Der Benediktiner Anselm Grün freut sich nicht auf das Fasten. Foto: Julia Martin/Abtei Münsterschwarzach

«Fasten macht mich innerlich freier und offener»

Wie Anselm Grün das Fasten erlebt

Der Benediktiner Anselm Grün hat mehrere Bücher übers Fasten verfasst. Im Folgenden hält er fest, wie er diesen Verzicht jeweils erlebt und inwiefern ihm Freude innewohnt.

Von Anselm Grün*

Jedes Jahr beginne ich die Fastenzeit mit einem Fastenkurs. Da faste ich gemeinsam mit einer Gruppe von Aschermittwoch bis zum Sonntag. Ich trinke in diesen Tagen nur Wasser und Saft. Die ersten Tage sind etwas schwierig. Da spüre ich ein Hungergefühl. Und manchmal reagiert der Körper mit Kopfweh. Dann ist es wichtig, viel zu trinken, mindestens drei Liter pro Tag.

Normalerweise faste ich eine ganze Woche. Daher faste ich auch nach dem Kurs noch zwei Tage. Dann sind zwei Tage abfasten. Es geht darum das Fasten behutsam zu brechen, indem ich eine Scheibe Brot ganz langsam kaue. Die Fastenwoche zu Beginn der Fastenzeit ist dann für mich eine gute Einladung, bis Ostern kein Fleisch und keine Süssigkeiten zu essen und keinen Alkohol zu trinken.

Nach den ersten zwei etwas schwierigen Tagen mache ich durchwegs gute Erfahrungen mit dem Fasten. Es macht mich innerlich freier und offener. Ich träume klarer und nehme alles intensiver wahr. Ich spüre den Windhauch in meiner Haut. Meine Augen schauen klarer. Und das Fasten ist eine Hilfe, mich beim Beten besser auf die Worte der Psalmen einzulassen. Bei der Meditation werde ich offener für Gottes Gegenwart.

Intensivere Wahrnehmung

Ich freue mich nicht auf die Fastenzeit und aufs Fasten. Aber wenn ich die ersten zwei Fastentage gut durchgestanden habe, führt das Fasten zu einem guten Selbstgefühl, zu einem intensiveren Wahrnehmen der Menschen und der Natur um mich herum.

Es geht mir nicht nur um das körperliche Fasten. Die Fastenzeit ist für mich ein Training in die innere Freiheit. Auf Essen und auf bestimmte Speisen zu verzichten, ist ein Weg zu dieser inneren Freiheit. Doch genauso wichtig ist es, sich auch freizumachen von Terminen und Zwängen. Das Ziel des Fastens ist innere Reinigung. Das körperliche Fasten reinigt den Körper von kranken Stoffen. Aber das sollte parallel gehen zur Reinigung der Gedanken und Emotionen. Ein konkreter Übungsweg wäre, einmal eine Woche nicht über andere zu reden.

Bei Fastenkursen halte ich immer auch Einzelgespräche. Im Fasten brechen oft verdrängte Konflikte auf. Oder aber der Fastende erkennt, wie abhängig er bisher von bestimmten Gewohnheiten war. Manche wollen fasten, um abzunehmen. Bei manchen hat das Fasten auch einen aggressiven Unterton. Sie bestrafen sich dafür, dass sie zu viel gegessen haben. Doch dann hilft das Fasten nicht weiter. Jesus sagt in der Bergpredigt, dass wir beim Fasten unser Gesicht waschen und unsere Haut salben sollen. Es braucht eine positive Grundhaltung beim Fasten. Der heilige Benedikt greift diese Sicht Jesu auf, wenn er sagt, dass die Mönche in der Freude des Heiligen Geistes fasten und das Osterfest erwarten sollen.

Offen sein für die anderen

Eine wichtige Erfahrung beim Fasten ist, dass es uns in eine neue Beziehung zu den Menschen bringen soll. Es gibt Menschen, die sich beim Ärger mit Essen zustopfen. Damit verschliessen sie sich anderen Menschen gegenüber. Das Fasten will uns öffnen für die Menschen. Daher lade ich die Kursteilnehmer ein, einen Tag lang bewusst für einen anderen Menschen zu fasten. Das ist dann ein Beten für den andern mit Leib und Seele. Ich spüre vielleicht die Last des Fastens. Aber ich nehme sie bewusst für einen anderen auf mich. Meine Erfahrung ist, dass dieses Fasten für andere gerade die Beziehung zu schwierigen Menschen verwandelt. Ein Vater, der für seinen Sohn gefastet hat, fuhr sofort nach dem Kurs nach Hause, um mit seinem Sohn zu sprechen. Da wurde auf einmal Versöhnung möglich. Das Fasten hat ihn aufgebrochen für den Sohn, hat seine Vorurteile zerbrochen und sein Herz neu geöffnet.

Ich rate nicht allen, zu fasten. Jede:r soll selbst spüren: Habe ich Lust, das Fasten auszuprobieren? Ist das für mich ein guter Weg? Aber ich möchte doch werben, diese alte Übung des Fastens auch wieder in der Kirche lebendig zu halten und sie nicht nur den Fastenkliniken zu überlassen.


* Der deutsche Benediktinermönch Anselm Grün, 77, ist geistlicher Begleiter, Referent, Betriebswirt und leitet u. a. Kurse für Meditation, Fasten und Kontemplation. Seine Bücher wurden in über 30 Sprachen übersetzt. Er lebt in der Abtei Münsterschwarzach (DE).

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