Trägt das Christentum eine Mitschuld an der Klimakrise? Diese Frage wurde an der Tagung diskutiert. Foto: Pixabay.com/Stocksnap

Hat die Klimakrise eine Religion?

Schöpfungsgeschichten beeinflussen das Verhältnis der Menschen zur Mitwelt

Die christlichen Schöpfungsgeschichten haben den Umgang der Menschen mit ihrer Mitwelt negativ geprägt. Doris Strahm hat am feministisch-theologischen Studientag vom Samstag in Bern für neue Bilder von Gott und der Schöpfung plädiert.

Eva Meienberg

Am Boden leuchtet ein roter runder Kreis: «Anders als Sie glauben» steht drauf. Er klebt vor der Eingangstür des Hauses der Begegnung der katholischen Kirche im Berner Länggass-Quartier. Am vergangenen Samstag fand dort ein feministisch-theologischer Studientag statt. Der Katholische Frauenbund Bern hatte dazu eingeladen. Die feministische Theologin Doris Strahm referierte zum Thema: «Eine ökofeministische Theologie der Erde».

Zwei Schöpfungsgeschichten

In der Bibel gibt es zwei Schöpfungsgeschichten. In der ersten erhalten die Menschen den Auftrag, die Erde mit allem, was auf ihr lebt, zu beherrschen. In der zweiten setzt Gott den Menschen in den Garten Eden und gibt ihm den Auftrag, den Garten zu bebauen und zu behüten. Und er erschafft die Tiere für die Menschen, damit sie ihnen helfen. In Gen 2 wird der Mensch also in seiner Verbundenheit mit der Erde und seiner engen Beziehung zu den Tieren geschildert.

Die erste Geschichte mit dem Herrschaftsauftrag sei viel stärker rezipiert worden, sagte Doris Strahm in ihrer Einführung. Die Geschichte habe den Umgang der Menschen mit ihrer Mitwelt geprägt. Die vermeintliche Krone der Schöpfung habe so, im Auftrag die Erde zu beherrschen, ihre Mitwelt ausgebeutet und tue dies bis zum heutigen Tag, sagte Doris Strahm.

Die Schuldfrage

Trägt das Christentum also eine Mitschuld an der Klimakrise? Diese Frage stellte Doris Strahm den Teilnehmerinnen. 25 Frauen waren gekommen, die meisten in reiferem Alter, aber jung im Geist, wie sich in den Diskussionen zeigte. Die obige Frage hatten bereits ökofeministischen Theologinnen in den 1980er-Jahren gestellt. Sie hätte nichts an Dringlichkeit verloren angesichts der Klimakrise, in der wir uns befänden, sagte Doris Strahm.

Ökofeministische Theologinnen

Warum interessierten sich die Feministinnen besonders für ökologische Themen? „Weil es einen Zusammenhang gibt zwischen der Beherrschung der Natur und der Beherrschung der Frau“, sagt Doris Strahm. Das Christentum hatte sich mit seinen jüdischen Wurzeln zunächst im hellenistischen Raum entwickelt, der von der aristotelischen Philosophie geprägt war. Diese vertrat eine dualistische Sicht, in der eine Seite die andere dominierte. Der Geist sei dem Körper überlegen, die Kultur der Natur, der Mann übertreffe die Frau, wurde damals gedacht. Das weibliche Geschlecht, das in Zusammenhang gebracht wurde mit Körperlichkeit und Natur, wurde darum abgewertet.

Ökofeministische Theologinnen zeigen diese Zusammenhänge auf und entwickeln eine andere Sicht der Beziehung von Gott und Welt, Mensch und Natur, Mann und Frau und knüpfen dafür auch an alternative biblische Bilder an.

Die aktuelle Herbert-Haag-Preisträgerin, Julia Enxing, macht es ganz ähnlich und setzt für ihren Apell, nachhaltig mit der Schöpfung umzugehen, bei den biblischen Erzählungen an. In ihrem aktuellen Buch: «Und Gott sah, dass es schlecht war» kritisiert auch sie den biblischen Herrschaftsanspruch. Sie sieht den Menschen gerade in einer besonderen Verantwortung, um eine Zukunft im Einklang mit allem Existierenden zu gestalten.

Neue Bilder

«Wir brauchen Bilder, die lebensfördernd sind und die Präsenz Gottes in allem Geschaffenen, in der ganzen Schöpfung betonen», sagte Doris Strahm. Sie verwies dabei als Beispiel auf das Bild der «Grünkraft» –Viriditas –,das sich in den Texten von Hildegard von Bingen findet, und für die neuere Zeit besonders auf die Metapher von der «Welt als Körper Gottes» bei Sallie McFague. Die amerikanische Theologin gehörte zur ersten Generation ökofeministischer Theologinnen. Im Buch «The Body of God» stellt sie sich die Welt als Körper Gottes vor: Die Menschen begegnen Gott im Körper der Welt. «Was würde es bedeuten, wenn wir uns und jedes Lebewesen als von Gott durchwirkten Körper begreifen würden? Wie könnten die Menschen diesem Körper schaden wollen?», fragte Doris Strahm die Teilnehmerinnen der Tagung.

Für Sallie McFagues Sicht gibt es Ansatzpunkte in der christlichen Tradition: Etwa die Inkarnation – die Fleischwerdung – Gottes in Jesus oder die Metapher vom kosmischen Christus, in der die Schöpfung, der ganze Kosmos, als Ort der Erlösung für alle Geschöpfe verstanden wird.

Weg vom Fokus auf den Menschen

Es sei dringlich, in der Theologie wegzukommen von der Fokussierung auf die Menschen, hin zu einer schöpfungszentrierten Theologie der Interdependenz: «Alle Lebewesen sind zutiefst miteinander verbunden – Teil der Erde als Körper Gottes», sagt Doris Strahm.

«Anders als Sie glauben»: Der rote runde Kleber vor der Türe hat sein Versprechen gehalten.

«Was würde es bewirken, wenn wir die Schöpfung als eine unermessliche Menge von Körpern sehen lernen würden, die von Gottes Geist durchwirkt sind, und Gottes Lebensatem in jedem Lebewesen erkennen, das existiert? Wenn wir uns selber als von Gottes Geist durchwirkte Körper begreifen würden, zutiefst verbunden mit allen anderen Körpern und allem Geschaffenen unseres Planeten, aber ausgestattet mit einer besonderen Verantwortung für das Wohlergehen der göttlichen Schöpfung?»
Aus: Sallie MCFague: The Body of God. An Ecological Theology, Minneaplis 1993

Erstpublikation im Aargauer Pfarrblatt «Horizonte»

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