Fremden ein Stück Heimat im Glauben vermitteln

Arbeit und Ferien in einem: Tourismus-Seelsorge in Gstaad

In den Ferien Gottesdienste feiern, im Gegenzug kostenlos eine Ferienwohnung erhalten. Das offeriert die Pfarrei Gstaad Seelsorgenden aus anderen Regionen.

Von Sylvia Stam / Fotos klein: Screenshots Sommerfilm Lenk-Simmental

«Die Predigt vorbereiten? Das machen sie beim Skifahren», sagt Alexander Pasalidi scherzhaft. Der Pfarrer von Gstaad, Zweisimmen und Lenk kommt ins Schwärmen, wenn er von einer Besonderheit seiner Pfarrei spricht: Der so genannten Kurseelsorge. Was einst die Sorge um das seelische Wohlbefinden der kranken Kur-Gäste war, ist heute Tourismus-Seelsorge. Was das bedeutet, erläutert Christoph Biskupek. Der Priester aus Düsseldorf verbringt seine Ferien seit 14 Jahren «an der Lenk», wie die Einheimischen sagen. Als Gastpriester feiert er am Donnerstag- und Samstagabend sowie am Sonntagvormittag Gottesdienst, im Gegenzug stellt die Kirche ihm kostenlos eine Wohnung zur Verfügung, Abo für Bergbahnen inbegriffen. Darüber hinaus geht es um «Seelsorge an Vorübergehenden».

Im Urlaub hat man Zeit

«Wenn ich in der Kirche bin, etwa zum Stundengebet, kommen viele Leute herein und schauen sich die Kirchenfenster an. Ich spreche sie an, erzähle ihnen etwas zur Kirche und zu den Fenstern. Das sind oft schöne Begegnungen.» Auch Kirchenferne, die zu Hause kaum in Gottesdienste gingen, merkten auf diese Weise: «Ich gehöre doch noch dazu.» Genau darin sehen Gastpriester wie Ortspfarrer eine grosse Chance: «Im Urlaub haben die Leute Zeit. Sie setzen sich in eine Kirche und lassen sich auf Gespräche ein», so Biskupek.

Internationale Gäste

Für die Pfarrei sind die Gastpriester ein «supplément», wie Biskupek es nennt: So können mehr Gottesdienste angeboten werden. Orts- und Gastpriester wechseln sich in den drei Kirchen ab, damit der Ortspfarrer auch mit seinen Pfarreiangehörigen Gottesdienst feiern kann, der Gastpriester umgekehrt ebenfalls in Zweisimmen und Gstaad. Dass dies geschätzt wird, zeigen die Zahlen der Gottesdienstbesucher*innen: Vor Corona waren dies in der Hochsaison an Sonntagen in Gstaad 100, in Lenk 30, in Zweisimmen 20 Personen.

Während in Gstaad vor allem Gäste aus Frankreich, den Benelux-Ländern, Deutschland, Italien, Spanien und Österreich die Gottesdienste besuchten, seien es in Zweisimmen und Lenk vor allem Schweizer Tourist*innen. Aber hat Biskupek denn noch Ferien, wenn er in dieser Zeit beruflich engagiert ist? «Gottesdienst feiern war für mich nie Arbeit», sagt er lachend. «Arbet» – wie er in seinem süddeutschen Dialekt sagt – das sei Büro, Sitzungen oder Personalangelegenheiten. «Beten und Singen mache ich gern.» Darüber hinaus geht er Wandern, liest auf dem Balkon mit Sicht auf das imposante Wildstrubel-Massiv, oder macht Ausflüge, etwa zur Bergkirche von Mario Botta in Mogno.

Auch für Nicht-Geweihte

Tatsächlich seien die Ferien an der Lenk ein «Highlight» für viele Gastpriester, sagt Pasalidi. Sie kommen aus Leipzig, Freiburg i. Br., Frankfurt a. M. Ferien in der teuren Schweiz liege ausserhalb ihres Budgets. Pasalidi möchte die Kurseelsorge gerne öffnen für Seelsorger*innen ohne Weihe und Diakone. Er hofft, auch vermehrt Seelsorgende aus der Schweiz dafür gewinnen zu können. Platz wäre auch für eine Familie vorhanden, verfügt die Wohnung im Dorfzentrum doch über eine grosse Stube, drei Zimmer und einen Dachraum.

Während der Hochsaison, also von Dezember bis Februar, im Juli/August sowie über Ostern sei die Wohnung immer belegt, und auch ausserhalb der Hochsaision sind Kurseelsorgende willkommen. An andere Personen wird sie nicht vermietet: «Die Wohnung ist kein zusätzliches Hotel, sondern steht Seelsorgenden, die als Kurseelsorger wirken wollen, zur Verfügung», sagt Pasalidi. «Die Kurseelsorge ist ein zusätzliches Angebot für Tourist*innen. Wir möchten ihnen damit auch in der Fremde ein Stück Heimat im Glauben vermitteln sowie einen Ort, wo sie Gott begegnen können.»

Interessierte Seelsorger*innen können sich an pfarrer@kath-gstaad.ch wenden.

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