Das «pfarrblatt» sei etwas Besonderes, das habe er in den 23 Jahren Engagement oft bemerkt, erzählt Synes Ernst. Foto: Ruben Sprich

«Die Leserschaft darf sich nicht langweilen»

Synes Ernst war über 20 Jahre lang eng mit dem «pfarrblatt» verbunden

Nach 23 Jahren Engagement in verschiedenen «pfarrblatt»-Funktionen wurde Synes Ernst an der «pfarrblatt»-Vereinsversammlung vom 29. April verabschiedet. Wir haben das Gespräch mit ihm an der Versammlung aufgezeichnet.

von Anouk Hiedl, Sylvia Stam, Andreas Krummenacher

«pfarrblatt»: Du warst viele Jahre lang politischer Journalist. Betreibt das «pfarrblatt» Journalismus oder PR?

Synes Ernst: Die Pfarreien sind Herausgeberinnen des «pfarrblatt». Es hat demnach auch den Auftrag, deren Interessen wahrzunehmen, im Sinne der Pastoral zu wirken. Ich finde es fragwürdig, dass man zwischen Journalismus und PR unterscheidet. Der Journalismus ist dabei immer gut, die PR bezahlt und damit schlecht. Auch PR ist nötig, man muss für seine Interessen in den Medien einstehen. Die Frage ist nur, mit welchen Mitteln und mit welcher Transparenz. Der Thementeil des «pfarrblatt» muss sich an journalistischen Kriterien orientieren. Die Leserinnen und Leser dürfen sich nicht langweilen. Das gilt für jede Redaktion.

Die Redaktion muss journalistisch denken. Wie bereitet man die regelmässigen Themen auf? Weihnachten kommt alle Jahre wieder, Ostern ebenfalls, der Sommer und der Schulbeginn. Darauf eine spannende journalistische Antwort zu geben, stellt für jede Redaktion eine grosse Herausforderung dar. Das «pfarrblatt» insgesamt muss in seiner Haltung unabhängig sein. Die Redaktion darf sich hier nicht von einer Gruppe Vorschriften machen lassen. Passt dem Vorstand eine Haltung nicht, könnte er in letzter Konsequenz den Chefredaktor auswechseln. Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang, dass es eine institutionalisierte Qualitätssicherung gibt, etwa durch den Redaktionsbeirat.

Wie hast du in all den Jahren die Arbeit der verschiedenen «pfarrblatt»-Redaktionen erlebt, gerade im Vergleich zu den Zeitungen, bei denen du gearbeitet hast?

Dass das «pfarrblatt» etwas Besonderes ist, spürte ich vor allem, wenn es um kirchenpolitisch heikle Themen ging. So habe ich mich gewundert, dass Solothurn eine Entschuldigung im «pfarrblatt» forderte, nachdem sich 2004 ein kirchlicher Mitarbeiter in einer Tageszeitung kritisch zum Papstbesuch in Bern geäussert hatte. Ich unterstützte die Redaktion bei der Ablehnung, weil eine solche Entschuldigung in jenem Medium erfolgen muss, in dem die Äusserung gemacht wurde.

Es gab zu Beginn meiner Amtszeit als Präsident im Jahr 2004 auch Konflikte, die ich in meinem Beruf so nie erlebt habe, zum Beispiel im Zusammenhang mit kritischen «pfarrblatt»-Kommentaren zu Dokumenten aus dem Vatikan zu Fragen der Ökumene und der Eucharistie. Solothurn intervenierte, und es gab schwierige Krisensitzungen mit Vertretern des bischöflichen Ordinariats und der Landeskirche.

Besonders schwer war die Situation für ein Vorstandsmitglied, das als Priester in einem Loyalitätsverhältnis zum Bischof stand, gleichzeitig aber mit dem Gesamtvorstand für die Freiheit der Redaktion kämpfte. Die Atmosphäre war sehr angespannt. Am Schluss blieb die Intervention Solothurns ohne Folgen. Wichtig war für Vorstand und Redaktion, dass wir immer die volle Unterstützung der «pfarrblatt»-Versammlung hatten. Konflikte in dieser Form sind aussergewöhnlich. Das ist schon ein Stress, wir machten alles in Freiwilligenarbeit.


Vor 20 Jahren starb Dorothee Sölle. Sie trat dezidiert für ein politisches Christentum sein. Teilst du ihre Ansicht? Anders gefragt: Wie politisch soll die Kirche und damit auch das «pfarrblatt» sein?

Die Kirche soll und muss politisch sein. Das Zusammenleben von Menschen in einer Gemeinschaft und auch in der Struktur Kirche ist per se politisch. Dorothee Sölle sagt: «Religion und Glaube sind nie abstrakt, sondern immer konkret. Sie wirken in unseren Alltag hinein, auf unser Leben, auf unsere Gesellschaft – und sind deshalb auch politisch.» Damit ist auch das «pfarrblatt» politisch.

