Zweck der Samichlaus-Synode ist der Austausch unter Samichläusen und Schmutzlis. Foto: Erik Brühlmann

Der Samichlaus lernt nie aus

Samichlaus-Synode in der Propstei Wislikofen

Der Samichlaus ist nicht der Weihnachtsmann, und er ist auch nicht der Mann mit dem Sündenregister in der Hand. An der 5. Samichlaus-Synode in der Propstei Wislikofen ist es um den Mann im Kostüm gegangen – und um den Mann hinter dem Bart.

von Erik Brühlmann

Wer am 4. November an der Propstei in Wislikofen AG vorbeischlendert, traut seinen Augen kaum. Fast 50 Samichläuse und Schmutzlis stehen auf dem Vorplatz – mit Bart, Bischofsgewand, Stab und Buch – und lassen sich geduldig ablichten.

«Für mich ist das immer der schönste Teil der Samichlaus-Synode», sagt Iwan Santoro. Im Zivilleben ist er SRF-Journalist in Bern, in der Vorweihnachtszeit amtet er als Schmutzli im Grossraum Winterthur. «All die tollen, unterschiedlichen Samichlauskostüme – super!» Zusammen mit seinem Samichlaus Christoph Rottmeier ist Iwan Santoro schon seit 1998 als Pfarrei-unabhängiger Schmutzli unterwegs, «einfach, weil es uns riesig Spass macht».

An der Schweizer Samichlaus-Synode, die heuer zum fünften Mal durchgeführt wird, nimmt das erfahrene Gespann schon zum zweiten Mal teil. Für andere Teilnehmer ist das Chlausen noch Neuland. «Ich bin das erste Mal Schmutzli und möchte mich in das ganze Thema hineinleben», gibt ein Schmutzli aus Zofingen zu Protokoll. Sein Samichlaus ist ebenfalls ein Neuling: «Ich bin das zweite Mal Samichlaus – mein Jugendtraum!»

Sogar Samichläuse aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden haben den Weg nach Wislikofen gefunden. «Ich freue mich jedes Mal darauf, mit anderen Samichläusen zusammenzusitzen und über unsere Traditionen zu diskutieren», so der Sinterklaas aus Belgien.


Feierliche Eröffnung

Fester Programmpunkt jeder Samichlaus-Synode ist der feierliche Einzug in die Kirche St. Oswald. Valentine Koledoye, Bischofsvikar in der Bistumsregion St. Urs im Bistum Basel, hat sichtlich Spass an der rauschebärtigen Gemeinde, der er den Segen spenden darf. «Es ist fast wie in der frühen Kirche, als sich die Bischöfe zusammenfanden, um wichtige Dinge zu besprechen», findet er.

Denn in seinem Ursprung ist der Samichlaus ja tatsächlich ein Bischof. Er geht zurück auf den Bischof Nikolaus von Myra, der im vierten Jahrhundert im Gebiet der heutigen Türkei wirkte und als Patron der Seefahrer, Schüler:innen, Studierenden und Kinder gilt. Doch der Bischofsvikar mahnt auch dazu, nicht allzu sehr der Vergangenheit nachzuhängen, denn: «Gestern ist Vergangenheit, morgen ist ein Geheimnis. Und heute ist ein Geschenk.»

Sich austauschen und lernen

Die Samichlaus-Tradition auch im 3. Jahrtausend trotz aller Ablenkungen des modernen Lebens hochzuhalten, ist eine Kunst. Die «Männer hinter dem Bart» zu vernetzen und ihr Engagement zu würdigen, ist denn auch ein Gedanke hinter der Samichlaus-Synode, die 2011 zum ersten Mal durchgeführt wurde. «Manchmal wird diese Tradition zwar belächelt», sagt der Theologe Bernhard Lindner, der zusammen mit Claudia Mennen, Theologin und Leiterin Bildung und Propstei, die Synode organisiert hat. «Dabei vergisst man gern, dass die Samichläuse Familien, manchmal sogar ganze Dörfer, zusammenführen.» Und dies nicht nur in katholischen Gebieten.


