Eigentlich kann ein Fluch nur funktionieren, wenn man an seine Wirksamkeit glaubt. Foto: C. Glegorly, iStock

Fahr zum Teufel, Heilandsakrament!

Was es mit dem Fluchen auf sich hat

Wenn nur noch diejenigen fluchen würden, die glauben, dann wäre die Welt wohl ein ganzes Stück leiser. Denn eigentlich kann ein Fluch nur funktionieren, wenn man an seine Wirksamkeit glaubt. Auch heute noch gebräuchliche Flüche bedienen sich häufig religiösen Vokabulars. Warum? Das lesen Sie hier, Herrgottnomal!

von Natalie Fritz, kath.ch

Ein lautes «Gopfertami, mach vorwärts!» im morgendlichen Pendlerverkehr kann Wunder wirken. Plötzlich ist der Stau vor dem Gubrist nicht mehr so schlimm. Fluchen ist für viele eine Art der Psychohygiene: wir lassen Dampf ab und bedienen uns dazu verschiedener Kraftausdrücke.

Eine Studie aus England belegt, dass Fluchen sogar Schmerzen lindern kann. Alle, die sich schon einmal den kleinen Zeh am Esstisch gestossen haben, können den positiven Effekt eines herzhaften «Mist, verdammter!» bezeugen.

Beim Fluchen benutzen wir besonders häufig Begriffe aus tabuisierten Lebensbereichen. Körperausscheidungen wie eben Mist oder Scheisse gehören genauso ins Fluchwörtervokabular wie öbszöne Ausdrücke für Sexualorgane oder sexuelle Handlungen. Doch über Jahrhunderte führten Aussprüche, die religiöse Akteure oder Gefühle verletzen die Fluch-Hitlisten Europas an. Weshalb?

Magischer Sprechakt: vom Verfluchen und Fluchen

«Fahr zur Hölle!» – ein Fluch, der gläubige Menschen durchaus aus der Fassung bringen kann. Was, wenn der Fluch tatsächlich wirkt und man sich plötzlich im sagenumwobenen Reich Satans wiederfindet? Das Wort ist mächtig – ob gesprochen oder geschrieben – und wenn sich der Sprechende an transzendente Mächte wendet, sowieso. Das, was wir heute als Fluchen bezeichnen, ist aus der Praxis des Verfluchens entstanden.

Diese verbalen Strafandrohungen sind für fast alle Kulturen bezeugt. Bereits im Alten Ägypten verfluchten die Menschen diejenigen, die sie aus unterschiedlichen Gründen nicht mochten, von denen sie sich bedroht fühlten oder die sie beneideten. Forscher fanden etwa Hieroglyphen-Inschriften, die nachhaltige und unwiderrufliche Verwünschungen enthielten: Das Feld des Nachbars solle verrotten oder der unflätige Händler solle impotent werden. Die erbetene Strafe sollte die Ordnung wiederherstellen, indem sie als ungerecht empfundene Tatsachen büsste.

Auch Gott wird in der Bibel als grosser Flucher präsentiert. Bereits kurz nach der Erschaffung der Welt, beginnt er zu verfluchen. Im 1. Buch Mose 3,14 verflucht er die Schlange, etwas später im 1. Buch Mose 4,11 und 12 verwünscht Gott Kain mit den Worten: « So bist du jetzt verflucht, verbannt vom Erdboden,…» und «Wenn du den Erdboden bearbeitest, wird er dir keinen Ertrag mehr bringen.»

Wer flucht, der verwünscht andere, sich selbst oder die ganze Welt. Beim Verfluchen soll der Fluch höhere Mächte dazu anstiften, zu bestrafen und dadurch letztlich eine bestimmte Ordnung wiederherzustellen. Die Wirkmacht, die Kraft solcher Flüche wurde bis in die Neuzeit nicht angezweifelt. Deshalb spricht man auch von Kraftausdrücken, wenn es ums Fluchen oder Schimpfen geht. So wünschte 1699 Frau Tischmacher aus dem zürcherischen Pfäffikon ihrem Stiefsohn im Streit, « dass der teüfel mit trommen und pfeiffen ihmme im bauch fahre.» Frau Tischmacher erhoffte sich wohl, dass eine übernatürliche Strafinstanz den Stiefsohn büssen lasse. Frau Tischmacher kam vor Gericht, weil ein so gottloser Fluch als gefährlich taxiert wurde. Wer konnte garantieren, dass der Teufel sich nicht zeigte?

Gotteslästerung als grösstes Tabu

Aus dieser wortmagischen Praxis entwickelte sich das Fluchen im Sinne von Schimpfen oder Beleidigen, wie wir es heute kennen. Wenn wir das Fluchen aus einer theologischen Perspektive betrachten, dann ist es das Gegenteil des Segnens. Das wird auch im Lateinischen deutlich, wo fluchen maledicere (schlecht sagen, schmähen) und segnen benedicere (gut sagen, lobpreisen) heisst.

Im mittelalterlichen Europa gingen die meisten Flüche auf Gott und den Teufel zurück. Die Fluchenden bedienten sich des grössten Tabus, der Gotteslästerung, um damit ihre Ernsthaftigkeit und Aggressivität auszudrücken. Besonders drastische Flüche dieser Zeit kombinierten Gotteslästerung mit sexuellen Anspielungen. Mit Ausrufen wie «Bei Gottes blutendem Schwengel» riskierten die Fluchenden nicht nur, sich zu versündigen, sondern auch eine Geld- oder Haftstrafe.

