«Die Klarheit des Stundengebets gibt mir Weite», sagt Geneva Moser. Foto: Ella Mettler

«Diese Sehnsucht lässt sich nicht wegschieben»

Warum eine junge Frau ins Kloster geht

Geneva Moser (33) tritt im März in ein Benediktinerinnenkloster ein. Sie folgt damit einer Sehnsucht, die sie seit ihrem 12. Lebensjahr begleitet.  

von Sylvia Stam 

«Es geht letztlich um Gottsuche. Weniger um ein Finden, als vielmehr um die Form, wie ich weitersuche», sagt Geneva Moser (33). Die Co-Redaktionsleiterin der religiös-sozialen Zeitschrift «Neue Wege» tritt im März in das Benediktinerinnenkloster St. Hildegard im deutschen Rüdesheim ein.  

«Seit meinem 12. Lebensjahr ist Kloster ein Thema für mich», erzählt Moser, die zurzeit in Kehrsatz wohnt. Sie habe lange gebraucht, um sich diesen Wunsch einzugestehen und um eine konkrete Gemeinschaft zu suchen, in der sie sich das vorstellen könnte. «Ich hatte immer wieder gute Gründe, warum es gerade nicht der richtige Zeitpunkt dafür war», sagt sie und lacht. Mal war sie grad im Studium, mal neu in einer Beziehung, mal im Hader mit der Kirche. Dennoch habe sie gemerkt, «diese Sehnsucht lässt sich nicht wegschieben. Ich muss ihr nachgehen.» 

Als Teenagerin fasziniert vom Stundengebet 

Aufgewachsen im Kanton Aargau, besuchte sie ab dem 12. Lebensjahr das Internat des Klosters Wurmsbach am Zürichsee, das damals von Zisterzienserinnen geführt wurde. Das Leben der Schwestern hat sie beeindruckt, weil sie «ihren Platz in dieser Welt gefunden» hätten, so kam es ihr vor. Geneva Moser, die einen Bachelor in literarischem Schreiben hat, wählt ihre Worte genau, präzisiert, wo nötig: «Dieser Platz ist auch eine Verwirklichung ihrer Gottesbeziehung in dieser Welt.» 

Die Teenagerin ging regelmässig an Sonntagnachmittagen ins Stundengebet, wo sie versuchte, dessen komplexen Ablauf zu verstehen. Auf ihren Wunsch durfte sie mit der Zeit sogar mit den Schwestern im Chor mitbeten, was damals noch nicht üblich war.  

Obschon ein Eintritt ins Kloster Wurmsbach für sie nicht in Frage kam, sei die Liebe zu dieser Art Gebet geblieben, erzählt sie heute. «Es ist eine Form von Gebet, die für mich beten erst möglich macht.» Wenn sie keine eigenen Worte finde, oder wenn sie nicht in die Stille komme, erlebe sie das Einschwingen in diesen klaren Ablauf als Hilfe. «Diese Klarheit gibt mir eine Weite.» 

Kontemplatives Leben in eheloser Keuschheit 

Das Wort «Berufung» fällt im Gespräch nicht. Geneva Moser hat Mühe mit der Vorstellung, dass so etwas plötzlich geschieht. Dennoch habe sich im Gebet in der Abtei St. Hildegard, die sie seit fünf Jahren kennt, «eine Klarheit eingestellt, die ich an keinem anderen Ort hatte». Als sie nach Hause kam, habe sie eine Art Verliebtheit gespürt, «in diesen sinnhaft gestalteten Alltag, die vielfältige Gemeinschaft und das vertiefte Gebetsleben.»   

Gleichzeitig ist sie sich bewusst, dass mit dem Klostereintritt «grosse Themen» auf sie zukommen: Die gesellschaftspolitisch engagierte Philosophin und Geschlechterforscherin wird ein kontemplatives Leben in «eheloser Keuschheit» und in Gehorsam führen.  

«Das ist eine Aufgabe, eine Herausforderung», entgegnet sie ebenso schlicht wie pragmatisch auf die Frage, wie das zusammengeht. Dem Zölibat in Gemeinschaft könne sie durchaus Sinn abgewinnen. Zugleich hält die ausgebildete Tanz- und Bewegungstherapeutin fest, dass Sexualität mehr sei als der sexuelle Akt, «sie ist eine grössere Kraft, die sich auch im Tanz oder im schöpferischen Tun ausdrücken kann». 

Gehorsam werde sie primär Gott geloben, aber auch der Äbtissin und der Gemeinschaft. «Gehorsam hat mit hören zu tun», ist sie überzeugt, und deutet ihn als Frage nach der eigenen Aufgabe, dem eigenen Mass.  

«Dann müssen wir weiterschauen» 

Redaktionsleiterin der «Neuen Wege» wird sie auch vom Kloster aus bleiben. Diese schreibende Form des politischen Engagements entspreche ihr. Sie sieht darin auch keinen Widerspruch zum kontemplativen Leben der Benediktinerinnen. «Mein Begehren ist die Verwirklichung von Gottes Reich, einer gerechteren Welt in einem befreiungstheologischen Sinn: im Hier und Jetzt». 

Armut, Gehorsam und Ehelosigkeit seien Teil der mehrjährigen Ordensausbildung. Sie freut sich darauf, genau dafür Raum zu haben. Und sie bleibt pragmatisch: «Wenn die Gemeinschaft oder ich selber nach zwei Monaten herausfinden, dass das doch nicht passt, «dann müssen wir weiterschauen», sagt sie lachend.  

Klöster als Orte der Zukunft 

Dass sie als relativ junge Frau in eine Institution eintritt, die vom Aussterben bedroht ist, ist ihr durchaus bewusst, auch wenn im Kloster St. Hildegard derzeit noch 43 Schwestern zwischen 33 und 97 Jahren leben. «Ordensgemeinschaften haben ein Potenzial, Orte der Zukunft der Kirche zu sein» ist Moser überzeugt, denn sie lebten eine Form der Nachfolge Christi, die selbst für Kirchenferne etwas Überzeugendes habe, «sei es aufgrund ihrer Spiritualität oder ihres karitativen Engagements». 

Darin sieht sie eine Zukunft, selbst wenn die Institution Kirche «mit ihrem Reformstau und ihrer immer wieder tradierten Gewalt- und Hierarchiestruktur» vielleicht in ihrer jetzigen Form untergehen müsse, «damit etwas Neues entstehen kann». 

 

Der lange Weg ins Kloster 
Ein Klostereintritt beginnt mit dem Postulat. In der Abtei St. Hildegard dauert dieses etwa ein Jahr. Das Postulat endet mit der Feier der Einkleidung. Diese markiert den Übergang ins zweijährige Noviziat. Nach diesen zwei Jahren gelobt die Novizin für drei Jahre Armut, Gehorsam und ehelose Keuschheit. Am Ende dieser drei Jahre, dem Juniorat, legt sie mit Zustimmung der Gemeinschaft die Gelübde auf Lebenszeit ab. Diese Feier heisst «ewige Profess». 

 

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