Elin Haudenschild hat ihre Firmgotte mit Bedacht gewählt. Foto: Pia Neuenschwander

Eine Beziehung auf Augenhöhe

Elin und ihre Firmgotte Runja

Sie sprechen über Leistungsstress in der Schule, über christliche Werte und Glaubensfragen. Warum Elin (15) ihre Firmgotte Runja (18) ausgewählt hat.

von Sylvia Stam

«Die Anfrage, Elins Firmgotte zu werden, hat mich extrem gefreut», sagt Runja Althaus (18). Erwartet hatte sie diese Anfrage nicht, denn obschon ihre Familien sich seit Jahren kennen, sei die Freundschaft zwischen Elin und Runja damals noch relativ frisch gewesen.

«Als sich bei mir in der Pubertät vieles zu verändern begann – der Körper, die Schule – brauchte ich jemanden zum Reden», erzählt Elin (15), die diesen Frühling in Münsingen gefirmt wurde. Dazu suchte sie jemanden in einem ähnlichen Alter. «Erwachsene können jungen Menschen dank ihrer Lebenserfahrung helfen, aber Gleichaltrige sind dem eigenen Erleben näher. Ich brauchte jemanden, der mich jetzt, in dieser Lebensphase versteht.»

Freude am Leben

Tatsächlich sieht die Firmregelung im Bistum Basel für Firmpat:innen lediglich ein Mindestalter von 16 Jahren vor. Wenn Reformierte dieses Amt übernehmen, wie im Fall von Runja, spricht das Bistum von «Firmzeugin». Ihre Aufgabe sieht Runja darin, «Elin zu unterstützen, wo sie mich braucht». Sie seien beide religiös und interessierten sich für ähnliche Werte wie Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft, Toleranz und, für beide ganz wichtig, Freude am Leben.

Auch das Bistum Basel sieht die Aufgabe der Pat:innen und Zeug:innen darin, den Firmand:innen auf dem «Lebens- und Glaubensweg den Rücken zu stärken» und «Ansprechpartner/-in zu sein».

«Das Christentum ist ein spannendes Thema», findet Runja. «Warum wird jemand religiös? Welche Werte möchte ich leben? Was sind kritische Punkte bei der christlichen Lehre?», zählt sie einige Themen auf, die sie beide interessieren. Mit dem letzten Punkt hat sich Runja besonders intensiv befasst, seit Elin sie als Firmgotte angefragt hat. Hilfreich war dabei, dass sie am Gymnasium das Ergänzungsfach «Religion» gewählt hat.

Nicht identifizieren könne sie sich mit Lehren der Kirche, die Menschen ausschliessen, etwa Homosexuelle. Auch stellt sie fest, dass in biblischen Heilungsgeschichten Menschen mit Einschränkungen oft als minderwertig dargestellt würden. Als jemand, welcher der Heilung bedarf. Da sie selber auf einen Rollstuhl angewiesen ist, sieht sie dies kritisch. «Auch die Gesellschaft betrachtet Menschen mit Einschränkungen in der Folge oft als minderwertig.»

Vertrauen und Ehrlichkeit

Auch Elin schätzt diese Gespräche über Glauben und Kirche. Es fasziniert sie grundsätzlich, «dass Menschen glauben, ohne zu wissen. Wir können nur vertrauen. Aber im Vertrauen liegt dennoch eine gewisse Sicherheit». Vertrauen sei etwas vom Grundlegendsten bei der Wahl einer Firmpatin oder eines Firmzeugen. Gegenseitige Ehrlichkeit sei wichtig, auch wenn dies Mut brauche, weil man sich dadurch verletzlich mache.

Über die Religion hinaus tauschen sich die beiden jungen Frauen in «stundenlangen Telefongesprächen» auch über Stress in der Schule, Leistungsdruck oder den Umgang mit den eigenen Ansprüchen aus. «Ich war im Leistungsstress», erzählt Elin. «Runja hat mir aufgezeigt, dass es durchaus Spass machen kann, sich Wissen anzueignen.» Eine Frucht solcher Gespräche ist, dass Elin inzwischen auch aufs Gymnasium geht.

Obschon sie Elin um drei Jahre voraus ist, spricht Runja von einer «Beziehung auf Augenhöhe», denn «Elins Fragen sind oft ein Spiegel für mein eigenes Verhalten. Nicht selten frage ich mich, was ich selber anders machen könnte».

Der Glaube an etwas Gutes

Ihre Freundschaft sei durch die Firmung nochmals gestärkt worden, sagen die beiden jungen Frauen. Das wäre ihrer Meinung nach auch so gewesen, wenn Elin erst mit 17 gefirmt worden wäre, wie das Bistum dies empfiehlt.

«Die entscheidenden Fragen, was man im Leben wirklich will, kommen immer wieder», ist Elin überzeugt. Für Runja, die ebenfalls mit 15 konfirmiert wurde, passte der Zeitpunkt damals, am Ende der Schulzeit. Wird die Kirche künftig eine Rolle in ihrem Leben spielen? Elin bejaht. «Der Glaube ist mir wichtig. Nicht ausschliesslich der christliche Glaube, vielmehr der Glaube an etwas Gutes, von dem man nicht sicher weiss, ob es existiert.»

In der Kirche sei man dem näher. Hier könne man eine Kerze anzünden, danken, um etwas bitten, vielleicht auch mal in einen Gottesdienst gehen. Obschon Elin überzeugt ist, dass Gott sie ebenso hört, wenn sie zu Hause betet.


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