Judith von Ah, Marianne Peter und Esther Wild (v.l.n.r.) werden ihre und weitere Fastenauffassungen ökumenisch
zusammenbringen, voneinander lernen und Erfahrungen teilen. Foto: Stefan Maurer

«Fasten hat immer auch eine soziale Komponente»

Ökumenische Fastenwoche in Münsingen

Die Pfarrei St. Johannes in Münsingen organisiert vom 1. bis 8. März eine ökumenische Fastenwoche, heuer unter dem solidarischen Leitgedanken «Fasten für den Frieden». Vom Verzicht auf etwas Bestimmtes übers Suppenbis hin zum Vollfasten ist alles möglich.

von Luca D’Alessandro / Fotos: Stefan Maurer

Die Theologin Judith von Ah ist mitten in den Vorbereitungen zur jährlichen Fastenwoche, die seit rund zwei Jahrzehnten fester Bestandteil des Programms der Münsinger Pfarrei St.  Johannes ist. Sie organisiert diese gemeinsam mit der Pfarrerin Lore Rahe Schopfer von der reformierten Kirchgemeinde Münsingen.

«Teilnehmen dürfen alle, die sich vom Konzept des Fastens inspiriert fühlen und bereit sind, bewusst auf etwas zu verzichten. Damit schaffen wir Raum für einen persönlichen Prozess, aber auch für Solidarität mit Menschen, die unter Armut, Unterdrückung, Flucht oder Krieg leiden», sagt Judith von Ah, denn: «Fasten hat immer auch eine soziale Komponente. In diesem Jahr liegt der Schwerpunkt auf der Friedensförderung und Sensibilisierung im Umgang mit aktuellen Herausforderungen in der Welt.»


Unterschiedliche Auffassungen des Fastens

Wer sich für die Fastenwoche anmeldet, entscheidet selbst, wie er oder sie fasten möchte. Vom kleinen Verzicht – zum Beispiel auf Alkohol, Fleisch, Süsses oder TV – bis zum Vollfasten ist alles möglich. Viele praktizieren das Fasten mit Wasser, Tee, Säften und Bouillon, basierend auf dem Konzept des deutschen Arztes Otto Buchinger, dem Begründer des Heilfastens.

«Aber auch Menschen, die gemässigtere Formen praktizieren wie Suppenfasten, Basenfasten, Intervallfasten oder Fasten nach Hildegard von Bingen, profitieren von der Fastenwoche», sagt Judith von Ah. «Die Praxis des Fastens ist uralt und gehörte bei Menschen und Tieren zum Überlebensmechanismus. In allen Religionen gibt es Fastenzeiten, Momente der Umkehr und Besinnung auf das Wesentliche.»

In der katholischen Tradition war früher jeder Freitag ein Fastentag, bei dem man auf Fleisch verzichtete. Auch im Advent und während der Fastenzeit wurde bewusst gefastet. Heute erfolgt Fasten freiwillig und aus unterschiedlicher Motivation. Und diese unterscheidet sich je nach Konfession: «In der reformierten Kirche ist die Ausübung weniger stark verankert und wird seit Martin Luther nur freiwillig praktiziert», erklärt Judith von Ah. «Es ist daher spannend, die verschiedenen Fastenauffassungen im ökumenischen Sinn zusammenzubringen, voneinander zu lernen und die Erfahrungen zu teilen.»
 

In allen Religionen gibt es Fastenzeiten, Momente der Umkehr und Besinnung auf das Wesentliche.

Judith von Ah


In Bewegung kommen

Jährlich nehmen in Münsingen zwischen zehn und 15 Personen an der ökumenischen Fastenwoche teil. In den Jahren vor Corona habe man sich während der Fastenwoche täglich zum Austausch getroffen, «inzwischen sind wir anders organisiert», sagt Judith von Ah. «Wir treffen uns viermal abends und zweimal tagsüber zum Wandern. Damit kommen wir in Bewegung und tauschen uns aus.»

Es ist ihr wichtig, dass alle über das richtige Vorgehen beim Fasten Bescheid wissen und sich etwaiger Risiken bewusst sind. «Mein Körper hat über die Jahre eine gewisse Routine im Umgang mit dem Fasten entwickelt. Er kann sich rasch auf die veränderte Situation einstellen.» Sie betont, dass das Fasten schwerer falle, wenn man im Alltag stark eingespannt sei oder nach einem vorgegebenen Rhythmus hochkonzentriert arbeiten müsse.

«Ideal ist es, täglich freie Zeitfenster für sich und den eigenen Fastenprozess einzuplanen.» Die Fastenwoche verbindet und regt zum Nachdenken an: über Ressourcen, Werte und das Zusammenleben. Darauf freut sich Judith von Ah. «Durch das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Gruppe verstärken wir das Signal zugunsten unserer gemeinsamen Botschaft für den Frieden.»
 

«Fasten ist ein Weg zu mir selbst»

Marianne Peter und Esther Wild nehmen seit Jahren regelmässig an der ökumenischen Fastenwoche in Münsingen teil. Ihre bisherigen Erfahrungen sind positiv.

Marianne Peter: «Fasten war immer eine gute Erfahrung und gehört für mich schon lange zum Frühlingsanfang respektive zur Fastenzeit wie die Schneeglöckchen und das Fensterputzen. Vor einigen Jahren habe ich vom Fasten mit Flüssigkeit auf das Suppenfasten gewechselt. Es belastet in meinem Alter den Kreislauf weniger, ist aber mental nicht unbedingt einfacher.

Es ist eine erstaunliche Erfahrung, wie der Verzicht auf überflüssige Dinge ein Gefühl der Freiheit vermittelt und dazu führt, dass Nahrung einen neuen Wert erhält. Man wird wieder achtsamer, geniesst das Essen in langsamerem Tempo und empfindet Dankbarkeit dafür. Ich freue mich auf die Tage, die vor allem mir selbst gehören werden, mit möglichst wenig Verpflichtungen und Trubel. Und natürlich auf unsere Fastengruppe, das gemeinsame Teetrinken, die besinnlichen Gedanken und guten Gespräche, auf die Spaziergänge durch Feld und Wald und unser Zusammensein.

Ich nehme das Fasten, wie es kommt: mal beschwingt und voller Begeisterung, und halt auch mal beschwerlich und wenig motivierend.»

Esther Wild: «Seit vielen Jahren gehört die Fastenwoche fest zu meinem jährlichen Ritual. Eine Woche lang nehme ich nur Säfte, Tees und Bouillon zu mir. Diese besondere Zeit wird von den beiden Leiterinnen professionell gestaltet und beinhaltet inspirierende Impulse, Körperübungen und gemeinsame Wanderungen. Dadurch fühle ich mich stets in besten Händen und optimal unterstützt.

Bereits am zweiten Tag der Fastenwoche versteht der Körper, dass es nichts mehr zu essen gibt. Er stellt sich darauf ein. Die Hungergefühle verschwinden, eine Empfindung der Weite und Ruhe setzt ein.

Fasten ist für mich ein Weg der inneren Reinigung, in die innere Freiheit und eine Intensivierung auf meinem spirituellen Weg. Durch das Fasten werden meine Sinne geschärft. Ich nehme vieles im Alltag bewusster wahr. Leib und Seele werden gereinigt. Es ist ein Weg zu mir selbst und damit letztlich zu Gott.»

Ökumenische Fastenwoche für den Frieden

Vom 1. bis 8. März in der Pfarrei St. Johannes, Münsingen.
Infos: www.kathbern.ch/muensingen in der News «Fastenwoche März 2024».
Anmeldung bei judith.vonah@kathbern.ch, 079 452 53 70

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