«Wir wollten diese Porträts unbedingt zeigen», sagt Magdalena Madaj, Kuratorin am Museum of Contemporary Art in Krakau. (Foto: Astrid Tomczak)

Holocaust-Geschichte(n) an einem historischen Ort

Schweizer Ausstellung in Krakau

Die Ausstellung «The Last Swiss Holocaust Survivors» wurde im ehemaligen Ghetto im polnischen Krakau gezeigt – dem Ort des Films «Schindlers Liste». Eine Erkundung vor Ort.

von Astrid Tomczak*

Es ist der Tag vor Fronleichnam, ein Feiertag, an dem im katholischen Polen fast alles still steht. In Krakau sind an diesem Tag viele Leute unterwegs, Touristinnen und Touristen, Schulklassen, Einheimische, die noch letzte Einkäufe machen. Vor dem Eingang zum Schindler-Museum stehen die Besucherinnen und Besucher schon Schlange, bevor das Museum öffnet.

Oskar Schindler war ein deutscher Unternehmer, der jüdische Zwangsarbeiter, die in seiner «Deutschen Emailwarenfabrik» angestellt waren, vor der Vernichtung rettete. Taxis fahren vor, ab und zu ein kleiner offener Wagen, der Touristen durch das ehemals jüdische Viertel und das Ghetto fährt.

Rund 2.5 Kilometer südlich von hier befindet sich das ehemalige Arbeits – und spätere Konzentrationslager Plaszow, die erste Leidensstation für viele Krakauer Jüdinnen und Juden – insbesondere nach Auflösung des Ghettos.

Direkt neben dem Schindler-Museum befindet sich das MOCAK, das Museum of Contemporary Art. Fast zwei Monate lang, bis zum 24. Juni, wurde in der Bibliothek des Museums die Ausstellung «The last Swiss Holocaust Survivors» gezeigt. Es sind grossformatige Schwarz-Weiss-Porträts von Menschen, die während oder nach dem zweiten Weltkrieg in die Schweiz gekommen sind.

Auf dem Gelände von «Schindlers Liste»

Seit 2017 waren die Porträts in verschiedenen Städten der Schweiz und weltweit zu sehen, in Berlin, New York, Singapur und auch in Israel. Und doch: Krakau sticht aus dieser Reihe hervor.

«Wir sind hier auf dem Fabrikgelände von Oskar Schindler an einem historischen Ort», sagt Dominika Mucha, die zuständige Kuratorin am MOCAK.  «Viele Besucherinnen und Besucher kommen nach dem Besuch von Schindlers Fabrik zu uns. Sie sind also schon vorbereitet.»

Allerdings ist der Ausstellungsort nicht auf Anhieb zu finden – die Bibliothek befindet sich in einem Nebengebäude. Das liegt daran, dass das Ausstellungsprogramm des MOCAK lange im Voraus geplant wird und deshalb im Hauptgebäude kein Platz war.

«Aber wir wollten diese Porträts unbedingt zeigen», sagt die Kuratorin. «Die Geschichte hat für uns einen hohen Stellenwert und ist auch ein sehr wichtiges Schulfach.» Deshalb kommen auch immer wieder Schulklassen ins Museum. 

Viele haben Wurzeln im Polen

Dass die Ausstellung in der Bibliothek gezeigt wird, habe auch Vorteile. «Es ist sehr ruhig dort, und diese Atmosphäre lädt zur Kontemplation ein.» Tatsächlich: Die Porträts, die an zwei Wänden aufgereiht sind, führen die Besucherinnen und Besucher mit ihrem direkten, ruhigen Blick  fast unmerklich zur Auseinandersetzung mit den Geschichten, die sie erzählen.

Viele von den Porträtierten haben polnische Wurzeln – so auch die Vorfahren der Initiantin der Ausstellung, Anita Winter, Gründerin der Gamaraal Foundation. Die Stiftung unterstützt  Holocaust-Überlebende und engagiert sich in Bildungsprojekten zum Thema.

«Wir haben die Publikation zur Ausstellung sofort ins Polnische übersetzen und von Überlebenden korrigieren lassen», sagt sie. «Polnisch ist für viele von ihnen die Muttersprache.» Die Stiftung hatte geplant, die Bilder zuerst in Anwesenheit von einem Porträtierten in Warschau zu zeigen. «Wir hatten die Hotels schon gebucht», erzählt Anita Winter. Doch dann kam Corona und hat alle Aktivitäten verunmöglicht.
 

Die letzten Schweizer Holocaust-Überlebenden

Seit 2017 haben weltweit Besucherinnnen und Besucher die Ausstellung «The Last Swiss Holocaus Survivors» gesehen. Bis jetzt hat das Team der Gamaal-Foundation rund 150 Zeugnisse von Überlebenden gesammelt – und es kommen immer noch mehr dazu. «Viele  Überlebende haben jahrelang geschwiegen und das ganze Team hatte Bedenken, mit diesem Projekt eine Retraumitisierung auszulösen», sagt Anita Winter. Das Gegenteil sei passiert. «Sie sagen uns, wie dankbar sie sind, dass man am Ende ihres Lebens ihren Geschichten zuhört, damit so etwas nie mehr passiert.»

Zur Website der Ausstellung

 * Erstpublikation auf www.reformiert.info

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