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Gerechtigkeit und das gute Leben

Aki-Kolumne von Marco Schori

Was ist Gerechtigkeit? Diese Frage beschäftigt die Menschheit schon seit langer Zeit. Es wurden schon viele Antworten darauf gefunden und, so scheint es manchmal, genauso viele wieder verworfen. Im Dialog «Politeia» (griechisch für «Staat» oder «Bürgerschaft ») verteidigt Platon die Auffassung, dass Gerechtigkeit darin bestehe, dass jede*r das Ihre/Seine tue. Aber was heisst das genau? Wie erkenne ich, dass ich das Meine tue?

Ich bin beispielsweise Philosophiestudent und Praktikant. Heisst das nun, dass es gerecht ist, wenn ich Bücher lese, denke, schreibe und meine Pflichten als Praktikant erfülle? Eine etwas modernere Auffassung von Gerechtigkeit wurde 1971 von John Rawls in seinem Buch «Eine Theorie der Gerechtigkeit» formuliert. Demnach seien jegliche Ungleichheiten in einer Gesellschaft nur dann zulässig, wenn sie zum Vorteil der am meisten Benachteiligten seien und Chancengleichheit bestehe. Der Vorteil äussere sich in guten Aussichten für die am meisten Benachteiligten auf die Verbesserung ihrer Situation. Das hört sich schon besser an.

Aber mit dieser Auffassung lässt sich beispielsweise eine grosse Vermögens- oder Einkommensungleichheit rechtfertigen,solange eine Umverteilung durch den Wohlfahrtsstaat gemacht wird. Die zugrunde liegenden Probleme, die sozial und wirtschaftlich Benachteiligte betreffen, müssen nicht zwingend angegangen werden. Diese Kritik äussert Danielle Allen in ihrem jüngst erschienenen Buch «Politische Gleichheit», welches ich mit anderen Studierenden während des Semesters besprechen werde. In diesem und im nächsten Semester habe ich nun die Gelegenheit, Veranstaltungen zu planen, die mit Gerechtigkeitsüberlegungen in Zusammenhang stehen. Ich möchte im Kleinen beginnen. Wie kann ich dazu beitragen, dass möglichst alle dazu in der Lage sind, ein gutes Leben zu führen? Welche Veränderungen braucht es? Wo kann ich in meinem Alltag ansetzen?

Ich freue mich darauf, mit anderen diesen Fragen nachzugehen und Antworten zu formulieren – auch, wenn sie vielleicht wieder verworfen werden.

Marco Schori, Praktikant

Buchtipp:
Danielle Allen, «Politische Gleichheit».
Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2017. Aus dem Amerikanischen von Christine Pries,
Suhrkamp Verlag Berlin 2020.

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