«Möge die Heilige Geisteskraft die Pfarrei behüten und leiten», wünscht Regina Müller «ihrer» Pfarrei Heiliggeist. Foto: Pia Neuenschwander

«Im Bernbiet kennt man Pfarrerinnen»

Regina Müller geht in Pension.

Ikebana, Nähkurse und Zeit für Freund:innen: Nach fast 30 Jahren als Gemeindeleiterin der Pfarrei Belp freut sich Regina Müller auf neue Themen. Ende August geht sie in Pension.

Von Sylvia Stam

Ärztin oder Goldschmiedin wollte Regina Müller werden, als sie noch Primarschülerin in Burgdorf war. Grösser als ihr Talent für Naturwissenschaften und ihre kreative Geschicklichkeit war jedoch ihr Interesse an Menschen und Kulturen. Als Tochter einer katholischen Mutter und eines reformierten Vaters wuchs sie katholisch auf, wechselte aber nach der Firmung in den reformierten Religionsunterricht, «weil der Pfarrer dort die Weltreligionen behandelte», erzählt sie.

Es sollte wegweisend sein: Über ihren Cousin Richard Friedli, damals Professor für Religionswissenschaften an der Universität Freiburg, kam sie auf die Idee, Theologie mit Fokus auf Religionswissenschaften zu studieren. Eine Anstellung innerhalb der Kirche habe sich allerdings erst im Jahr der Berufseinführung konkretisiert.

Eigene Definition von «Gehorsam»

Nach nur wenigen Berufsjahren in den Pfarreien Meggen LU und Köniz übernahm sie 1993 mit 35 Jahren die Gemeindeleitung in Belp. In das Leitungsamt habe sie reinwachsen müssen, gibt sie unumwunden zu. Allerdings sei Belp eine kleine Pfarrei. «Wir sind hier im Bernbiet, da kennt man Pfarrerinnen», entgegnet sie auf die Frage, wie die Gläubigen auf die weibliche Leitung reagiert hätten. Dennoch merke sie in manchen freikirchlichen Kreisen sporadisch immer noch, dass eine Frau in Leitungsfunktion nicht überall selbstverständlich sei.

Trotz ihrer Funktion hält Regina Müller nicht viel von Hierarchien. Geprägt wurde sie durch die feministische Theologie und die Befreiungstheologie. Schon in ihrem Bewerbungsschreiben für die Institutio formulierte sie 1988 gegenüber dem damaligen Basler Bischof Otto Wüst ihre eigene Definition von «Gehorsam». Dies umfasse für sie «das Horchen auf die Zeichen der Zeit» sowie «das gemeinsame Suchen nach Lösungen in Konfliktsituationen», heisst es darin. Im Gespräch ist denn auch viel vom Team die Rede, ohne das ihre Arbeit nicht denkbar wäre.

Auf die Gläubigen hören

«Mir war es wichtig, gemeinsam Neues anzupacken», erzählt Regina Müller. Sie und ihr Team hätten «glost», was die Leute wünschen. Auf diese Weise sei das Projekt «Rel-Action» entstanden, das den gemeinsamen Religionsunterricht für die 5. bis 8. Klassen auf vier Projekttage fokussiert, die auch offen sind für Erwachsene. Stolz ist sie auch auf die «Sorgende Gemeinde» – ein Projekt der Nachbarschaftshilfe, das die Kirche mitinitiiert hat.

Nicht vermissen wird sie die Sitzungen und alles Administrative: Gottesdienstpläne mussten erstellt, Mitarbeitendengespräche geführt werden. Zudem war sie rund um die Uhr ansprechbar im Notfalldienst für Beerdigungen.

Eine Kirche in Zeltform

Jetzt freut sie sich darauf, dass «Freundinnen und Freunde nicht mehr fragen, wann ich Zeit habe, sondern dass wir gemeinsam einen Termin suchen können», sagt sie lachend. Für die Auseinandersetzung mit dem Enneagramm, einer Typenlehre über Persönlichkeitsstrukturen, und für Ikebana, der japanischen Blumensteckkunst, wird sie nun ebenso Zeit haben wie für Nähkurse in Upcycling, dem Wiederverwerten von Materialien.

Der Kirche wünscht sie, «dass sie das lebt, was sie verkündet», sagt sie und schmunzelt. «Traditionen sind nicht in Stein gemeisselt», erläutert sie mit Blick auf Gleichberechtigung und Hierarchien. «Die Kirche Heiliggeist ist in Zeltform erbaut – ein Bild dafür, dass die Pfarrei ihre Zelte immer wieder neu aufbaut.»

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