«Wichtig ist, dass Prediger:innen mit möglichst vielen und ganz unterschiedlichen Menschen im Dialog sind – mit kirchennahen und kirchenfernen, mit unterschiedlichen Altersgruppen und Milieus.» Foto: iStock

«Gedanken mitten aus dem Leben schöpfen»

Was macht eine gute Predigt aus?

Was macht gute Predigende bzw. interessante Predigten aus? André Flury, diesbezüglich ein Experte auf dem Platz Bern, steht Red’ und Antwort.

Interview: Anouk Hiedl

«pfarrblatt»: Worauf kommt es für gutes Predigen an?

André Flury: Für mich sind drei Dinge entscheidend: Eine Predigt muss authentisch sein. Das heisst, sie soll mit dem Glauben und Leben – auch mit den Fragen und Zweifeln – der Prediger:innen übereinstimmen. Zweitens sollte die Predigt lebensrelevant sein: Sie sollte mit dem Leben und Glauben der Mitfeiernden des Gottesdienstes etwas Wesentliches zu tun haben. Drittens sollte die Predigt einfach verständlich sein – einfach verständlich, aber nicht vereinfachend. Das ist eine hohe Kunst.
 

Eine Predigt muss authentisch, lebensrelevant und einfach verständlich sein, aber nicht vereinfachend. Das ist eine hohe Kunst.


Wie kann die Vorbereitung und Umsetzung einer solchen Predigt gelingen?

Wichtig ist, dass Prediger:innen mit möglichst vielen und ganz unterschiedlichen Menschen im Dialog sind – mit kirchennahen und kirchenfernen, mit unterschiedlichen Altersgruppen und Milieus. Denn die biblischen Schriften sind mitten aus dem Leben heraus entstanden. Wenn Prediger:innen mit «dem Leben heute» im Dialog sind, dann können sie auch für ihre Predigt Gedanken aus dem Leben schöpfen.

Wie setzt man das konkret um?

Meiner Meinung nach dürfen Predigten einerseits «klassisch» sein, indem sie einen biblischen Text auslegen und den Bezug zum heutigen Glauben und Leben aufzeigen. Andererseits dürfen sie auch kreativ und überraschend sein. Dazu gibt es viele Möglichkeiten: eine eigene Erzählung oder ein Gedicht schreiben. Den Dialog mit einem Kunstwerk oder mit säkularer Literatur aufnehmen. Eine Dialogpredigt mit einer anderen Person halten oder auch den Einbezug der Mitfeiernden mit unterschiedlichen Methoden fördern.

Was hat das Predigen im Vergleich zu früher verändert?

In den letzten 30 bis 70 Jahren hat es einige gesellschaftliche Veränderungen gegeben, die auch das Predigen beeinflussen. Besonders markant ist, dass die Kommunikation immer stärker durch bewegte Bilder, durch Filme, Fernsehen usw. geprägt wurde. Dadurch hat die Fähigkeit, dem gesprochenen Wort zuzuhören, bestimmt abgenommen. Mit der Zunahme von Podcasts ist im Moment ein Gegentrend im Gange. Theologisch hat die Erkenntnis zugenommen, dass die biblischen Texte in einer konkreten historischen Situation entstanden sind und dass diese für die Auslegung der Texte wichtig ist.

Was würde Jesus wohl zu heutigen Predigten sagen?

Jesus hat vor allem in Gleichnissen gepredigt. Er verglich Gottes Reich und Gottes Gegenwart mit vielen Beispielen aus dem alltäglichen Leben. Inhaltlich ging es häufig darum, das Vertrauen in Gottes Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, das Vertrauen ins Leben und in die Nächstenliebe zu stärken und dadurch den Frieden zu fördern. Mir scheint, dass Jesus dies auch heute tun würde – und dies auch heutigen Prediger:innen zutraut (lacht).

Gibt es institutionalisiertes Feedback für Prediger:innen?

Meiner Meinung nach zu wenig! Es gibt Reaktionen und gute Gespräche beim Verabschieden oder beim Pfarreikaffee nach den Gottesdiensten. Manchmal auch Briefe oder Mails. Ich finde es eine gute Idee, wenn Prediger:innen eine Woche vor dem Gottesdienst zu einem für alle offenen Gesprächsabend einladen, an dem die biblischen Texte des kommenden Sonntags besprochen werden. Das ist für alle – auch für die Prediger:innen – ein grosser Gewinn.


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