Gute Seelsorge leben und erleben lassen

Interview mit Alexander Pasalidi, der seit einem Jahr als Priester in der Pfarrei Gstaad tätig ist

Alexander Pasalidi ist Priester in der Pfarrei Gstaad. Ein Interview über den Spagat zwischen Orts- und Touristenseelsorge, Ökumene mit Freikirchen, Familienfreundlichkeit für Saisonniers und den Hauch von Weltkirche im Saanenland und Simmental.

Interview: Anouk Hiedl, Fotos: Pia Neuenschwander

«pfarrblatt»: Was wollten Sie als Kind werden?

Alexander Pasalidi: Die Begegnung mit meinem damaligen Heimatpfarrer – seine überzeugende Art, wie er uns Jugendlichen biblische Geschichten vermittelte – weckte in mir als 12-Jährigen den Wunsch, ebenfalls Priester zu werden.

Nun sind Sie seit 18 Jahren im kirchlichen Dienst, 15 davon als katholischer Priester. Warum haben Sie sich für diesen Beruf entschieden?

Weil es etwas vom Schönsten ist, Menschen als Priester von der Wiege bis zur Bahre zu begleitenund beizustehen und ihnen die Sichtweise Jesu aufs Leben und darüber hinaus zu erschliessen. Das Leben, Wirken und die BotschaftJesu eröffnen einen ganz neuen Blick aufs eigene Menschsein, den Umgang mit der Schöpfung und den Mitmenschen, sprich auf das ganze Leben. Das weitet das Herz und schenkt Lebenssinn, Orientierung und Perspektive.

Im Bistum Basel sollen Seelsorgende etwa alle zehn Jahre ihren Wirkungsort wechseln. Manche würden gerne länger bleiben, andere mitunter früher gehen. Wie haben Sie diese Abschiede und Neuanfänge erlebt?

Ich finde dies aus zwei Gründen gut: Zum einen spornt es an, Seelsorge mit viel Energie und Herzblut anzugehen. Erfahrungsgemäss sinkt die Motivation nach gut zehn Jahren. Um Routine vorzubeugen, finde ich einen Stellenwechsel angebracht. Man kann dann neu auftanken und am neuen Ort wieder voller Motivation und Herzblut ans Werk gehen. Warum ich diese Empfehlung auch gut finde: Machen Seelsorgende ihre Arbeit gut, sollten auch andere im Bistum ihre Begeisterung erleben dürfen.

Sie sind seit 1. August 2018 in der Pfarrei Gstaad tätig. Diese umfasst sieben Gemeinden, so feiern Sie auch in Zweisimmen und an der Lenk Gottesdienste. Welchen Bezug hatten Sie früher zu dieser Gegend?

Einen Bezug zum Berner Oberland hatte ich bis letzten August keinen. Da ich mich bei einem Stellenwechsel gerne auf etwas Neues einlasse, reizte mich die Aufgabe hier. Ich bin im Thurgau aufgewachsen, habe in den Kantonen Luzern, Zug und Aargau gewirkt, so war es für mich naheliegend, einen ganz anderen Teil unseres Bistums kennenzulernen. Zudem ermöglicht mir diese Stelle, wertvolle Erfahrungen in der Diaspora zu machen.

Zu Ihrem Amtsantritt hat Ihnen der Kirchgemeinderat eine Saanenziege geschenkt …

Ja, wie auf dem damaligen Pressefoto ersichtlich wird, war es für mich ein Schock: Ich dachte mir, um Himmels Willen, wohin nur mit der Ziege? Es war zum Glück ein symbolisches Willkommensgeschenk. Die Ziege steht für das Saanenland, und Felix Neff, der Präsident der Kirchgemeinde Gstaad, wünschte mir für die Zukunft die positiven Eigenschaften der «Saanengeiss». Ich fand das super, und wissen Sie was? Ich mag Ziegenkäse … Die Geiss lebt übrigens weiterhin auf ihrem Bauernhof.

Sie haben Weihnachten und Ostern erstmals in Ihrer neuen Pfarrei gefeiert. Wie leben Sie sich ein?

Ich habe mich relativ schnell gut eingelebt und mich auf die neue Aufgabe eingelassen. Als Katholiken bilden wir an unseren Gottesdienstorten an der Lenk, in Zweisimmen und in Gstaad eine kleine Minderheit. Überall gibt es kleine Kerngruppen, mit denen ich bereits gute Kontakte pflege. Mehr und mehr lerne ich aber an allen Orten der weitläufigen Pfarrei Menschen mit katholischen Wurzeln kennen. Als Tourismus- und Feriendestination fallen Festtage – besonders Weihnachten – in die Hochsaison. Ich bin völlig überrascht und staune tatsächlich, dass der Kirchgang für viele Touristen auch heute noch ein echtes Bedürfnis darstellt. Unsere Gottesdienste sind dann überdurchschnittlich gut besucht, und in unseren Feiern weht dann ein spürbarer Hauch von Weltkirche.