Auftraggeberinnen sind die Pfarreien und die haben pastorale Aufgaben. Das ist Verkündigung, die Sakramente, die Diakonie, die Sinnstiftung – in diesem Rahmen muss das «pfarrblatt» wirken. Es muss versuchen, Antworten auf Fragen der Menschen von heute zu formulieren. Wie beurteilen wir die Waffenlieferungen an die Ukraine? Wie soll ich zum Klimaschutzgesetz abstimmen? Hier kann das «pfarrblatt» einen Beitrag leisten, ist dabei aber mit einer Herausforderung konfrontiert: Ich kann bei Abstimmungen ja oder nein ankreuzen. Es gibt also die Abgrenzung in ein Ja-Lager und ein Nein-Lager. Das ist problematisch, weil das «pfarrblatt» sich nicht einem bestimmten Lager zuordnen lassen darf, sondern Anwalt des Dialogs sein muss. Das Gespräch muss geführt werden, die Meinungsfreiheit ist wichtig. Das «pfarrblatt» muss darum kämpfen. Das ist auch eine politische Aufgabe

Du überblickst 20 Jahre «pfarrblatt»- Geschichte. Was war das grösste Missgeschick in dieser Zeit?

Ich habe mich hie und da über einen Artikel oder einen Kommentar aufgeregt. Man hätte manches besser schreiben können. Ein Gespräch vorab hätte Konflikte gar nicht erst entstehen lassen. Aber das sind alles Kleinigkeiten im Vergleich zum schon erwähnten Konflikt zwischen «pfarrblatt» und dem bischöflichen Ordinariat in Solothurn. Insgesamt habe ich mit dem «pfarrblatt» schöne und gute Zeiten erlebt, ich hatte viele bereichernde Begegnungen, in der Redaktion, im Vorstand, aber auch sonst in Katholisch-Bern, mit vielen Menschen, die ich sonst nie kennengelernt hätte.


Du bist begeisterter Twitterer. Warum soll das «pfarrblatt» auf Social Media sein?

Die katholische Kirche konnte die verschiedenen Kommunikationsmittel immer sehr gut einsetzen: Zeitungen, Radio, Film. Die Kirche war immer nahe bei den Menschen. Das «pfarrblatt» hat sich vom Korrespondenzblatt zu einem modernen Medium entwickelt. Wenn man die Menschen erreichen will, muss man alle möglichen Kommunikationskanäle benutzen. Für viele Journalist:innen ist Twitter eine Triagestelle für die wichtigen Informationen. Wer macht was? Welche Themen sind aktuell? Viele Informationen aus dem Bereich, in dem das «pfarrblatt» aktiv ist, erhalte ich über die Twitter-Kanäle von kath.ch, kna oder katholisch.de. Ich weiss, was in der Kirche passiert. Das «pfarrblatt» muss deshalb auch hier präsent sein.

Was waren für das Berner «pfarrblatt» die wichtigsten Meilensteine? Und: Wie sollte sich das «pfarrblatt» entwickeln?

Die Digitalisierung ist sicher ein Meilenstein. Hier wurde aktiv und intensiv gearbeitet. Die Redesigns der Zeitung sind immer Meilensteine. Es gab bis 2010 drei Splitausgaben und danach eine Gesamtausgabe, die sichtbar gemacht hat, wie gross die Kirche im Kanton ist und wie vielfältig. Meilensteine waren immer auch Personalwechsel. Das «pfarrblatt» wird ja nicht vom Vorstand oder vom Beirat gemacht, sondern von der Redaktion. Wer eine gute Zeitung haben will, muss dafür auch die fähigen Redaktor:innen anstellen. Da die «parrblatt»-Redaktion klein ist, hat jede Personalentscheidung grössere Auswirkungen als bei einer 60-köpfigen Redaktion.

Du bist ein Spielexperte. Mit welchem Spiel würdest du die katholische Kirche am ehesten vergleichen? Monopoly? Mensch ärgere dich nicht? Die Siedler von Vatikan?

Es gibt tatsächlich ein Spiel mit direktem Bezug zum Vatikan. Es ist das satirische Spiel «Kreml» von Urs Hostettler. Ein wunderbares Spiel aus der Zeit der Sowjetunion, alte Herren kämpfen da um das Amt des Parteichefs. Der Prototyp zum Spiel hiess «Vatikan». Auch da gibt es viele alte Herren, die um das höchste Amt kämpfen. Wieso das Spiel am Ende nicht so genannt wurde, weiss ich nicht. Im Vatikan hat sich in der Zwischenzeit vielleicht auch einiges geändert. Das Spiel bleibt gut und beugt wie Spielen generell der Vergreisung des Denkens vor.


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Synes Ernst wurde 2000 in den «pfarrblatt»- Vorstand gewählt, zwischen 2003 bis 2012 war er Präsident der «pfarrblatt»-Gemeinschaft. Seither präsidierte er den Redaktionsbeirat, der sich inhaltlich mit der Arbeit der «pfarrblatt»-Redaktion befasst.
Synes Ernst war als Journalist bei verschiedenen Zeitungen tätig, zuletzt als Bundeshauskorrespondent bei der «Handelszeitung». Er war als Politiker der Partei Die Mitte Gemeinderat in Ostermundigen

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