Papst Franziskus an der Generalaudienz vom 12. Februar. Foto: vaticannews

Geliebtes Amazonien: Papst Franziskus mit neuem Schreiben

Gegen Ausbeutung und für das klassische Priestertum

«Querida Amazonia» nennt Papst Franziskus sein neuestes Schreiben. Es beschäftigt sich vor allem damit, wie Menschen im Amazonasgebiet und überall auf der Welt «gut leben» können angesichts von Umweltzerstörung, Armut und Ungerechtigkeit. Im Schlusskapitel behandelt er auch die Rolle der Priester und der Frauen in der Kirche.

 

«Zahlreich sind die Bäume,
wo die Folter wohnte,
und riesig die Wälder,
erworben unter tausendfachem Tode.»

Ana Varela Tafur, «Timareo», Lima 1992

 

Von Andreas Krummenacher

Papst Franziskus hat ein ausführliches Schreiben zur Amazonasregion veröffentlicht. Bezeichnet wird es als «postsynodale Exhortation». Es ist also die päpstliche Quintessenz aus dem Schlussdokument der Bischofssynode zu Amazonien, die im letzten Oktober im Vatikan stattfand. Diese Versammlung hatte in ihrer Mehrheit empfohlen, verheiratete Männer zu Priester zu weihen und die Rolle der Frau in der Kirche aufzuwerten.

Franziskus legt nun einen denk- und merkwürdigen Text vor. Es ist ein sehr jesuitisches, bisweilen wunderschönes, manchmal recht verwirrendes Schreiben.

Es ist erstens eine Liebeserklärung an die Amazonasregion, ...

an die Menschen, an das Leben und die Gottesmutter Maria. Diese wird in einem von Franziskus selbst verfasstem Gebet gar zur Mutter Erde. Die Amazonasregion ist für den Papst ein Kristallisationspunkt der Möglichkeiten und Probleme der Menschheit.

Der Amazonas sei unendlich wichtig, für die Klimaentwicklung, den Regen und für die Menschheit überhaupt. Der Papst kann Ökologie nicht ohne den sozialen Aspekt denken. Beides hänge untrennbar miteinander zusammen. Dazu komme der Aspekt der Kultur. Alles aber ist für ihn bedroht.

Der Text ist darum zweitens eine Anklage.

Die Ausbeutung der Menschen, die Zerstörung der Natur, Ungleichheit, Unterdrückung, Sklaverei, eine Wirtschaft ausser Rand und Band. Der Papst schreibt: «Man muss sich empören, so wie Mose zornig wurde, so wie Jesus zürnte, so wie Gott angesichts der Ungerechtigkeit in Zorn entbrannte.»

Heutzutage sei die Kirche «gerufen, auf den Schrei der Völker Amazoniens zu hören, um unzweideutig ihre prophetische Rolle wahrzunehmen». Er zitiert aus einem Vorbereitungsdokument zur Sondersynode über Amazonien: «Deshalb bitten wir, dass die Misshandlung und Ausbeutung von Mutter Erde aufhört. Die Erde blutet und ist am Ausbluten, die multinationalen Konzerne haben die Adern unserer Mutter Erde aufgeschnitten.»

Die «konsumistische Sicht» des Menschen, die durch das Räderwerk der aktuellen globalisierten Wirtschaft angetrieben werde, neige dazu, die Kulturen gleichförmig zu machen». Papst Franziskus macht in Amazonien unfassbare kulturelle Vielfalt aus. Hunderte Völker, Kulturen und Sprachen. Diese müsse man pflegen, auf die Alten hören, einander helfen. Es gebe soziale Initiativen, technische Ressourcen, Gesprächsforen oder politische Programmen, welche die Probleme in Amazonien bewältigen helfen.

Aber auf keinen Fall dürfe die Option des Glaubens vergessen werden. Alle hätten ein Recht auf Verkündigung. «Es ist die Verkündigung eines Gottes, der jeden Menschen unendlich liebt und der uns diese Liebe vollkommen in Christus geoffenbart hat, der für uns gekreuzigt wurde und als der Auferstandene in unserem Leben gegenwärtig ist.»

Es ist drittens ein klares Bekenntnis zum klassischen Priestertum.

Das Schreiben ist oftmals wolkig, bunt, Gedichte kommen vor, schöne Zitate, der Papst formuliert eindringlich. Vieles bleibt allgemein, ungefähr, vage. In einem einzigen Punkt aber ist er klar und unmissverständlich, dann nämlich, wenn er über die Rolle des Priesters und die Priesterweihe schreibt.

Zwei Punkte nennt er als genuin dem Priester vorbehalten: die Eucharistie und die Beichte. Die Sätze: «Das ist mein Leib» und «Ich spreche dich los von deinen Sünden» seien nur mit einer «heiligen Weihe» zu sprechen, weil sie jene Person, welche diese Worte spreche, mit Jesus Christus «gleichgestaltet». Das bedeutet, dass nur ein Priester, also ein Mann, befähigt sei, der Eucharistie vorzustehen. Die Beichte stehe im Dienst einer würdigen Eucharistiefeier, für sie gelte also dasselbe. Diese Sakramente würden die Mitte der «exklusiven Identität» des Priesters bilden. Die Eucharistie sei «Quelle und Höhepunkt».

