«Innerlich war ich einfach todunglücklich», sagt der Schweizer Theologe Pierre Stutz im Intro zum Film. Bild: Screenshot ARD

Grosses Coming-Out: 125 queere Kirchen-Menschen outen sich

Über den Schmerz queerer Katholik:innen

Auf einer Internetseite und im Rahmen einer Fernsehdokumentation im deutschen Fernsehen ARD haben sich 125 Menschen in der katholischen Kirche Deutschlands geoutet. Unter ihnen auch Pierre Stutz, der in Deutschland lebende Schweizer Theologe.

«Innerlich war ich einfach todunglücklich», sagt der Theologe Pierre Stutz im Intro zum Film. Er ist einer der 125 Menschen, die sich in der katholischen Kirche Deutschlands geoutet haben. Der Schweizer hat sich bereits in der Schweiz für Homosexuelle in der Kirche eingesetzt. Inzwischen wohnt er in Deutschland.

Keine Kündigung aufgrund sexueller Orientierung

Die 125 Coming-out-Beteiligten sind haupt- oder ehrenamtlich in der Kirche tätig und zugleich Teil der queeren Community. Das teilte die Initiative «#OutInChurch – für eine Kirche ohne Angst» am Montag mit. Die Initiative fordert unter anderem, das kirchliche Arbeitsrecht so zu ändern, «dass ein Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität» nicht zur Kündigung führe.

Der Dokumentarfilm «Wie Gott uns schuf» des Produzenten Hajo Seppelt lief am Montag zur Hauptsendezeit (20.30 Uhr) im ersten deutschen Fernsehen ARD. In der Produktion von RBB, SWR und NDR erzählten nicht-heterosexuelle Menschen vom «Kampf um ihre Kirche», erklärte der RBB. In der ARD-Mediathek ist er weiterhin zugänglich, hier werden zusätzlich Video-Statements aller 100 im Film gezeigten Personen präsentiert. Die Produzent:innen bezeichnen das Projekt als das «grösste Coming Out in der Geschichte der katholischen Kirche».

Das Problem mit der Loyalität

Für Beschäftigte bei der katholischen Kirche gilt in Deutschland die Grundordnung des kirchlichen Dienstes. Danach müssen sie Loyalitätsverpflichtungen beachten, die auch das Ausrichten der eigenen Lebensführung an den Grundsätzen der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre umfasst. Das Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Ehe kann als Verstoss gegen diese Verpflichtung gesehen werden und zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen.

Neben einer Überarbeitung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen fordert #OutInChurch zudem «einen diskriminierungsfreien Zugang zu allen Handlungs- und Berufsfeldern in der Kirche». Die Kirche trage Verantwortung für die Menschenrechte von Personen aus der queeren Community weltweit. Sie müsse daher «diffamierende und nicht zeitgemässe Aussagen» zu Sexualität und Geschlechtlichkeit auf Grundlage humanwissenschaftlicher und theologischer Erkenntnisse revidieren.

Stellenverlust bei Comingout auch in der Schweiz möglich

Adamim, der Verein schwuler Seelsorger, freut sich über das kolletkive Comingout von 125 nicht heterosexuellen katholischen Kirchenmitarbeitenden in Deutschland. «Bisher war eine solche konzertierte Aktion in der kleinen Schweiz nicht zustande gekommen», schreibt deren Sprecher Bruno Fluder auf Anfrage des «pfarrblatt ». Auch für viele Mitglieder des Vereins sei «ein möglicher Stellenverlust bei einem öffentlichen Comingout zu bedrohlich». Adamim unterstütze daher die Forderung nach Änderungen im Personalrecht, um homosexuellen Mitarbeitern Rechtssicherheit zu verschaffen. «Noch herrscht auch in den Schweizer Bistümern diesbezüglich eine gewisse Willkür.»

Dennoch ist die Situation in der Schweiz aufgrund des dualen Systems nicht ganz dieselbe wie in Deutschland. Auf Anfrage des «pfarrblatt» wird das Bistum Basel, in dem ein Arbeitskreis Regenbogenpastoral besteht, am Mittwoch zu dieser Frage Stellung nehmen. (kna/sys)

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