tun, das – eigentlich – nicht so schlimm ist: wenn ihre Gang mehr als fünf Personen umfasst.

Andere Jugendliche hängen im Regionalzug ab, gondeln samstagabends hin und her. Um das Gefühl von Ausgehen wenigstens im Ansatz zu erleben. «Ich brauche Unterhaltung», sagt die 16-jährige Yasi, «zu Hause fühle ich mich so allein.» Auch Timmy, ein Jahr älter, ist frustriert. «Mit Corona», sagt er, «wird uns die wichtigste Zeit unseres Lebens gestohlen.»

Die momentane Krise, sagt Christian Link, treffe die Jugendlichen besonders hart. Er ist Jugendarbeiter bei der Dreifaltigkeitskirche in Bern. «Die Jugend ist jene Zeit des Lebens, in der man besonders viel lernt: wie man das Zusammenleben gestaltet. Wie man sich den Weg in die Welt der Erwachsenen ebnet und wie man sich dort verhält. Eine Zeit auch, in der es besonders wichtig ist, neue Leute kennenzulernen: für Freundschaften, für Liebesbeziehungen.»

Statt Partys zu feiern, in die Schule oder zur Büez zu gehen, sind die Jugendlichen dazu verdonnert, zu Hause zu bleiben: am Computer dem Fernunterricht beizuwohnen oder im Homeoffice zu töggelen. «Viele Jugendliche sind zoommüde», konstatiert Kathrin Ritler, Oberstufenkatechetin in Bern-Bethlehem und St. Mauritius. «Nicht ins gemeinsame Sporttraining gehen zu dürfen und sich nur in Minigruppen zu treffen, ist frustrierend.»

Dazu kommt: In den Wohnungen wird es eng, wenn Eltern und Geschwister ebenfalls dauernd zu Hause sind. «Die Nerven sind manchmal zum Zerreissen gespannt», weiss Christian Link. «Dicke Luft schleicht sich ein, aufgeladen von Konflikten, die unterschwellig glimmen. Als Jugendlicher hat man den Drang nach Freiheit, will sich abnabeln.»

Machbares machen

Etlichen Jugendlichen droht Gefahr, vollends in die virtuelle Welt abzudriften: in die Welt von Onlinegames zum Beispiel. «Ich versuche, mit den Jugendlichen den Kontakt zu halten», sagt Christian Link, «biete an, was zurzeit möglich ist, nämlich zu fünft: zum Beispiel ein Feuerritual oder eine Wanderung, um den Kopf zu lüften.» Vom provisorischen, als Zuversicht getarnten Planen hat er Abstand genommen: «Lieber etwas Machbares anbieten. Es ist besser, den Jugendlichen den Frust zu ersparen, wenn man Events dann doch absagen muss.»

Seine Kollegin Kathrin Ritler hat es zum Teil mit Jugendlichen zu tun, die in prekären Verhältnissen leben. Die von ihren Eltern nicht jene Unterstützung erhalten, die sie benötigen würden. So treten in Familien mit Migrationshintergrund Konflikte zutage, die sonst vom Trubel des Alltags verdeckt sind: Die Jugendlichen, hier geboren und aufgewachsen, haben andere Ansichten als ihre Eltern, die mit der Schweizer Mentalität weniger vertraut sind. «Ich bin da, habe ein offenes Ohr», sagt Kathrin Ritler. «Wenn die Jugendlichen jemanden zum Reden brauchen: Ich bin für sie da.»

Zentral sei die Beziehung, betont sie. Einige der Jugendlichen kennt sie, seit sie Kinder sind. Darum ist sie auch dann eine beliebte Ansprechpartnerin, wenn zur allgemeinen Krise Dinge ins Leben platzen, welche alles erst recht auf den Kopf stellen: wenn jemand den Job verliert oder den Militärdienst wegen Mobbing und Rassismus beendet und das vermeintliche Scheitern schmerzhaft zusetzt. Oder wenn man als 18-Jährige das Leben – durch Corona verstärkt – noch mehr alleine managen muss, da die Eltern wieder im Herkunftsland wohnen.

Machen statt mäkeln

«Ich finde es bewundernswert», sagt Kathrin Ritler, «wie gut sich viele der Jugendlichen, die ich kenne, an die Situation anpassen. Oft sind sie flexibler als wir Erwachsenen und akzeptieren es, dass weniger läuft, entdecken neue Hobbies.»

Ein neues Hobby haben neun Jungs aus Münsingen entdeckt: Sie restaurieren einen Bauwagen, damit er als Jugendraum dienen kann. Dem Strich, der ihnen Corona durch die Rechnung macht, trotzen sie mit Innovation: So haben sie Flyer zu diesem ökumenischen Jugendprojekt in die Briefkästen verteilt und zum Spenden animiert. «Mit immensem Erfolg», freut sich Pierino Niklaus. «Die Gönner*innen empfinden die Jugendlichen als Lichtblick: dass sie etwas tun statt zu jammern.»

So sind über 2000 Franken zusammengekommen. Wer mehr als 50 Franken gespendet hat, bekommt gratis selbstgemachte Pizza aus dem Holzofen nach Hause geliefert. Als Lohn garantiert dabei: weitere Sympathiepunkte, weiteren Goodwill. Und die Aussicht, dass der Wagen bald schon wohnlich eingerichtet werden kann – auch Corona geht vorbei. Irgendwann.

 


Besonders betroffen

Die zweite Welle schlägt den Menschen in der Schweiz aufs Gemüt. Verglichen mit dem ersten Lockdown letzten März hat sich die Zahl der Menschen verdoppelt, die unter depressiven Symptomen leiden. Dies zeigt die jüngste Umfrage der Covid-Taskforce des Bundes.
Am stärksten leiden 14- bis 25-Jährige: Fast ein Drittel der jungen Menschen hat Anzeichen von Depression. Da dies zu einem grossen Teil mit den Virus zu tun hat, besteht die Hoffnung: dass sich die Stimmung der meisten bessert, wenn sie sich wieder berühren, gemeinsam Sport treiben und Partys feiern dürfen.

 

Die Katholische Kirche Region Bern teilt ausserdem mit: Weil Jugendliche von den Corona-Einschränkungen besonders betroffen sind, hat die Katholische Kirche Region Bern zusätzliche Projekte initiiert. Im Rahmen des Corona-Hilfspaketes wird die Offene Jugendarbeit in Bern-West und Bern-Nord ebenso unterstützt wie beim Berner Jugend- und Kulturzentrum Gaskessel. Zudem werden in Bern Sportangebote wie «Midnight Sports» für Jugendliche und «OpenSundays» für Kinder gefördert - denn Bewegung ist mitentscheidend für eine gesunde Entwicklung. Hinweis: www.kathbern.ch/corona-hilfspaket

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