Die Bilder (darunter viele Tierbilder) des georgischen Malers Niko Pirosmani sind aktuell in der Fondation Beyeler ausgestellt. Foto: Sandro Fischli

Die Botschaft der Tiere

Gedanken zur Pirosmani-Ausstellung in der Fondation Beyeler

Wie Henri Rousseaus berühmte Dschungelbilder oder die ländlichen Szenerien mit Kühen des Schweizer Malers Hans Krüsi zählen auch die Werke des georgischen Malers Niko Pirosmani zur Naiven Kunst. Gedanken und Impressionen aus der aktuellen Bilderausstellung der Fondation Beyeler.

Text und Fotos: Sandro Fischli

Niko Pirosmani (1862–1918) verdiente seinen kargen Lebensunterhalt mit Schildermalereien für Wirtshäuser, Läden und malte, was er sah. Nach seinem Tod entdeckte ihn die künstlerische Avantgarde, die sich in jener Zeit für das Ursprüngliche, das Unverfälschte, im Sinne des Wortes «primitiv» zu begeistern begann. Es ist bezeichnend, dass die Schweizer Kuratorin Bice Curiger ihre Pirosmani-Ausstellung 1995 unter den Titel «Zeichen und Wunder» stellte.


In der aktuellen Pirosmani-Ausstellung der Fondation Beyeler erscheinen biblische Worte ungewohnt. Wie passend sie sind, erschliesst sich mir unmittelbar beim Bild «Ostermysterium» (1), das ich lange und immer wieder betrachte.

Der Künstler hat hier die ganze Erzählung ins Bild gepackt. Das Lamm trinkt geduldig, unbefangen, ja, heiter aus einem Bach, trotz seines Opfers, das wie gar nicht stattfinden wird oder längst stattgefunden hat. Die Passionsgeschichte als Friedensbild. Welche Weisheit in solcher Naivität.

Auch andere Bilder lassen mich spontan Bibelstellen assoziieren – die Bärin oder die Sau mit ihren Jungen oder der verträumt sitzende Löwe, der mich auch an den Stier Ferdinand aus dem Bilderbuch erinnert, der lieber an Blumen riecht, als kämpft, lassen mich an Jesajas unübertreffliches Friedensbild (Jesaja 11,6–7) denken, wo alle Geschöpfe miteinander in Eintracht leben (2).

Wiederholte Bilder von Hirschen, Rehen an der Tränke gemahnen mich an Psalm 42,2, den Vergleich mit diesen Tieren, ihrem und unserem Durst nach der Quelle (3).

Die anrührendsten Porträts von Eseln verweisen für mich auf den Seher Bileam und auf Palmsonntag – bei Bileam ist das Tier selber Friedensstifter, an Palmsonntag Träger des Friedensstifters (4). Nebst all den Tieren berührt mich besonders das Bild einer Mutter mit drei Kindern, ein Ausschnitt aus einem Gemälde «Reich und Arm» – Pirosmani wurde nach dem Tod seiner Eltern in jungen Jahren von einer reichen Familie aufgenommen. Der Ausdruck in den Gesichtern auf dem Bild ist ergreifend, es ist eine Heilige Familie ohne Josef und einem Jesus mit Geschwistern. Der gewählte Ausschnitt der stillenden Mutter mit dem Säugling ist eine wunderbare Darstellung der «Madonna mit Kind» (5).

Pirosmani arbeitete zeitweise auch als Schaffner bei der Eisenbahn. Beim Bild eines wartenden Zuges in der Nacht fällt mir sofort Aretha Franklins Gospelsong «People get ready» («There’s a train comin’») ein – jener Zug, für den es kein Ticket ausser dem Glauben braucht.
 

Eine Ausstellung mit Niko Pirosmanis Bildern ist noch bis 28. Januar in der Fondation Beyeler in Riehen zu sehen.
Weitere Infos: www.fondationbeyeler.ch

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