Die Künstlerin Monika Sosnowska im Kunstraum Dornbirn, 2022. Foto: Darko Todorovic

Die Würde des Kaputten

Kunst und Kirche. Eine Kolumne zur Ausstellung von Monika Sosnowska

In der Bibel wird immer wieder der Blick auf das Geringe, Geschundene, Beschädigte gerichtet. Dieser Bezug fiel mir ein, als ich die Ausstellung der polnischen Künstlerin Monika Sosnowska im Zentrum Paul Klee besuchte.

von Sandro Fischli

Der Blick auf das Geringe ist in der modernen Kunst zwar nicht neu. Joseph Beuys, Dieter Roth und die Vertreter:innen der sogenannten Arte Povera (arme Kunst) arbeiteten mit unedlen Materialien, ja, Abfällen. Oder sie beschädigten ihre Werke gleich selbst, zerschlitzten ihre Leinwände wie Lucio Fontana oder Joan Mirò.

Der Zugang von Monika Sosnowska ist aber ein ganz anderer. Ihr Blick ist geprägt vom Zerfall polnischer Städte, von heruntergekommenen Plattenbauten, schäbigen Markthallen, verlassenen Industriewerken, desolaten Brachen, verkommenen Spielplätzen.


Sie bildet dies in ihrer Kunst dann aber nicht einfach ab, sondern bildet es aus «edlen» Materialien, Stahl, Eisen, Lackfarben, neu nach – ein zerbrochenes, zerquetschtes Geländer, ein wie unter grösstem Druck verdrehtes Gerüst, Armierungseisen, die aus kaputten Betonblöcken stechen, werden bei ihr zu elastischen Stengeln, Bündeln.


Dieser Nachbau erfolgt in einem Neubau der Objekte, die sie dann in einem Umbau in den kaputten Zustand überführt. Es gelingt ihr so, auf diesem komplizierten Umweg wie die Geschichte dieser Dinge zu erzählen und zu ehren.


Die Ausstellung zeigt die fast winzigen, filigranen Papiermodelle, nach denen dann in grossem handwerklichem Aufwand die wuchtigen Objekte gefertigt wurden. Diese Spannung zwischen Klein und Gross, zwischen Skizze und Werk habe ich so unmittelbar noch selten erleben dürfen.


Diese Künstlerin verleiht in ihrem Werk dem buchstäblich Verworfenen etwas erschreckend Majestätisches, eine verstörende Würde zurück.

 

Hinweis:
Monika Sosnowska. Zentrum Paul Klee noch bis 10. September 2023

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