Regisseur Thomas Thümena. Sein Film «Himmel über Zürich» begleitet einen Heilsarmee-Offizier. Foto: Vera Rüttimann

Ein Film, der dorthin schaut, wo es schmerzt

Kinofilm «Himmel über Zürich»: Gespräch mit Regisseur Thümena

Zürich ist die reichste und teuerste Stadt der Welt. Es ist sowohl für Bettler:innen ein hartes Pflaster, als auch für christliche Missionsarbeit. Der Kinofilm «Himmel über Zürich» begleitet einen städtischen Heilsarmee-Offizier. Das Berner «pfarrblatt» hat Regisseur Thomas Thümena in Zürich getroffen.

Interview: Vera Rüttimann

«pfarrblatt»: Herr, Thümena, was war Ihr Beweggrund für diesen Film?

Thomas Thümena: Ich habe, wie vielleicht der Rest der Gesellschaft, Strategien entwickelt, wie ich Obdachlose und arme Menschen weiträumig umgehen kann. Sie sind mir unangenehm und stören. Ich begann mich zu fragen: Was habe ich gegen sie? Wovor habe ich Angst? Das war der Ausgangspunkt, den Kontakt zu Heilsarmee zu suchen, weil diese Institution mit solchen Leuten in Kontakt steht.


Wie sind Sie auf den Heilsarmee-Offizier Fredi Inniger gestossen, den Sie im Film begleiten?

Ich fand seinen Kontakt über das Hauptquartier der Heilsarmee in Bern, als ich dort über mein Filmprojekt informierte. Fredi setzt sich ein für Menschen in Not, sammelt Geld für die Heilsarmee und gibt es an Bedürftige weiter. Seine Station ist in Zürich-Nord, eine Gegend am Rande der Stadt.

Und was faszinierte Sie an dieser Person?

Was ich sagen kann: Fredi Inniger ist ein Mensch, der sich für das Wohl für der anderen einsetzt. Er hat eine Herzlichkeit, Offenheit und einen unerschütterlichen Optimismus, dass es irgendwo noch eine Veränderung zum Besseren gibt bei Person, die die Gesellschaft schon längst aufgegeben hat. Manchmal war ich schon konsterniert, wie Fredi Inniger da noch an den guten Gott glauben konnte. Das gibt diesem Film auch einen gewissen Drive.


Welche Geschichte eines armen Menschen berührt Sie am meisten?

Da ist zum einen der Protagonist Jürg, der mit seinem langen, weissen Bart aussieht, wie ein Klischeelandstreicher. Seine Geschichte ist tragisch: Wie bei vielen anderen, die in eine Notlage geraten, spielt der Verlust der Eltern eine Rolle. Er kam als Kind in ein von katholischen Nonnen geführtes Heim. Für ihn waren das bösartige Hexen. Er hatte das Gefühl, von seinen Eltern bestraft zu werden. Er wehrte sich, was harte Strafen nach sich zog. Als Jugendlicher kam er in den 50er-Jahren in ein Heim für Schwererziehbare. Später geriet er auf die kriminelle Laufbahn. Für christliche Barmherzigkeit hat er natürlich nur noch Sarkasmus übrig.

Ein anderer Fall ist ähnlich: Herr Marbacher kam als Kind in ein katholisches Heim. Nach der Schule wurde er an einen Bauern verdingt. Beide Männer sind gebrannte Kinder, was den lieben Gott betrifft.

Im Film gibt es Menschen, die sich gegen Sozialhilfe wehren.

Herr Marbacher, der ältere Herr in meinem Film, wurde im Alter wieder abhängig von sozialen Institutionen. Er wehrt sich dagegen. Er will sich nicht helfen, bzw. sich nicht bevormunden lassen. Auch bei ihm gibt es einen Kern von Widerstand und Selbstbehauptung. Ich habe Verständnis für diese Haltung, denn man wird unweigerlich mit der Frage konfrontiert: Wie würde ich mich selbst verhalten, wenn ich eines Tages durch alle Maschen fallen würde?


Welche Schauplätze in Zürich spielen in Ihrem Film eine Rolle?

Da ist zunächst einmal die Basisstation der Heilsarmee in Zürich-Nord. Ein anderer wichtiger Ort ist der Denner-Platz an der Langstrasse, der eigentlich Emilie-Lieberherr-Platz heisst. Diese Frau war in den 80er-Jahren Vorsteherin des Sozialamts. Dann kommt die Bahnhofstrasse vor, die für das reiche Zürich schlechthin steht – und der Primetower, Symbol für wirtschaftliche Präpotenz dieser Stadt.

Was ist ihr Bezug zu Glaube und Religion?

Eine gewisse kulturhistorische-religiöse Bildung ist auch an mir nicht spurlos vorbeigegangen, aber ich bin nicht religiös. Was ich nachvollziehen kann, dass Religion eine andere Perspektive auf das Leben gibt: Für den anderen da zu sein und zu helfen. Wenn man davon ausgeht, dass unser Leben eigentlich nur eine Zwischen-Passage ist auf dem Weg hin zu einer Erlösung, dann geht man anders durchs Leben. Es war mir wichtig, auch diesen Aspekt in meinem Film durchschimmern zu lassen.

«Suppe, Seife, Seelenheil.» Getreu diesem Motto kümmert sich die Heilsarmee um Randständige und Bedürftige. Wie wirkt die Heilsarmee auf Sie?

Diese fast folkloristisch anmutenden Uniformen und Gesänge waren für mich als Filmemacher ein Blickfang. Aber auch eine Einladung zu fragen: Was läuft denn da wirklich?  Es war interessant zu sehen, was hinter dem Klischee steckt. Was mich überrascht hat, wie stark das Engagement der Heilsarmee-Leute auf ihrem Glauben beruht. Diesbezüglich gibt es etliche Reaktionen. Auch aus christlich-kirchlichen Kreisen. Gefragt wird, warum der religiöse Aspekt in diesem Film eine so zentrale Rolle spielt. Die Hauptfigur Fredi glaubt eben. Und die anderen nervt es zuweilen göttlich.

 

Der Film «Himmel über Zürich» läuft im Kino Rex in Bern noch bis am 13. Dezember zu unterschiedliche Zeiten. Mehr Infos
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«pfarrblatt»-Filmtipp inkl. Trailer

 

 

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