Im Rahmen einer Zwischennutzung betreiben vier Gastronomen bis Mitte Januar das Pop-Up-Restaurant «Zur Markuskirche» im Berner Breitenrainquartier. Ein ungewöhnliches Experiment.
von Vera Rüttimann
Im Eingangsbereich der Berner Markuskirche liegt ein altes Boot. Es dient als Käsevitrine. Auf dem Ambo, wo sonst gepredigt wird, stehen zwei grosse Musikboxen. Dahinter eine Kiste alter Vinyl-Platten. «Sometimes It Snows in April» von Prince schallt es in den Raum.
Im Chor stehen volle Weinregale. In der Mitte des Kirchenraumes ist eine grosse Küche und eine Bar installiert. Die Gäste speisen an Tischen bei gedämpftem Kerzenlicht. Simon Rudaz sagt: «Wenn die Leute diesen Raum betreten, verschlägt es ihnen erst einmal den Atem.» Zusammen mit den Gastrofachleuten Bruno Bucher, Silvan Hug und Martin Schöni führt er das Restaurant «Zur Markuskirche».
Carte Blanche für ein Abenteuer
Simon Rudaz steht zufrieden an der Bar und sinniert über die vergangenen Wochen. Angefangen hat alles im letzten Herbst, als Kirchenpräsident Marco Ritter das Gastro-Team anfragte, ob es die Markuskirche temporär zwischennutzen und bespielen wolle. «Wir gingen voller Elan an die Arbeit. Doch die Herausforderungen, so einen grossen Raum zu füllen, waren enorm», sagt er. Strom und Wasser mussten verlegt werden. Der von den Bänken befreite Innenraum wurde in ein Restaurant unzähligen Kerzen ausgestaltet.
Von der Kirchgemeinde der Markuskirche bekam das Gastro-Team eine Carte Blanche. Der Weg zum erfolgreichen Pop-Up in der beliebten Quartierkirche verlief jedoch nicht ohne Hindernisse. Der Text, den die Betreiber auf die Restaurantseite stellten, sorgte in der Gemeinde für rote Köpfe.
Zoff um «Höllenritt» und «Abendmahl»
«Das dürfte ein Höllenritt werden!» und: «Das Abendmahl» – das waren Sätze, die beim Entstehungsprozess dieses Projektes zu Diskussionen führten. Simon Rudaz dazu: «Leute haben die Text streng ausgelegt. Sie haben nicht verstanden, dass man damit spielerisch umgehen soll.» Zudem, fügt Rudaz an, «hatten sie wohl Angst, wir machen in der Kirche etwas kaputt.»
Als Vize-Kirchgemeinderatspräsident Bernd Berger das Pop-Up in der Markuskirche dann selbst besuchte, wurde er vom Gegenteil überzeugt. Mehr noch: «Es hat ihm gefallen», freut sich Simon Rudaz sichtlich. «Wir haben», sagt er ironisch, «Frieden geschlossen.» In den vergangenen Wochen seien hier etliche Kirchgemeindemitglieder vorbeigekommen.
Das Arbeiten in einer Kirche war auch für das Gastroteam ein Lernprozess. Simon Rudaz: «Uns war überhaupt nicht bewusst, wie zentral wichtig das Abendmahl für die Reformierten ist.»
Temporäre «Abendmahlgemeinde»
Brasato mit Rosenkohl, Speckwürfel und Pastinaken. Oder Pelati, Artischocken, Sauergurken, Kabbis oder Pfirsich. «Das mehrgängige Essen ist sehr speziell», sagt ein Gast. «Was hier im Glas und auf dem Teller liegt, stammt aus befreundeten Landwirtschaftsbetrieben», sagt Simon Rudaz. «Die Zusammenarbeit mit den Produzent:innen aus der Region ist sehr eng», sagt er. Bruno Bucher nennt sie eine «Gemeinschaft».
Das Sauerteigbrot, das so formidabel riecht, kommt ebenfalls aus eigener Produktion. Wenn die Leute an den langen Tischen ihr schmackhaftes Sauerteigbrot brechen, dann sei das, so Rudaz, in einer anderen Form auch ein Abendmahl.
«Wie ein schützender Kokon»
Gegen 18 Uhr treffen immer mehr Leute an der Bar ein. Alle Kerzen im Raum brennen jetzt. In der Kirche herrscht nur noch ein schummriges Licht. Wie in der neuesten Sisi-Neuverfilmung. Während einige Gäste direkt zum Apero gehen, schlendern andere erst durch die Kirche. Sie gehen zum Taufstein vorne im Chor, betrachten die riesigen Glasfenster oder die Kerzenleuchter. Bruno Bucher beobachtet: «Die Leute werden andächtig und ruhig. Dieser Ort entschleunigt die Leute.»
Diese Stimmung ziehe sich durch den ganzen Abend. Auch der Gastronom schätzt die Besonderheiten das Innere der Markuskirche: «Seine hohe Decke, die bunten Glasfenster, die in den Raum hineinleichten und die Kerzen, das alles erzeugt eine einmalig schöne Stimmung.»
Bruno Bucher schätzt hier auch diese eigentümliche Ruhe. Trotz der Musik. «Sie legt sich auf die Gäste und auch auf die Mitarbeitenden in der Küche», sagt er. Dieser Raum mache etwas mit den Leuten. «Ich empfinde ihn wie einen schützenden Kokon, der sich um alles legt.»