Eine Löwin symbolisiert im Buch die verdrängte weibliche Seite des Protagonisten. Foto: pixabay.com/Henk67b

Göttliche Löwinnen in jedem Mann

Ein Buch über die verdrängte weibliche Seite.

Sieben Jahre dauerte es, bis der evangelische Theologe und Buchautor Jean-Paul Lutz seine tiefgreifenden Lebenserkenntnisse zu Papier brachte. Nun ist sein Roman «Die falbfarbene Löwin» erschienen.

Von Christina Burghagen

«Ich bin mit Leib und Seele ein ungläubiger Pfarrer», sagt Jean-Paul Lutz leicht verschmitzt und nippt an seiner Kaffeetasse: «Denn weil ich zweifle, glaube ich», setzt er nach und lässt wissen, dass er ein aufklärerischer Mensch sei und dass man Glaube mit Religion nicht verwechseln sollte. Sein beruflicher Werdegang ist vielfältig: Der 1947 geborene Lutz besuchte das evangelische Lehrerseminar Muristalden in Bern und schloss ein Theologiestudium in Bern, Zürich und Berlin mit dem Staatsexamen ab. Dann folgten Managementausbildung und eine Weiterbildung zum Mediator, Pfarrer in Zürich und Kirchdorf oder Beauftragter für Radioarbeit im Berner Oberland.

Der Löwin begegnet

Was sich weniger gut aufzählen lässt sind seine Begegnungen, Schicksalsschläge und Beziehungen zu Frauen. «Ich wäre nie Pfarrer geworden, wenn ich dem Theologen und Schriftsteller Kurt Marti nicht begegnet wäre», ist der 74-Jährige überzeugt. Schon mit zwölf Jahren habe er seinen Vater verloren. «Marti war eine Art Vaterersatz und Lebensberater für mich», sagt Lutz über den 2017 verstorbenen Berner Denker.

Vor acht Jahren war Jean-Paul Lutz davon überzeugt, ein Burnout zu bekommen. Deshalb buchte er eine Reise nach Südamerika. Doch dazu sollte es nicht kommen, denn seine Selbstdiagnose war falsch. «Ich stand kurz vor einer Sepsis. Ein entzündeter Zahn schlug mir lebensbedrohlich aufs Herz.» Nach einer Herzklappen-Operation im Jahr 2013 reiste Lutz nach Frankreich. Seine Erkenntnis: «Zwei Seelen sind in meiner Brust.» Daraufhin träumte er von einer sphinxgleichen Löwin, mit der er fortan Zwiegespräche führte. Die Idee zum Roman «Die falbfarbene Löwin» und der unbedingte Wunsch, seine weibliche Seite wiederzufinden, die er verloren zu haben meinte, waren geboren. «Ich habe Tag und Nacht geschrieben, dazwischen machte ich lange Spaziergänge», erzählt der Autor. Das Buch sei eine schonungslose Abrechnung mit sich selbst.

Theologie – eine Männerfestung

Sein Protagonist Jean ist ein Mann, der sich mit der sogenannten «Göttlichen Ordnung» seit seiner Kindheit beschäftigt und als evangelischer Theologe und Pfarrer den Teil seines männlichen Selbst ergründen will, um sich zu erkennen. Jean reist mit seinem afrikanischen Begleiter in den Osten Malis zur Falaise de Bandiagara. Dort wohnt das alte Volk der Dogon. Jahre zuvor hatte er einen Traum, von dem er annahm, er habe dort stattgefunden. In diesem Albtraum begegnete er der Löwin, die ihn verfolgt. Sein Psychiater empfiehlt ihm, sie kennenzulernen und sich mit ihr zu befreunden. Doch er vergisst es wieder. Nach einer gesundheitlichen Krise spürt er schmerzhaft, dass ihm etwas fehlt, mit dem er fest verbunden war. Die Löwin aus dem Traum kommt ihm wieder in den Sinn und er beginnt, nach ihr zu suchen.

Die männerdominierte Religion mehrerer tausend Jahre spräche besonders den Frauen und Tieren jede Göttlichkeit ab. «Die Theologie wurde zur Männerfestung: Mann war und blieb Mann; Frau war und blieb Ding», erklärt Jean-Paul Lutz. Der 608 Seiten umfassende Roman «Die falbfarbene Löwin» mit umfangreichem Anhang gewährt den Lesenden tiefe Einblicke in das Leben des Autors und ist gleichzeitig eine Hommage an alle Frauen dieser Welt, die zu Sklavinnen, Opfern von Willkür, Verunglimpfung, Missbrauch, Verstümmelung bis hin zur Tötung werden. Im Buch heisst es dazu: «Dass sie auferstehen mögen, als göttliche Löwinnen in jedem Mann, den sie ausgetragen, geboren, genährt und geliebt haben.»

Lesungen «Die falbfarbene Löwin» mit Jean-Paul Lutz

20. Oktober, 17.30: Kino Belp «um die Ecke», Grubenstrasse 3
22. Oktober, 18.00: Ciné Gstaad, Suterstrasse 6
27. Oktober, 17.00: Kino Rex Piccolo, Interlaken, Centralstrasse 19
2. November, 18.00: Kino Rex Thun, Aarestrasse 2A

Eintritt frei, Kollekte
Anmeldung und weitere Infos

Paul J. Lutz: Die falbfarbene Löwin. Roman.
Brunner Medien AG, 2020. 640 S.

 

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