Dankbarkeit erfüllt den Thuner Bluesmusiker Philipp Fankhauser, der ab März sein Comeback auf der Bühne feiert: Dankbar ist er dem Spender, von dem er Stammzellen erhalten hat. Und dafür, dass ihm ein zweites Leben geschenkt wird.
von Marcel Friedli-Schwarz
Vorbei sind sie: die Wochen und Monate des Bibberns, Hoffens, Zweifelns. Einen Tag nach seinem Geburtstag steht Philipp Fankhauser wieder auf der Bühne. Nach mehr als einem halben Jahr.
«Es geht genau auf», sagt der Schweizer Bluesmusiker, «genau auf den Sechzigsten.» Mit dieser Zahl spielt auch der Titel seiner Tour, mit der er am 1. März gestartet ist: «three times twenty», drei Mal zwanzig. Die Sechzig, das ist die offizielle Zahl. Inoffiziell hat für den gebürtigen Thuner eine neue Zeitrechnung begonnen. Und zwar letztes Jahr am 25. Juli: Dann hat er für sein krankes Knochenmark neue Stammzellen erhalten.
Nun verschiebt er seinen Geburtstag vom Spätwinter auf diesen für ihn magischen Tag im Hochsommer. «Ich bin wahnsinnig dankbar, dass mir ein zweites Leben geschenkt worden ist. Nun hoffe ich, dass ich zwanzig Jahre alt werde», sagt er mit einem Augenzwinkern.
Knappe Luft
Das Grinsen ist dem Musiker – trotz seines Humors – ab und zu vergangen: Aufgrund der Krankheit schaffte er es manchmal kaum, mit seinem Hund Trevor nach draussen zu gehen: Die Luft ging ihm aus, er kam ständig ins Schnaufen, es wurde ihm schwindlig. Er brauchte einen Stock. War ständig müde, schnell erschöpft und lustlos.
«Zu merken», sagt Philipp Fankhauser, «dass einem der Körper wegstirbt, ist eine furchtbare Erfahrung. Ich hatte Angst, Endzeitstimmung und eine Phase von Mitleid mit mir selber: Ich dachte, ich müsse sterben.»
Auf der Bühne hingegen ist dem 60-Jährigen nichts anzusehen, nichts anzumerken: Er bluest mit seiner Band die Hallen, spielt vom Januar letzten Jahres bis zum Eingriff im Juli fünfzig Konzerte. Mit Müh’ und Not schaffte er es jeweils auf Bühne. «Dort angelangt, war die Energie jeweils da. Adrenalin pur. Da war ich wieder der Fankhauser von früher.»
Kalte Füsse
Bis zum Schnitt am 25. Juli. Vorher bekommt er kalte Füsse. Liest zu vieles über die Krankheit im Internet, das ihm Angst macht. Denn die Therapie ist mit etlichen Risiken behaftet. «Ich fragte mich, ob die zwei Jahre reichen, die mir ohne Transplantation bleiben würden», sagt der Mann mit der besonderen Stimme. «Lebensmüde war ich nicht. Aber auch nicht mehr lebensfroh.» Doch einer seiner Ärzte, der über die Jahre zu einem Freund und Vertrauten geworden ist, lässt ihm den Rückzieher nicht durchgehen. «Er hat mich angeschnauzt und sagte, dass ich das gefälligst machen soll. Da habe ich halt eingelenkt. Heute bin ich ihm dankbar. Er hat mir den Tritt gegeben, den ich nötig hatte.»
Unendlich dankbar
Philipp Fankhauser will es nun wenigstens versuchen. Sich ans Mögliche herantasten, es ausloten. Zumal er vom Glück begünstigt ist: Es findet sich ein Spender! «Diesem Menschen irgendwo auf der Welt, der mir seine Stammzellen geschenkt hat, bin ich unendlich dankbar, dass er das auf sich genommen hat. Dank ihm lebe ich! Und anders als bei einer Organspende lebt auch dieser Mensch. Irgendwo auf der Welt.»
Am liebsten möchte Philipp Fankhauser seinen Spender kennenlernen. Aufgrund des Datenschutzes ist dies nicht möglich. Briefe jedoch werden weitergeleitet. «Ich habe vor, ihm noch zu danken. Ihm habe ich ja mein neues Leben zu verdanken.»
Zweites Leben
Die Therapie führt zu einem Reset für den ganzen Körper. Der 60-Jährige hat ein Immunsystem wie ein Neugeborener: Er ist eine Neugeburt, neu geboren. Dies bedeutet zwar, das Immunsystem neu aufzusetzen und zu trainieren. Hat aber einen äusserst erfreulichen Nebeneffekt: Morbus Bechterew, eine rheumatische Erkrankung der Wirbelsäule, ist weg – und damit ist er die starken Schmerzen los, die Philipp Fankhauser schon so lange begleiten.
Bei allem Dunklen in seinem Leben hilft ihm der Blues. Denn mit ihm hat Philipp Fankhauser seine Berufung gefunden. Die er, sofern die Gesundheit mitspielt, nun wieder leben kann. Zum Glück. Dank Glück.
Wie ein Sechser im Lotto
Die Krankheit, die Philipp Fankhauser hatte, heisst Myelofibrose. Sie ist sehr selten. Dabei ist das Knochenmark lebensgefährlich erkrankt. Es kann zu wenig Blut produzieren. Passende Spender:innen zu finden, ist wie ein Sechser im Lotto. «Stimmen zwölf Komponenten zwischen Spender und Empfänger überein, spricht man von einem idealen Verlauf», erklärt der Bluesmusiker. «Bei mir gibt es elf Matches. Lediglich die Blutgruppe stimmt nicht überein. Das ist aber der unwichtigste Faktor. Jetzt habe ich eine neue Blutgruppe.»
Die Behandlung von Myelofibrose ist mit vielen Risiken behaftet. «Es kann sein, dass die neuen Stammzellen den Körper abstossen. Das ist dann heftig. Davor hatte ich Angst.» Zudem liegt das Risiko, in den ersten gut drei Monaten nach der Transplantation zu sterben, bei 20 bis 30 Prozent. Philipp Fankhauser übersteht diese Phase ebenso wie die Zeit danach: «Ich hatte null körperliche Reaktionen. Als hätten sie via Katheter Wasser reingelassen – und keine braunbeige Suppe namens Stammzellen.»
Drei Mal zwanzig
Als er elf ist, entdeckt der gebürtige Thuner Philipp Fankhauser die Liebe zu schwarzer Musik, insbesondere zum Blues. Mit der 1987 gegründeten «Checkerboard Blues Band» geht er dreizehn Jahre auf Tour. Ab Ende der 1990er-Jahre nimmt er fast zwanzig CDs auf, solo oder mit diversen Bands. Regelmässig ist er in der Schweiz und in Europa sowie in den USA mit Konzerten unterwegs. 2015 gewinnt er den Swiss Music Award als bester männlicher Künstler. Acht Jahre später wird er für zwei weitere solche Preise nominiert.
Seit März ist Philipp Fankhauser mit seiner Band wieder live auf der Bühne zu sehen, diesmal unter dem Motto «three times twenty» (drei Mal zwanzig):
Sonntag, 10. März, in Wolhusen LU
Mittwoch, 13. und Donnerstag, 14. März, in Burgdorf
Weitere Konzerte: www.philippfankhauser.com