Diakon Roger Seuret (l) segnet die Agathakränze in der Backstube von Herbert Hodel (r). Foto: Roberto Conciatori

Der heiligen Agatha ein Kränzli winden

Bei Bäcker Hodel in der Backstube

In katholischen Gegenden bekommt man am Agathtag (5. Februar) in vielen Bäckereien spezielles Agathabrot. Das «pfarrblatt» war dabei, als im luzernischen Altishofen Agatha-Kränzli gebacken und gesegnet wurden.

Text: Sylvia Stam  Fotos: Roberto Conciatori

«Gott, segne dieses Brot. Stille den Hunger aller Menschen, und lass uns bereit sein, anderen Menschen zu helfen.» Roger Seuret, Diakon von Altishofen-Ebersecken, nimmt den Wedel und besprengt die mit einer roten Masche geschmückten Agathakränze mit Weihwasser.


Das Ritual ist Höhepunkt und Abschluss einer kleinen Liturgie, die in der Backstube von Bäcker Herbert Hodel in Altishofen stattfindet. «Der Segen ist keine magische Handlung», hatte Seuret einleitend erklärt. «Er ist vielmehr ein Gebet, in dem wir Gott um etwas bitten - beim Agathabrot bitten wir um Gesundheit, um Schutz vor Feuer und darum, genug zu essen zu haben.»

Der Diakon trägt über der schwarzen Alltagskleidung eine rote Stola, die liturgische Farbe, die an Gedenktagen von Märtyrer:innen wie die heilige Agatha üblich ist.

Bäckerei als Ort der Begegnung

In seiner Ansprache hatte er die Bedeutung der Bäckerei Hodel - die einzige auf dem direkten Weg zwischen Zofingen und Willisau - für die Menschen im Dorf hervorgehoben: «Der Laden und das Café sind Orte, wo Menschen einander begegnen, das merkt man jetzt, in Pandemiezeiten, besonders.» 

Auf die Einladung von Seuret, eine Fürbitte zu sprechen, bittet Bäcker Herbert Hodel um etwas Ruhe, um Gesundheit für seinen ältesten Sohn, der eine Krankheit hat, um einen guten Abschluss der Pädagogischen Hochschule für seine Tochter und darum, dass sein jüngster Sohn, der ebenfalls Bäcker ist, an seiner neuen Arbeitsstelle gut Fuss fassen möge.

Der Segen findet in der Regel am 4. Februar, dem Vorabend des Agathatags, statt, ehe die Kränze gebacken werden.

Von der Mitte her flechten

«Die Produktion der Kränze dauert insgesamt etwa fünf Stunden», erklärt Hodel (55), der seit vierzig Jahre in der Bäckerei arbeitet und diese in dritter Generation führt. Für Agathabrot wird Weizen- und Roggenmehl, Butter, Gerstenmalz, Hefe und Salz verwendet, hatte er vor der Segnung erläutert.


Nachdem der Teig ein erstes Mal aufgegangen ist, wird er einer Maschine portioniert, die einzelnen Portionen daraufhin maschinell flach gedrückt und zu etwa 15 cm langen Rollen geformt. Mit flachen Händen rollt Hodel diese wiederum zu schlanken Strängen von etwa einem halben Meter Länge. «Der Kranz wird mit drei Strängen von der Mitte her geflochten», erklärt der Bäckermeister, zuerst die eine, dann die andere Seite, daraufhin zu einem Kreis geformt und die Enden zusammengedrückt. «Das Ende überdecken wir mit der Masche», sagt der Bäcker lachend.


Kein Aufschlag für den Segen

Zwischen 300 und 400 solcher Kränze bäckt das Team um Herbert Hodel und seine Frau Irène Hodel jedes Jahr, und zwar ausschliesslich zum Agathatag. Verkauft werden sie in Altishofen und zwei zusätzlichen Verkaufsstellen in Dagmersellen und Reiden.

