Himmel, Herz und Aare

Stefan Maurers spiritueller Ort

Stefan Maurer kennt den Wald der Berner Engehalbinsel wie seine Westentasche. Nach seiner dreimonatigen Reise durch den sibirischen Altai hat er am Ufer der Aare seinen persönlichen spirituellen Ort gefunden.

Aufgezeichnet von Anouk Hiedl
Fotos: Pia Neuenschwander und Stefan Maurer

Der Fotograf Stefan Maurer kennt alle Wege, die zu «seiner» Aareschlaufe auf der Berner Engehalbinsel führen. Wahlweise auf beschilderten Wanderwegen oder über abschüssige Pfade durchqueren wir den Wald, der ihn an seine Reise im südsibirischen Altai-Gebirge erinnert. Die Erlebnisse von damals prägen ihn bis heute.

Im Altai kenne man verschiedene «Schöpfungspunkte» der Welt, die bepilgert werden. Auf dem heiligen Berg Belucha zum Beispiel oder am Baikalsee sei die Verbindung zwischen Erde und Kosmos durchlässiger. ­Spirituelles gehe dort «schneller ­rüber» – in beide Richtungen.

Im Altai hat Stefan Maurer gemerkt, dass es Orte gibt, die «etwas haben» und wo mehr wirkt als anderswo.
 

Ich verstand und akzeptierte, dass es diverse Wahrnehmungen gibt und man Vieles nicht erklären kann.


Er geniesst es, wenn Spirituelles im Alltag präsent ist. Ein Wegkreuz zum Beispiel sagt nicht «Los, mach, konsumiere!». Es steht für «Halt an. Alles ist gut. Du bist behütet».


Im Gebet oder in der Meditation könne man ein Bild, ein Bibelzitat, einen Spruch oder eine Stimmung betrachten und in sich hineinnehmen, sagt ­Stefan Maurer.

Als sein Abschied vom Altai nahte, war er traurig und meditierte über dem Baikalsee, dem «Auge der Welt».

Auf dieser inneren Reise sprach der See zu ihm und sagte, dass die Sonne auf sein Wasser scheine. Dieses verdunste, reise um die Welt und regne ­woanders herunter.

Auch in der Aare finde sich stets ein Tropfen Baikalsee. Für Stefan Maurer ist dies das Prinzip des Reisens: hinausgehen, suchen und den sakralen Ort schliesslich in sich selbst finden.
 

Von allem, das ich mir ersehne, ist bereits ein Tröpfchen in mir drin.

Jede Handlung könne zu etwas Sakralem werden, sagt Stefan Maurer.

Er geht mit dem Kunstschaffenden Joseph Beuys einig, dass der Arbeitsplatz wieder zum Altar werden müsse und Mysterien auch in Hauptbahnhöfen stattfänden.

Letzteres weil wir, die Menschen, dort sind. Spiritualität könne immer stattfinden und muss nicht an einen bestimmten Ort «verbannt» werden.

Ob am Baikalsee oder an der Aare: Die Natur erinnert Stefan Maurer daran, dass das grösste Heiligtum in uns selbst sein kann. Das sei ein grosser Gewinn und Freiheit.
 

Ein Ort, wo alles gut ist, findet sich bereits hier auf der Welt, in uns selbst.


Wie aber man Sakrales erfahre, sei jenseits von Begriffen.

Im Altai lernte Stefan Maurer auch die sibirische Saunakultur kennen. Nach seiner Rückkehr wollte er nicht darauf verzichten.

So baute er sich am Ufer der Aare eine kleine, einfache Schwitzhütte für die Monate zwischen Herbst und Frühling.

Auf einen Zettel schrieb er, dass die Sauna für alle offen sei. Oft fand er Zeichen des Dankes vor, jemand hatte zum Beispiel «Merci» mit Kohle auf einen Stein geschrieben.

Stefan Maurer hat dort auch gute Leute und einen seiner besten Freunde kennengelernt.

Manchmal verbrachte der Fotograf eine Woche allein an der Aare. Wenn er in der Dämmerung erlebte, «wie die Tiere die Natur übernehmen», wähnte er sich dort «noch mehr als Gast».

Im Winter überraschte ihn mitunter die Nacht. Am sonst so vertrauten Ort lernte er, sich seiner Angst zu stellen und sie «zu transformieren».

Stefan Maurer ermutigt, den eigenen spirituellen Ort im öffentlichen Raum einzurichten. Eine Schaukel etwa – auch sie kann verschiedenen Menschen Türen in andere Dimensionen öffnen...

 

Engehalbinsel

Anfahrt per ÖV:
Vom Hauptbahnhof Bern mit dem RBS-Zug (S9) bis Haltestelle «Tiefenau» oder mit Bus Nr. 21 (Richtung Bremgarten) bis Haltestelle «Rossfeld», «Felsenaustrasse» oder «Schloss». Danach zu Fuss durchs Quartier und den Wald den Wegweisern zur Reichenbach- oder Zehendermättelifähre folgen (ca. 25 bis 30 Min.).
Fähre: bis Oktober bei genügendem Wasserstand offen: 077 416 75 81.
Restaurant: Zehendermätteli im Glück, Reichenbachstr. 161, Bern (Montag geschlossen)


Die Sommerserie im Überblick finden Sie HIER

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