Der Stern, der im Osten aufgeht, steht im Fokus der diesjährigen Gebetswoche für die Einheit der Christ:innen. Foto: Albin Hillert, Ökumenischer Rat der Kirchen

Der Stern als Zeichen für Gottes Gegenwart

Gebetswoche für die Einheit der Christ:innen

Jedes Jahr begehen Christen und Christinnen weltweit vom 18. bis 25. Januar die Gebetswoche für die Einheit der Christ:innen. Die Unterlagen stammen diesmal aus dem Nahen Osten und stehen unter dem Titel «Wir haben seinen Stern im Osten gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten» (Mt 2,2).

Von Regula Vogt-Kohler

Einheit – darum ringen die Christ:innen seit den Anfängen ihrer Religionsgemeinschaft. Bereits Jesus betete darum, dass seine Jüngerinnen und Jünger eins sein mögen. «Aber ich bitte … für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle sollen eins sein. Wie du, Vater in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast», heisst es im Johannesevangelium (Joh 17, 20f).

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

Die Kirchengeschichte zeigt, dass sich die Befürchtung, die Einheit könne zerbrechen, nur allzu schnell und allzu oft bewahrheitete. Wenn wir heute von Ökumene sprechen, haben wir das letzte grosse Auseinanderbrechen, die Reformation und ihre Folgen, vor Augen, doch das Auseinanderdriften in verschiedenste Richtungen begann schon viel früher. So beschäftigten unterschiedliche Vorstellungen über die wahre Natur von Jesus Christus als Gottessohn die Menschen in der Spätantike und lösten Konflikte und Spaltungen aus.

Streit bis hin zu offenen Kriegen, die im Namen des im wahrsten Sinne des Wortes ins Felde geführten einzig wahren Glaubens geführt wurden: Wie glaubwürdig ist die Friedensbotschaft einer in durchaus auch gewaltsame Auseinandersetzungen verstrickten Institution? Martin Conrad, Theologe und freier Mitarbeiter des Liturgischen Instituts, formuliert es so: «Wie will die Kirche ihren wichtigsten Auftrag erfüllen, nämlich die Liebe Gottes zu verkünden, zu feiern und zu leben, wenn sie selbst gespalten und zerstritten ist?»

Gebet für die Einheit, Gebet in Einheit

Die Wurzeln für das Gebet für die Einheit der Christ:innen in seiner heutigen Form reichen ins 19. Jahrhundert. Zunächst waren es vor allem evangelische und anglikanische Kreise, die sich für eine Institutionalisierung des Betens für die Einheit engagierten. Bis daraus eine universelle Gebetswoche wurde, dauerte es aber noch lange. Erst eine von der katholischen Kirche unter Papst Johannes XXIII. übernommene Umgestaltung machte es möglich, dass die Christen und Christinnen aller Konfessionen mitbeten konnten.

Seit 1966 wird die Gebetswoche vom Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christ:innen und von der Kommission Glaube und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) vorbereitet. Seit 1973 werden die Texte von einer anderen Region der Welt verfasst, gemeinsam von ÖRK und dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christ:innen redigiert und in die ganze Welt verschickt. «So ist das Gebet für die Einheit auch ein Gebet in Einheit geworden», schreibt Martin Conrad.

Der Stern als Thema

In diesem Jahr kommen die Unterlagen vom Middle East Council of Churches. Als Thema wählten die Christ:innen des Nahen Ostens den Stern, der im Osten aufgeht. Dazu hält der Einführungstext fest: «Nach dem Matthäusevangelium (2,1–12) ist das Erscheinen des Sterns am Himmel von Judäa ein lang ersehntes Zeichen der Hoffnung, dass die Sterndeuter und letztlich alle Völker der Erde zu dem Ort führt, an dem der wahre König und Heiland offenbart wird. Dieser Stern ist ein Geschenk, ein Zeichen für Gottes liebevolle Gegenwart bei allen Menschen.»

Und weiter liest man dort: «Die Christen im Nahen Osten stellen diese Materialien für die Gebetswoche für die Einheit der Christen in dem Bewusstsein zur Verfügung, dass viele ihrer Mühen und Probleme auch in anderen Teilen der Welt erfahren werden und dass die Welt sich nach einem Licht sehnt, das auf den Weg zum Erlöser, der alle Finsternis überwinden kann, führt.»

Zur ökumenischen Situation im Nahen Osten schreibt die Vorbereitungsgruppe: «Trotz komplexer geopolitischer Umstände und globaler, regionaler und lokaler Herausforderungen ist der Rat der Kirchen im Nahen Osten entschlossen, die theologische und ökumenische Reflexion im Nahen Osten weiter zu fördern. Er erfüllt diese Aufgabe vor allem durch die Stärkung der ökumenischen Bildung, Kommunikation und Vernetzung. Ausserdem entwickelt der Rat den Dialog und Initiativen für gerechten Frieden.»

Die erste und bedeutendste aktuelle Herausforderung für die Kirchen im Nahen Osten betreffe die christliche Präsenz in der Region selbst. Seit 1948 haben Konflikte in verschiedenen Ländern der Region zu einer Zunahme der Emigration von Christ:innen geführt. Dennoch kenne die lange Geschichte des Christentums im Nahen Osten neben Phasen der Stagnation und des Niedergangs auch Phasen der Wiederbelebung und Wiedergeburt, heisst es hoffnungsvoll.

Erstpublikation in Kirche heute

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