Mut zur Lücke. Foto: Pia Neuenschwander

Im Denken, Tun und Lassen fasten

Wie Fastenmuffel das Fasten angehen könnten

Manche Menschen möchten fasten, doch es bekommt ihnen nicht gut. Gabriele Berz-Albert zeigt, dass fasten mehr ist, als nichts essen. Sie geht es anders an.

Von Gabriele Berz-Albert*

Ehrlich gesagt ist Fasten nicht wirklich meine Sache. Ich bewundere aus tiefstem Herzen alle, die das so «richtig» können. Meine eigenen Versuche «richtig» zu fasten, sind in der Vergangenheit alle so kläglich gescheitert, dass ich aufgegeben habe. Schon ausserhalb der Fastenzeit möchte ich mir selbst lieber nicht begegnen, wenn ich Hunger habe. Abgesehen davon, dass mir schwindlig wird, fressen mir zu wenig Nährstoffe im Bauch als Allererstes das Hirn auf: Ich werde ungeduldig, kratzbürstig, streitsüchtig, sehe die Welt und die anderen rabenschwarz, finde mich unausstehlich und das Leben an sich grau und sinnlos bis zum Verzweifeln. Und dann denke ich jedes Mal, ein solches Fasten dient eigentlich niemandem. Das muss nicht sein. Aber wie dann?

Einem Fastenmuffel wie mir sollte doch trotzdem möglich sein, was die Fastenprofis berichten. Auch solche wie ich müssten es irgendwie schaffen, so zu fasten, dass Leib, Seele und Geist durchgeputzt und gereinigt werden, so dass sie wieder mit sich und der Welt in Einklang kommen. Auch solchen wie mir sollte es doch gelingen, wieder achtsamer und verbundener mit anderen, mit der Schöpfung und mit Gott zu leben und den Faden nach oben und rechts und links zu stärken, bis er wieder fest und belastbar ist. Nicht zuletzt sollte es doch auch solchen wie mir irgendwie möglich sein, fastend und aktiv ihren Beitrag zum achtsamen Umgang mit dem Klima oder sogar zu seiner Verbesserung zu leisten.

Plötzlich weiss ich, worauf ich in diesem Jahr fasten will: Ich faste auf das schlechte Gewissen, nicht «richtig» zu fasten. Und nicht nur das. Ich will auch auf das Gefühl fasten, das dahintersteckt, das Gefühl, so viele Dinge nicht «richtig» zu machen. Ich will fasten auf meinen Perfektionismus, der sich nie ganz zufriedengibt, weil es ja immer noch ein bisschen besser ginge … Ich will darauf fasten, mich selbst unter Druck zu setzen und gebe mir höchstpersönlich drei Worte als Fastenbefehl, die da heissen: Mut zur Lücke.

Das schlechte Gewissen und «noch schnell»

Als Zweites möchte ich auf negative Gedanken fasten. Und auch da gehört wieder dazu, was dahintersteckt. Ich möchte fasten auf die Anmassung, ich müsse die ganze Welt neu erfinden oder verbessern, die mich ab und zu und bevorzugt in der Nacht besucht und mir dann den Schlaf raubt. Ich möchte fasten auf die negativen Gedanken über andere und ihnen zutrauen, dass sie ihr Bestes geben und es am Ende schon gut kommt, auch wenn sie die Dinge anders tun als ich. Ich möchte dadurch wieder besser sehen, wie gut es ist, die Stärken und Schwächen miteinander zu teilen, wenn man gemeinsam an etwas Grösserem bauen will.

Und als Drittes möchte ich versuchen, auf das Wort schnell zu fasten. Ich werde versuchen, nicht noch schnell Mails zu beantworten und schnell die Wäsche aufzuhängen und schnell einkaufen zu gehen und die Kollegin schnell zu begrüssen und schnell zu googeln, was irgendein Wort bedeutet, und schnell anzurufen, um zu fragen, wie es geht. Ich will versuchen, nicht schnell zu leben, sondern hier und jetzt. – So etwa möchte ich fasten.

Ich fürchte, dass mir dieses Fasten schwerer fallen wird als der Verzicht auf den Wein, den ich eh selten trinke und auf das Stück Schoggi, das so schrecklich schlecht ja gar nicht sein kann, wenn es den Nerven zwischendurch so gut tut … Ich weiss nicht einmal, ob dieses Fasten viel bewirkt. Ich habe sogar den leisen Verdacht, dass ich ohne den Perfektionismus gar nicht viel schlechter, ohne die negativen Gedanken nicht öfter enttäuscht und ohne das schnell nicht wirklich langsamer sein werde. Aber ich habe doch die zarte und hartnäckige Hoffnung, dass durch diese Art von Fasten das Klima in mir und um mich herum ein wenig entspannter, hoffnungsfroher, friedlicher, zuversichtlicher, gerechter werden könnte. Immerhin wäre das ja ganz gut auf dem Osterweg.


*Gabriele Berz-Albert ist Gemeindeleiterin Bruder Klaus, Spiez

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