Die Geringschätzung Gottes und seiner Macht, die sich in solchen Flüchen zeigte, verurteilten die Theologen dieser Zeit aufs Schärfste. Sie bezichtigten die Fluchenden, sich nicht nur von Gott ab-, sondern der Magie zugewendet zu haben; die Fluchenden glaubten offensichtlich an andere transzendente Mächte.

Tendenziell nimmt in Europa der Gebrauch von religiös geprägten Flüchen eher ab. In relativ liberalen Gesellschaften, in denen die Kirche nur noch eine Stimme unter vielen ist, funktionieren solche Flüche nicht mehr als Tabubruch. Einige Fluchforscher sind der Meinung, dass die Kreativität beim Fluchen in den letzten 100 Jahren in Europa abgenommen hat. Das hat mit einer Vereinheitlichung der Sprache zu tun, die die Dialekte, Fundgruben kreativer Flüche, zunehmend verdrängt.

Körperausscheidungen wie «Scheisse» oder Begriffe wie «fuck», die den Geschlechtsakt oder die -organe betreffen, prägen in den letzten Jahren unser Fluch-Vokabular. Einzige Ausnahme ist die Monatsblutung. Menstruationsblut ist zwar immer noch ein grosses gesellschaftliches Tabu, wird aber nicht als Fluchwort verwendet.

Je katholischer die Gesellschaft, desto religiöser der Fluch?

In katholisch geprägten Ländern ist das Fluch-Repertoire auch heute noch religiös geprägt. In Italien ist «porco Dio!» (Schweinegott) immer noch sehr gebräuchlich. Im kanadischen Québéc – ebenfalls katholisch geprägt – gelten «calisse» (Abendmahlskelch) und «tabarnack» (Tabernakel) als sehr schlimme Fluchworte. Die Spanier sind kreativ und fluchen sehr blasphemisch: «Ich scheiss auf Gott, auf das Kreuz und auf den Zimmermann, der es gemacht hat – und auf den Hurensohn, der den Baum gepflanzt hat!»

Blasphemische Flüche einfach nur in katholischen Gebieten zu verorten, vereinfacht die Lage aber. So verweisen etwa im protestantischen Schweden viele Kraftausdrücke auf den Teufel (jävel oder fan) oder die Hölle (helvete).

Das Bayerische ist ebenfalls Spitzenreiter, was religiöse Flüche betrifft. Hier hängt nicht nur in jedem Schulzimmer ein Kreuz, hier reichen die Kraftausdrücke von «Kruzifix» über «Kreizsacklzement» (eigentlich Kreuzsakrament das zu «Kreuz-Sack-Zement» abgeschwächt wird) bis zum «Kuttnbrunza» (Kutteneinnässer, Priester oder Mönch). Bekannte Dreifachketten, wie «Himmel, Arsch und Zwirn», verdeutlichen die Vehemenz des Fluchs und spielen auf die Dreifaltigkeit an.

Verballhornungen des Heilands wie «Himmiherrgott» sind nicht nur im Bayerischen noch sehr gebräuchlich, sondern auch im Schweizerdeutschen. «Häimatlant!» oder «Häilandschternechäib!» rufen aber eher ältere Menschen, wenn sie die Einkaufstasche mit den Eiern haben fallen lassen. Bei Flüchen wie «Häimätlant!» ist der Bezug zum Heiland kaschiert genau wie beim eingangs erwähnten «Gopfertami!» (Gott verdamme mich) der Bezug zu Gott. Es handelt sich um verhüllte Flüche, weil laut dem 2. Gebot Gottes Name nicht missbraucht werden soll. «Gopfertori!» oder « Gopfrid Stutz!» sind gängige Variationen von «Gopfertami!».

Die osteuropäischen Juden fluchen besonders kreativ

Die wohl fantasievollsten Flucherinnen und Flucher sind die osteuropäischen Juden. Ihre Flüche betreffen immer entweder Gesundheit, Geld oder die Religion und sind meist dunkelschwarzhumorig. Hier wird deutlich, wie nahe das Fluchen – im Sinne von Schimpfen – beim Verfluchen liegt. So wünscht man jemandem, den man nicht mag: «Sollen alle Deine Gläubiger stets deine Adresse haben» oder «Berühmt sollst Du werden, möge man eine Krankheit nach dir benennen!»

Und um die Vielfalt und Kreativität zu fördern, will ich Ihnen, liebe Leserschaft, meine persönliche Hitliste der jiddischen Flüche nicht vorenthalten.

Meine persönliche Hitliste der jiddischen Flüche

  • «Mögen deine einzigen Enkel Katzen haben, und mögest du Allergien haben, und möge dein Apotheker sich völlig legal weigern, dir deine verschreibungspflichtigen Allergietabletten auszuhändigen, weil sie von derselben Firma produziert wurden, die auch Abtreibungspillen herstellt!»
  • «Mögest du eine seltene Krankheit haben und eine Operation benötigen, die nur ein Mensch auf der Welt durchführen kann, der den Nobelpreis für Medizin gewonnen hat. Und möge er nicht imstande sein, die Operation durchzuführen, weil er deine Versicherung nicht anerkennt. Und möge dieser Medizinnobelpreisträger dein Sohn sein!»
  • «Es sollen Dir alle Zähne ausfallen bis auf einen, damit Du Zahnweh haben kannst!»
  • «Du sollst Krätze am Arsch kriegen und zu kurze Arme, um dich zu kratzen!»
  • «Die Würmer sollen eine Party in deinem Bauch veranstalten und alle Verwandten dazu einladen!»
  • «Geh rein in der Mazehstrasse, und komm raus in der Balfourstrasse!» (Verrecke, weil es in der Mazehstrasse in Tel Aviv ein Krankenhaus gibt und beim Ausgang, der in die Balfourstrasse führt, steht das Leichenhaus.)

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