Das Ehepaar Lara Frasconi (51) und Andrea Ricci (52) aus Münsingen BE hat am Weltfamilientreffen in Rom teilgenommen. Sie waren angetan von der Offenheit, mit der Familien über ihre Probleme berichteten. «Das hat mich ermutigt», sagt Lara Frasconi.
Interview: Eva Meienberg, kath.ch
kath.ch: Was haben Sie am Weltfamilientreffen erlebt?
Andrea Ricci*: Wir haben an Konferenzen teilgenommen, etwa zu Sexualität oder den Herausforderungen des Ehelebens. Wir haben einen deutschsprachigen Gottesdienst besucht und wir konnten uns mit anderen Delegierten aus dem deutschsprachigen Raum austauschen. Besonders berührt war ich von der eucharistischen Anbetung, das war sehr emotional, lebendig und hoffnungsvoll.
Worüber haben Sie sich ausgetauscht?
Lara Frasconi*: Das Hauptthema des Austausches war die Berufung zur Familie. Das bedeutet, die Familie nie aus den Augen zu verlieren, auch wenn Probleme auftauchen.
Andrea Ricci: Mich haben die verschiedenen Vorträge ermutigt, weil ich da gehört habe: Die Familie muss nicht perfekt sein. Und mit der Berufung zur Familie gibt man der Familie einen Sinn.
War das für Sie etwas Neues?
Lara Frasconi: Das Neue war, dass man auf eine neue Weise über die Familie spricht in der katholischen Kirche. Bis jetzt wurde die Familie verherrlicht. Über Probleme wurde kaum gesprochen. Ans Treffen wurden Familien aus der ganzen Welt eingeladen, die offen über Fremdgehen, Spielsucht oder den Tod in der Familie gesprochen haben. Die Familien haben ganz intime Details erzählt und gezeigt, dass sie durch die Berufung einen Weg oder wieder zueinander gefunden haben.
Kritikerinnen haben moniert, die Zeugnisse seien zu aussergewöhnlich, zu fromm und auch zu missionarisch. Wie denken Sie über die Zeugnisse?
Andrea Ricci: Ein Paar hat bei einem Spaziergang drei Kinder verloren, weil ein betrunkener Mann in die Kinder gefahren ist. Das Paar hat berichtet, dass es bereits am nächsten Tag dem Täter vergeben hatte. Dass es täglich diese Vergebung immer wieder erneuere. Da hatte ich auch den Eindruck, dass das heiligmässig sei. Wer ist dazu fähig?
Ein solches Beispiel setzt einen hohen, fast unerreichbaren Massstab…
Lara Frasconi: Unter den Zeugnissen gab es extreme Beispiele. Wir hörten aber auch die Geschichte einer kongolesischen Frau, die sich von ihrem Mann getrennt hatte, weil sie sein Fremdgehen nicht mehr ertrug. Dass diese Frau den Mut zur Trennung fand und öffentlich über die sozialen Medien seine Seitensprünge anprangerte, finde ich mutig und sehr eindrücklich. Zumal die Frau aus einem afrikanischen Land kommt, aus einer patriarchalen Gesellschaft. Ihr Mann hatte sogar eine wichtige politische Funktion.
Er hat sich auf seine Ehe besonnen und mit der Unterstützung von Psychologen und der Kirche haben sie beide es geschafft, wieder zusammen zu kommen. Dass Papst Franziskus es zulässt, dass diese Frau in der katholischen Kirche diese Geschichte erzählen darf, das fand ich sensationell. Das sehe ich als Öffnung der katholischen Kirche, als Erneuerung des Familienbildes.
Sehen Sie Ihre Familie auch als eine Berufung?
Lara Frasconi: Für mich ist die Familie eher eine Aufgabe, die ich bis zum Ende unseres Lebens erfülle mit allen Steinen auf dem Weg und allen schönen Seiten, die das Familienleben mit sich bringt.
Welche konkrete Hilfe haben Sie am Treffen bekommen?
Andrea Ricci: Wir haben die Goodlove Foundation kennengelernt. Die Stiftung will Eltern dabei unterstützen ihren heranwachsenden Kinder zu vermitteln, dass Sex in Zusammenhang mit Liebe und Beziehung gelebt werden soll. Dass Sexualität nicht einfach ein Konsumprodukt ist. Es geht aber bei Goodlove nicht darum, dass Sexualität nur zum Kinderzeugen da sei.
War die Ehevorbereitung ein Thema?
Andrea Ricci: Sie war insofern ein Thema, als es ein Bedürfnis darstelle, Priester besser in der Ehevorbereitung zu schulen. Oft seien Priester mit Lebenserfahrung erfolgreicher als solche, die ausschliesslich theologisch gebildet seien.
Lara Frasconi: Papst Franziskus hat gesagt, die Jungen hätten Angst vor der Heirat. Der Glaube könne helfen, diese Angst zu überwinden. Er hat die Jungen ermutigt, zu heiraten.
Haben Sie Mut gebraucht, um zu heiraten?
Lara Frasconi: Ja, ich habe Mut gebraucht. Die Ehe sah ich als ein Siegel. Ist die Ehe einmal besiegelt, gibt es kein zurück mehr. Wenn man heiratet, verpflichtet man sich anders, als wenn man einfach zusammenlebt. Man verpflichtet sich gegenüber sich selbst, der Gesellschaft und auch gegenüber etwas Höherem. Diese Verantwortung habe ich gespürt.
Haben Sie damals einen Ehevorbereitungskurs gemacht?
Lara Frasconi: Ja, wir haben 2004 geheiratet, davor haben wir einen Kurs gemacht. Im Vorfeld hatten wir Bedenken und fragten uns, was uns der Pfarrer da wohl erzählen will. Wir waren dann positiv überrascht. Der Pfarrer war jung und hat unsere Sprache gesprochen. Die Gespräche waren ein lockerer Austausch auch mit anderen Paaren. Und der Pfarrer hat uns wirklich zugehört und unsere Ängste ernstgenommen. Wir haben uns von ihm verstanden gefühlt. Der Kurs hat uns ermutigt auf dem Weg zur Heirat.
*Andrea Ricci war Kirchgemeinderat in Münsingen BE. Er und seine Frau Lara Frasconi haben mit ihrem jüngeren Sohn (10) am Weltfamilientreffen in Rom vom 22. bis 26. Juni teilgenommen. Sie waren Teil einer dreisprachigen Delegation aus der Schweiz.