«Das grosse Geschäft mache ich damit nicht, und es gibt auch keinen Aufschlag für den Segen», sagt er mit schelmischem Blick zum Diakon. Dennoch steht es für ihn ausser Frage, dass er die Tradition fortführt, die schon sein Vater, sein Grossvater und dessen Bruder, der die Bäckerei 1927 gründete, kannten. «Ich bin überzeugt davon», antwortet er schlicht auf die Frage, weshalb er Agathabrot backe. Und führt dann weiter aus, dass ihm die Gemeinschaft, die dank der Kirche im Dorf entstehe, wichtig sei. «Diesen Wert möchte ich weitergeben», sagt Hodel, der sich als gläubigen Menschen bezeichnet. «Wenn man gut durchs Leben geht, kommt auch Gutes zurück», ist er überzeugt. 

Den Kranz aufhängen

Dass er dem Diakon jeweils «etwas zusteckt» für einen guten Zweck, erwähnt er nur nebenbei. Ebenso, dass er einem mental nicht so starken Jungen eine Lehre ermöglicht und fünf seiner insgesamt neun Angestellten schon seit ihrem Lehrabschluss in seiner Bäckerei arbeiten.


Ob die Leute, die das Agathabrot kaufen, die Geschichte der sizilianischen Märtyrerin kennen, können weder der Diakon noch der Bäcker mit Sicherheit sagen. «Wir weisen vor dem Agatha-Tag im Pfarreiblatt jeweils auf den Hintergrund dieses Brauchs hin», sagt Seuret. Hodel glaubt, dass die Menschen das Brot bewusster essen, wenn sie wissen, dass es gesegnet ist. Manche würden den Kranz auch aufhängen, wie die Palmwedel des Palmsonntags, zum Schutz vor Brand oder Krankheiten.

Erinnerung an Gottes Gegenwart

«Früher haben wir am Agathatag auch Mutschli gebacken, die man zerteilen und dem Vieh verfüttern konnte.» Heute, wo nicht mehr jeder Bauer fünf Kühe habe, sei das jedoch nicht mehr gefragt.


Der Bezug zur Landwirtschaft, die einst existenziell war für die tägliche Nahrung, könnte denn auch ein Grund sein, weshalb die sizilianische Märtyrerin hierzulande so populär geworden ist, vermutet Roger Seuret. «Vor dem Alpaufzug verfütterte man früher dem Vieh Agathabrot, damit es gesund bleibe. Im Mittelalter war es zudem nicht selbstverständlich, dass man jeden Tag genügend zu essen hatte.

Diesen Gedanken hatte der Diakon auch in die Liturgie zur Segnung des Agathabrotes aufgenommen: «Menschen mit Nahrung zu versorgen, ist eine schöne Aufgabe», sagte er in der kurzen Ansprache, und wies auf die Bedeutung des Brotes im Christentum hin: «Jesus sagt: Ich bin das Brot des Lebens. So erinnert uns das Brot im Alltag immer an die Gegenwart Gottes.»

Agatha von Catania
Der Gedenktag der heiligen Agatha ist am 5. Februar. Sie war eine sizilianische Adelige nd lebte in Catania. Im Jahr 250 wies sie die Brautwerbung des römischen Statthalters zurück, weil sie Christin sei. Deshalb wurde sie verschleppt und gefoltert. Man schnitt ihr die Brüste ab, legte sie auf spitze Scherben und glühende Kohlen, bis der Legende gemäss ein Erdbeben die Stadt Catania erschütterte. Agatha starb später im Gefängnis. Als ein Jahr nach ihrem Tod der Ätna ausbrach, sollen die Einwohner:innen den Lavastrom mit Agathas Schleier zum Stillstand gebracht haben. Seither wird sie als Heilige verehrt. Brot, das den Agatha-Segen erhielt, soll vor Krankheiten und Feuer schützen. In der Zentralschweiz, Appenzell Innerrhoden und in Freiburg machen Bäcker spezielles Agathabrot. Dieses hat oft die Form kleiner Brüste. Andernorts, etwa im Kanton Bern, bringen Gläubige Brot in den Gottesdienst, wo dieses gesegnet wird. Die heilige Agatha ist zudem Schutzpatronin der Feuerwehr. (do/sys)

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