Die Laien, so Franziskus, können das Wort verkünden, unterrichten, ihre Gemeinschaften organisieren, einige Sakramente feiern, verschiedene Ausdrucksformen für die Volksfrömmigkeit entwickeln und «die vielfältigen Gaben, die der Geist über sie ausgiesst, entfalten». Damit eine stabile Präsenz der Kirche gewährleistet ist, brauche es reife und mit entsprechenden Vollmachten ausgestattete Laien-Gemeindeleiter (männlich!).

Das alles löst natürlich das Problem des Priestermangels nicht. Für Priester, so der Papst, solle man beten. Er will barmherzige Priester, dem Leben zugewandt und gut ausgebildet.

Zu den Frauen ...

Hier nun wird der Text jesuitisch. Ist er bei den Priestern sehr klar, sehr funktional auch, schliesst er das für die Frauen aus. Man müsse den Blick weiten, schreibt Franziskus. Vielleicht gebe es ja Dienste für Frauen, die wir noch gar nicht in den Blick genommen hätten. Eine auf die Funktion reduzierte Struktur enge die Kirche ein. Das hat er aber oben mit der klaren Definition der priesterlichen Exklusivität gemacht. Die Weihe für Frauen «wäre in Wirklichkeit eine Begrenzung der Perspektiven: Sie würde uns auf eine Klerikalisierung der Frauen hinlenken und den grossen Wert dessen, was sie schon gegeben haben, schmälern als auch auf subtile Weise zu einer Verarmung ihres unverzichtbaren Beitrags führen.»

Papst Franziskus formuliert hier unglaublich dialektisch. Er wirft den Reformer*innen vor, sie hätten einen engen Blick, würden die Frauen nicht ernst nehmen. Natürlich ist das Gegenteil der Fall. Es folgt der denkwürdige Satz: «Jesus Christus zeigt sich als der Bräutigam der Eucharistie feiernden Gemeinschaft in der Gestalt eines Mannes, der ihr vorsteht als Zeichen des einen Priesters.»

Klarer kann man nicht formulieren, dass die Gendertheorie des Teufels ist. «Der Herr wollte seine Macht und seine Liebe in zwei menschlichen Gesichtern kundtun: das seines göttlichen menschgewordenen Sohnes und das eines weiblichen Geschöpfes, Maria», so Papst Franziskus. Er fügt an: «Die Frauen leisten ihren Beitrag zur Kirche auf ihre eigene Weise und indem sie die Kraft und Zärtlichkeit der Mutter Maria weitergeben.»

Gleichwohl finden sich auch ermutigende Passagen ...

Etwa wenn der Papst schreibt, die Kirche habe ein «vielgestaltiges Gesicht». Er führt aus, dass das die «authentische Tradition der Kirche, die keine statische Ablagerung oder ein Museumsstück ist, sondern die Wurzel eines wachsenden Baumes» sei. Veränderungsprozesse seien oft langwierig, die Angst würde uns manchmal lähmen. Franziskus schreibt: «Lasst uns furchtlos sein, stutzen wir dem Heiligen Geist nicht die Flügel.»

Es ist darum viertens ein Hilferuf.

Der Papst schreibt gegen Schluss eindringlich davon, dass er einen Diskussionsbeitrag vorlege. Unterschiedliche Vorstellungen über Lösungsansätze sollten «uns nicht zu Feinden machen». Offenbar ist die Debatte im Vatikan über Themen in der Kirche sehr heftig. Der Papst schreibt beispielsweise, manchmal sei es nötig, die vorgeschlagenen Lösungsansätze zu überwinden «und andere, vielleicht ungeahnte, bessere Wege zu finden. Der Konflikt wird auf einer höheren Ebene überwunden, wo sich jede der beiden Seiten mit der jeweils anderen zu etwas Neuem verbindet, aber dennoch sich selbst treu bleibt».

Er endet mit einem Plädoyer, uns an das Verbindende zu erinnern. «In einem wahren Geist des Dialogs wächst die Fähigkeit, den Sinn dessen zu verstehen, was der andere sagt und tut, auch wenn man es nicht als eigene Überzeugung für sich selbst übernehmen kann. Auf diese Weise wird es möglich, aufrichtig zu sein und das, was wir glauben, nicht zu verbergen, dabei aber doch weiter im Gespräch zu bleiben, Berührungspunkte zu suchen und vor allem gemeinsam für das Wohl Amazoniens zu arbeiten und zu kämpfen.»

 

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Im Original: Nachsynodales Apostolisches Schreiben «Querida Amazonia», von Papst Franziskus 

 

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