Jeden Dienstagabend versammelt sich eine Gruppe von Menschen jeden Alters aus der Pfarrei St. Josef in Köniz, um nach einem besinnlichen Impuls gemeinsam still in der Natur zu joggen und zu walken. Die Teilnehmenden schätzen diese für sie wichtige Abwechslung zum Alltag.
von Luca D'Alessandro
«Meditation im Laufen – himmlisch geerdet» heisst das wöchentlich stattfindende, eineinhalbstündige Bewegungs- und Meditationsangebot der Pfarrei St. Josef. Dieses gibt es inzwischen seit mehr als fünfzehn Jahren. Geleitet wird es von der Seelsorgerin Ute Knirim. Sie hat es von ihrer Vorgängerin Maria Regli übernommen. «Ich bin keine Meditationslehrerin, gestalte den Ablauf aber so, dass Atem, Bewegung, Stille und innere Sammlung in einen Fluss kommen», sagt die Theologin.
Sie bereitet die entsprechenden Impulse und Momente der Besinnlichkeit vor und hält diese zu Beginn und zum Abschluss jeder Session zusammen mit den Teilnehmenden in der Kirche ab. «Dazwischen sind wir draussen in der Natur in Bewegung», sagt sie. Der Parcours beinhaltet regelmässig eine Runde in den Regionen Köniz, Mengestorf, Ulmiz oder auf dem Gurten.
Offen für alle
Das Angebot richtet sich an Menschen aller Konfessionen und Religionen, die sich für diese Form der Meditation und Achtsamkeit interessieren, und an alle, die sich vom klassischen Kirchenangebot nicht angesprochen fühlen und auf der Suche nach einer Alternative sind. Nicht alle Teilnehmenden sind bei Pfarreianlässen präsent, engagieren sich jedoch bei verschiedenen Freiwilligeneinsätzen.
Schon länger Teil der Gruppe «Mediation im Laufen» sind Verena Greminger und Jürg Oberli. «Die Bewegung und das damit verbundene Naturerlebnis sind der Grund meiner Teilnahme», sagt er. «Die Atmosphäre des Unterwegsseins und das Erleben der verschiedenen Jahreszeiten verleihen dem Ganzen eine spirituelle Dimension.
Vom winterlichen Anblick einer verschneiten Landschaft bis hin zum Hochsommer, wenn man von Schatten zu Schatten läuft, offenbart sich eine besondere Verbundenheit mit der Natur.» Es gehe um das bewusste Wahrnehmen von Himmel und Erde, Hitze, Nässe oder Kälte. Vor allem aber ist die Ruhe für die Teilnehmenden wichtig, so auch für Verena Greminger: «Unterwegs zu sein und gemeinsam eine gefüllte Stille erleben zu dürfen, ist bereichernd.»
Mehr als Stillsitzen im Gottesdienst
Im Gegensatz zu konventionellen Sportangeboten liegt der Schwerpunkt bei der «Meditation im Laufen» nicht auf der Erbringung von Leistungen. «Es ist ein absichtsloses Laufen», betont Ute Knirim, «das Übertragen der äusseren Bewegung auf die innere Ebene.» Ziel ist die Übereinkunft mit dem Atem- und Schrittrhythmus, auch wenn jeder Mensch seinen eigenen Rhythmus hat. «Das macht nichts. Wir kümmern uns umeinander und achten darauf, dass alle mithalten können.»
Die Bewegung hat denn auch eine übergeordnete Symbolik, geht es nicht zuletzt darum, sich als Mensch in Bewegung zu setzen. Ute Knirim: «Wir sprechen vom Heiligen Geist, vom Sturm und von der Bewegung. In unserer Wahrnehmung kommt alles in Bewegung. Das muss nicht nur im Kopf sein, sondern kann auch nach aussen hin eine leibliche Verortung haben.»
Die Idee der Bewegung und des Unterwegsseins sieht sie als ein bedeutendes spirituelles Motiv. «Wir sind die wandernde Kirche, das pilgernde Gottesvolk, ständig unterwegs. Jesus selbst war ein Wanderer.» Verena Greminger ergänzt: «Kirche ist weitaus mehr als das Stillsitzen im Gottesdienst.»
Loslassen und schweben
«Meditation im Laufen» ist eine Reise mit intensiven Augenblicken. Nach jeder Etappe des Laufens denkt Ute Knirim über eine kurze Aktivität nach, welche die Bewegung weiter vertieft. «Gelegentlich kommt es vor, dass ich beim Parcours etwas bemerke, das sich als Gelegenheit zur Achtsamkeit anbietet.»
Zum Beispiel bei einer mentalen Reise, die sich mit Themen wie Loslassen, Schweben oder Licht beschäftige, im Sinne von: «Wir befinden uns in einem dunklen Wald. Vor uns liegt eine Lichtung. Lasst uns einen kurzen Blick auf das Licht werfen.» Die Übungen werden häufig auch mit einem Segenswunsch abgerundet. Dieser wird offen formuliert, ohne Kreuzzeichen, um alle Beteiligten zu inkludieren.
«Bei Heiligenfesten mache ich eine Ausnahme», so Ute Knirim, «etwa am 13. Dezember, dem Gedenktag der heiligen Luzia. An diesem Tag steht das Licht im Vordergrund. In der Kirche zünden wir gemeinsam eine Kerze an.»
Identifikation mit dem Hier und Jetzt
Dieser ganzheitliche Ansatz wird von den Teilnehmenden auch als solcher wahrgenommen. Verena Greminger: «Ich schätze es, wenn das innere Erleben mit dem äusseren, der Bewegung, in Verbindung gebracht wird, und die Identifikation mit dem Hier und Jetzt stattfindet», wenn also eine Entspannungsübung oder ein Gedanke mit dem augenblicklichen Empfinden oder der jeweiligen Jahreszeit in Symbiose tritt. «So kann es sein, dass im Frühjahr das Thema ‹Grün› in die Meditation einfliesst», fügt Jürg Oberli hinzu.
Ute Knirim: «Wir bemühen uns, all das, was wir in die Runde einbringen – die Gespräche des Tages, die Stimmen, die Eindrücke, sowohl die Freuden als auch die Ärgernisse –, vorübergehend beiseitezulegen und auf die Atmung zu achten. Wir stellen uns die Frage: Was hat mir heute im Nacken gesessen? Was macht das mit mir?»
Immer wieder fliessen Komponenten des Qigong Shibashi oder einfache Sequenzen aus den Lehren der Muskelentspannung in die Übungen mit ein. Zwar könne Meditation nicht das Wohlbefinden ad hoc herbeiführen, betont Ute Knirim. «Sie hilft aber, Distanz zu nehmen vom Alltag, um danach wieder neu gestärkt in genau diesen zu gehen.»
Meditation im Laufen
Jeden Dienstag von 18.00 bis 19.30 (Schulferien ausgenommen), Pfarrei St. Josef, Köniz, unter der Leitung von Ute Knirim. Aktuell gehören fünf Teilnehmende zur Gruppe, weitere Interessierte sind willkommen.
Inhalt: Einstieg im Freien oder in der Kirche, Laufen im Freien und Impuls und Meditation in der Kirche. Die Pfarrei St. Josef bietet auch «Shibashi – Meditation in Bewegung» an. Weitere Infos: www.kathbern.ch/koenizwabern