Modern formuliert ist der Samichlaus heute eine ökumenische Figur, die auch von den Reformierten gern angenommen wird. Die Kraft und Vielfalt des Brauchtums sei gewaltig, aber es müsse sich auch den Anforderungen der Zeit anpassen. «Wenn man immer dasselbe macht wie vor 50 oder 100 Jahren, hat man bald kein lebendiges Brauchtum mehr, sondern ein Museum», ist Bernhard Lindner überzeugt. Die Samichlaus-Synode sei dafür da, dass sich die Chläuse untereinander austauschen und neue Ideen aufnehmen können.

Diesen Austausch nehmen die Teilnehmer denn auch sehr ernst. «Ich erhoffe mir neue Erkenntnisse in didaktischer Hinsicht, um den Kindern mehr Freude bereiten zu können», so ein Samichlaus aus Döttingen AG. Sein Kollege aus dem «Sieben-Hügel-Dorf» Hägglingen AG fügt hinzu: «Ich war früher ein Waldchlaus und möchte lernen, wie ich als ‹normaler Chlaus› am besten ankomme.»

Andere Zeiten, andere Anforderungen

Gerade im Umgang mit Kindern sind die Anforderungen an Samichläuse und Schmutzlis völlig anders als noch vor 25 oder 50 Jahren. «Auf die Rute verzichten wir gänzlich», berichtet zum Beispiel der Schmutzli aus Zofingen. Und in seinem Workshop stellt Brauchtumsexperte Hans-Peter Rust klar: «Begriffe wie ‹Sündenregister›, ‹Rüge› oder ‹Tadel› müssen wir aus unserem Samichlauswortschatz streichen.» Es gehe nicht darum, den Kindern ihre Fehler vor Augen zu halten, sondern darum, sie zu Verbesserungen zu animieren.

Aus Erfahrung attestiert Organisator Bernhard Lindner den Schweizer Samichläusen und Schmutzlis auf alle Fälle ein hohes Mass an Reflexion. «Sie machen sich Gedanken darüber, wie sie auftreten wollen, zum Beispiel als Autoritätsperson, väterliche Figur oder Mentor – und wie sie auf andere Menschen wirken wollen.»


Trotz aller Anpassung an die Moderne möchte der Schmutzli Iwan Santoro eine Diskussion auf keinen Fall führen. «Das schwarz geschminkte Gesicht steht für mich nicht zur Debatte», sagt er. «Der Schmutzli hat wegen seiner Arbeit als Köhler ein schwarzes Gesicht. Da über Blackfacing zu diskutieren, ergibt einfach keinen Sinn.»

Anders stellt sich die Situation wohl in den Niederlanden dar, wo der Zwarte Piet als Gehilfe vom Sinterklaas tatsächlich einen dunkelhäutigen Mann darstellen soll.

Intensive Workshops

In den Workshops der 5. Samichlaus-Synode gibt es viel zu diskutieren. Zum Beispiel darüber, wie man das Brauchtum besser in der Öffentlichkeit zeigen kann; wie man am besten in die Rolle schlüpft und sie wieder verlässt; wie man mit schwierigen Situationen umgeht; oder wie man den Samichlausbesuch am besten organisiert.

Die Bandbreite der Themen kommt bei den Teilnehmern gut an. Sie tauschen sich aus, wie man sich vom US-amerikanischen Weihnachtsmann, der immer wieder mit dem Samichlaus vermischt wird, abgrenzt. Sie sprechen darüber, wie man schwierige Situationen am besten meistert – von sich lösenden Bärten über vergessene Utensilien bis hin zu Kindern, die auf den Schoss des Samichlaus sitzen wollen.

Dies ist für alte Hasen wie Iwan Santoro zwar weniger relevant. «Vieles haben wir schon selbst erlebt», sagt er, «und Extremsituationen sind erfahrungsgemäss sehr selten. Zudem ist mein Samichlaus ausgebildeter Sozialarbeiter und Lehrer, er könnte mit solchen Szenarien umgehen.»

Noch mehr über das Brauchtum an sich zu erfahren und den eigenen Geschichtenschatz zu erweitern, sei für seine Arbeit jedoch sehr wertvoll. «So hat man immer wieder etwas Neues zu erzählen!» Auch der Samichlaus lernt eben nie aus.

Diese Website nutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung der Site stimmen Sie deren Verwendung zu und akzeptieren unsere Datenschutzrichtlinien.