Gründer und Chefredaktor Mark Bamidele-Emmanuel hätte für sein Diaspora-TV gerne ein bisschen von den SRG-Milliarden. Foto: Pia Neuenschwander

Die Schweiz in Talkshows erklärt

Was Diaspora-TV zur Integration leistet

Für eine erfolgreiche Integration braucht es auch Informationen über die Schweiz. Der Sender Diaspora-TV in Zollikofen leistet hier seit bald drei Jahren wichtige Orientierungshilfe für Zugewanderte.  

Von Hannah Einhaus 

Das Studio liegt zentral und ist doch fast unsichtbar. In Zollikofen, neben dem grossen Coop, wo täglich hunderte Personen einkaufen, hängen seit Monaten in den Fenstern einer ehemaligen Drogerie schwarze Vorhänge. Kein Licht dringt durch, nichts ist angeschrieben. Erst die diskrete Klingel verrät es: Hinter den verdunkelten Fenstern verbirgt sich ein Fernsehstudio, und zwar Diaspora-TV. Der Innenraum ist hell, freundlich, die Wand für die Moderation knallgrün.

Gründer Mark Bamidele-Emmanuel und rund 90 Medienprofis produzieren hier ihre News-Sendungen in acht Sprachen – Englisch, Französisch, Spanisch, Rumänisch, Arabisch, Persisch, Albanisch und Tigrinja. Einmal im Monat berichten Journalist*innen während etwa zehn bis fünfzehn Minuten über Ereignisse in der Schweiz. Über weite Teile sind die Beiträge in allen Sprachen identisch, zum Beispiel, wenn es um Covid-Massnahmen oder Abstimmungen geht, doch es gibt auch länderspezifische Nachrichten. 

Die Sprache zu lernen reicht nicht 

Laut Gründer und Chefredaktor Mark Bamidele-Emmanuel füllt der Sender eine empfindliche Lücke bei der Integration von fremdsprachigen Einwohner*innen der Schweiz. «Die heutige Integrationspolitik will nur die Sprache fördern.» Wer sich einbürgern wolle, müsse die Sprache beherrschen. Doch das reiche nicht. Um als Migrant*in im neuen Land anzukommen, sei die Information über das Leben und die Einrichtungen in der Schweiz ebenso entscheidend. 

Für inländische Informationen strahlen die Sender von SRF nur Sendungen in den Landessprachen aus. Sie zu verstehen bedeutet fortgeschrittene Deutsch- oder Französischkenntnisse. Die unzähligen Satellitenschüsseln auf Balkonen, die Nachrichten aus der ganzen Welt empfangen, füllen diese Lücke nicht. «Dort erfahren die Zugewanderten Neues über ihr Herkunftsland, aber nichts über die Schweiz», erklärt der gebürtige Nigerianer weiter. Das zehnsprachige Medium swissinfo.ch richtet sich ebenfalls mehr an Auslandschweizer*innen, nicht an Anderssprachige in der Schweiz. Genau hier setzen die Sendegefässe von Diaspora-TV an.  

Schulsystem und Gesundheitswesen in Talkshow 

Besonders wichtig sind die Talkshows, in denen die inneren Mechanismen in der Schweiz erklärt werden, vom Schulsystem übers Gesundheitswesen zu Sozialversicherungen. Auch Hinweise auf das gesellschaftliche Leben der eigenen Community in der Schweiz gehören dazu. Wer das Land besser kennt und sich besser in die Gesellschaft einbringen kann, fühlt sich auch rascher integriert, so das Credo.  

Information über Dienstleistungen fehlt 

Die Tatsache, dass Gemeinden und Kantone mehrsprachige Informationsblätter zu vielen dieser Fragen herausgeben, reicht nach Ansicht von Bamidele-Emmanuel nicht. Das sei zwar eine gute Sache, aber: «Wie sollen die Leute wissen, dass die Webseite eines Kantons solche Informationen in 8 bis 20 Sprachen publiziert?» Erst die Information, dass es diese Dienstleistungen überhaupt gibt, sei der Schlüssel zu diesen zahlreichen und gut aufbereiteten Auskünften. Dass hier ein Bedürfnis besteht, belege laut Bamidele-Emmanuel die 350'000 bis 500'000 monatliche Facebook-Aufrufe.  

Nach Ansicht von Bamidele-Emmanuel hätten Sender wie Diaspora-TV einen Anspruch auf einen staatlichen Entgelt für diese Leistungen. Die gesamte Bevölkerung zahlt mit den TV-Gebühren jährlich rund 1,5 Milliarden Franken in die Kasse der SRG. Vom ausländischen Viertel der Bevölkerung kommen proportional also etwa 375 Millionen Franken. Auch nur ein Prozent davon, also 3,75 Millionen, wären eine grosse Stütze für diese Sender, Online-Plattformen und sozialen Medien von Migrant*innen.  

Kaum staatliche Unterstützung 

Staatliches Geld ist jedoch bisher kaum geflossen: Das Bundesamt für Kommunikation BAKOM hat laut Bamidele-Emmanuel jegliche Unterstützung abgelehnt. Von öffentlicher Seite kam bisher Unterstützung vom BAG oder vom Staatssekretariat für Migration SEM. Dazu kommen Private wie die Rudolf und Ursula Streit-Stiftung. Nichtsdestotrotz strahlt Bamidele-Emmanuel viel Energie und Optimismus aus. Die Redaktion ist inzwischen auf rund 90 Personen gewachsen. Die Arbeit von Diaspora-TV wird angesichts des wachsenden Bevölkerungsanteils von Migrant*innen nicht ausgehen. 

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