Für eine glaubwürdige Kirche

Der erste «Gottesdienst vor der Kirchentüre» im Kanton Bern

In Köniz feierten sechs katholische Berner Theologinnen am 22. September zum ersten Mal einen sogeannten «Gottesdienst vor der Kirchentüre». Sie wollten damit darauf hinweisen, dass es in der Kirche noch keine Gleichberechtigung von Frauen und Männern gibt. Rund 35 Menschen sind gekommen. Der 22. Tag eines Monats hat für die Feier eine besondere Bedeutung.

Von Andreas Krummenacher

In den Bitten an Gott sprechen die beiden Theologinnen aus Bern-West Christina Herzog und Karin Gündisch abwechselnd das Gebet «Schritt für Schritt» aus dem Kloster Fahr. Das Gebet gibt die Quintessenz des ganzen Gottesdienstes wieder. An einer Stelle heisst es da:

«Menschen kommen mit ihrer Sehnsucht nach Frieden, nach Gemeinschaft, nach Beziehung zu Gott und zueinander. Eine glaubwürdige Kirche ist offen für Menschen gleich welcher Herkunft, welcher Nationalität, welcher sexuellen Orientierung. Sie ist da für Menschen, deren Lebensentwurf augenscheinlich gescheitert ist, und nimmt sie an mit ihren Brüchen und Umwegen. Sie wertet und verurteilt nicht, sondern vertraut darauf, dass die Geistkraft auch dort wirkt, wo es nach menschlichem Ermessen unmöglich ist.»

Für Gleichberechtigung

<link https: maria-von-magdala.ch external-link external link in new>Am 22. jedes Monats werden inzwischen in der ganzen Deutschschweiz vor der Tür einer katholischen Kirche Gottesdienste gefeiert. Die Initiantinnen wollen damit darauf hinzuweisen, dass es in der Kirche noch keine Gleichberechtigung von Frauen und Männern gibt.

Die Feiern finden am 22. des Monats statt, weil Maria von Magdala am 22.7. ihren Gedenktag hat. In der Predigt in Köniz erklären die Theologinnen Ute Knirim und Karin Gündisch, dass sich an Maria von Magdala besonders deutlich zeige, was Gleichberechtigung in der Kirche bedeute und was noch ausstehe.

In einer frauenfeindlichen Umgebung seien Frauen entweder Heilige oder Huren, so Karin Gündisch. Maria von Magdala vereinige wahlweise beide Seiten. Maria von Magdala sei zum Grab gegangen. Dort sei sie von Jesus selbst damit beauftragt worden, den Männern von seiner Auferstehung zu berichten. «Damit hatte sie in diesen stereotypen Bildern keinen Platz mehr», erklärt Karin Gündisch. «Was oder wo aber wären wir, wenn Maria von Magdala nicht zum Grab hingegangen wäre?»  

Heute werde Maria von Magdala mitunter als die «Apostelin der Apostel» bezeichnet, ergänzte die Könizer Theologin Ute Knirim. Maria sei für sie eine Gesegnete. Sie habe Jesus als Messias erkannt und sei ihm gefolgt. Maria von Magdala sei ein starke Frau. Als die Jünger wegliefen, harrte sie unter dem Kreuz aus. Zusammen mit Johannes und Maria, der Mutter Jesu. Solidarisch und liebend sei sie bei Jesus geblieben, «ganz nah, nicht aus der Ferne», so Ute Knirim.

Maria von Magdala stehe vor dem leeren Grab und weine. Sie könne nicht einfach gehen. Jesus fehle ihr zu sehr. Sie erkenne, dass es weiter gehe, einfach anders. «Halte mich nicht fest», sage Jesus. Da verstehe sie es. Sie erkenne die zentrale christliche Botschaft von der Auferstehung und habe diese verkündigt.

Die Feiern vor der Kirchentür wollen bewusst machen, dass trotz Maria von Magdala in der Kirche keine Gleichberechtigung von Frauen und Männern bei der Verkündigung entstanden sei. Es geht den Initiantinnen  durchaus darum, den Druck für Veränderungen zu stärken, Solidarität unter den Frauen und den Reformwilligen insgesamt zu fördern.

Frauennetzwerk

Hinter den Feiern steht ein Netzwerk von Reformbewegungen wie etwa «Gleichberechtigung.Punkt. Amen», die «JuniaInitiative», das «Donnerstagsgebet» im Kloster Fahr, «Kirche* mit den Frauen» oder die deutsche Reformbewegung «Maria 2.0». Sie alle bekennen in ihren Verlautbarungen und auf ihren Webseiten: «Eine andere Kirche und eine andere Welt sind möglich! Diskriminierung, Ungerechtigkeit, Missbrauch und Klerikalismus haben nicht das letzte Wort!»

Wort, Brot, Musik

Die Feier in Köniz ist leise und unaufdringlich. Die Theologin Judith von Ah spielt Akkordeon. Die Gemeindeleiterinnen Edith Zingg (Ostermundigen) und Christine Vollmer (Köniz) bitten um den Segen und brechen das Brot. Es ist ein schöner Abend, der Wind weht sanft über den Kirchplatz. Die Stimmung könnte nicht spiritueller sein. 

Im Gebet «Schritt für Schritt» betet Christina Herzog: «Frauen und Männer sind durch die eine Taufe gleich- und vollwertige Mitglieder der Kirche. Im Miteinander in allen Diensten und Ämtern können sie zu einer Kirche beitragen, die erneuert in die Zukunft geht.»

Und Karin Gündisch sagt zum Schluss: «Die heilige Scholastika vertraute auf die Kraft des Gebets. In ihrem Sinne wollen wir Schritt für Schritt vorwärts gehen, beten und handeln, wie sie es getan hat: Geht, Schwestern und Brüder, wie ihr könnt!» Behüte uns, fügt sie an, «sei mit uns alle Tage bis zum Ende der Welt.»

 

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