In der Pfarrei Gstaad haben Sie auch mit Feriengästen und Saisonarbeitenden aus aller Welt zu tun. Wie wirkt sich diese Spezialseelsorge auf Ihre Arbeit aus?

Die Betreuung der Feriengäste konzentriert sich besonders auf die sonntäglichen Feiern, an denen sie an allen Gottesdienstorten teilnehmen – insbesondere in Gstaad. Ich gestalte die Feiern und besonders die Predigtgedanken jeweils auf Deutsch, Französisch und Italienisch. Gleichzeitig verlangt die Tourismusseelsorge von mir auch eine gewisse Spontanität. Schon einige Male ist es vorgekommen, dass ich kurz- oder mittelfristig Anrufe aus Hotels bekam, mit der Bitte, in den Ferientagen der Gäste eine Taufe, Hochzeit, goldene Hochzeit oder eine Gedächtnisfeier für deren Verstorbene zu gestalten. Saisonniers treffe ich an Sonntagnachmittagen, an denen wir zusätzliche Gottesdienste in verschiedenen Sprachen anbieten.

Worüber sprechen Einheimische,Touristen und Saisonniers mit Ihnen?

Berührungspunkte sind die mit Einheimischen oder Touristen zu gestaltenden Feiern, darüber hinaus entstehen dann Gespräche über Gott und die Welt. In der Ortsseelsorge bin ich aktuell mit Vertretenden der Gemeinde Saanen und den Diakonieverantwortlichen im Pastoralraum im Gespräch für eine geeignete Betreuung der Kinder unserer hauptsächlich portugiesischen Saisonniers. Viele arbeitende Eltern sind hier in der Gastronomie und Hotellerie tätig – auch da ist Familienfreundlichkeit wichtig.

Welche Rolle spielt die Ökumene in der Pfarrei und Tourismusregion Gstaad?

Mir ist die Ökumene ein Herzensanliegen. Aus diesem Grund bin ich dankbar für die guten persönlichen Kontakte, die sich seit meinem Stellenantritt mit meinen Kolleg*innen der Landes- und der Freikirchen ergeben haben. Ich finde es eine ganz gute Sache, dass wir uns zum «Kirchengespräch» treffen und ökumenische Feiern gestalten.

Wie äussert sich die aktuelleKirchenkrise im Saanenland und Simmental?

Der Missbrauchsskandal in der Kirche ist ein Thema. Gleichzeitig spüre ich bei den Gläubigen, dass die allermeisten sich trotz dieser schrecklichen Verbrechen zahlreicher Priester und Ordensleute weiterhin für die frohe und sinnstiftende Botschaft Jesu in der Kirche engagieren wollen.

Pflichtzölibat bzw. Frauenordination: Wie stehen Sie dazu?

Schauen Sie sich stellvertretend für viele Diözesen der Welt die katastrophale Situation im Bistum Basel an. Das Fehlen pflichtzölibatärer Priester verursacht einen eucharistischen Hunger. Es ist an der Zeit, sich zu fragen, was wichtiger ist: die Lebensform oder dass Gläubige in den Pfarreien am Tag des Herrn die Eucharistie zur Erbauung, Nahrung und Stärkung feiern und empfangen? Für mich ist klar: Künftige Priester sollten frei wählen dürfen, zölibatär zu leben oder nicht. Gerade in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils sollten die Zulassungsbedingungen erweitert werden. Es gibt bereits so viele theologisch gut ausgebildete Menschen im kirchlichen Dienst – bewährte Männer und Frauen. All diesen, ledigen wie verheirateten, sollte erlaubt werden, als «personae probatae» zumindest in ihren Pfarreien die Eucharistie zu feiern. Bereits jetzt schon gibt es ja unterschiedliche Zulassungsbedingungen in der katholischen Kirche – in den katholischen Ostkirchen etwa gibt es zölibatär lebende und verheiratete Priester.

Im Onlinebeitrag «Krisengipfel» setzt sich der Priester Alexander Pasalidi mit dem Thema «Missbrauch in der Kirche» auseinander.
Rubrik Dossiers: Sexuelle Gewalt in der Kirche, «Es ist eine dunkle Zeit für unsere Kirche».

 

 

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