Am 24. März spricht Kathleen Bühler, Chefkuratorin des Kunstmuseums Bern, mit dem Theologen André Flury über das radikale und poetische Werk «Shooting Down Babylon» der südafrikanischen Künstlerin Tracey Rose.
Interview: Vera Rüttimann
«pfarrblatt»: Museen kommen am Thema Religion nicht vorbei …
Kathleen Bühler: Nein. Als Kunsthistorikerin weiss man, wie stark die Kunst von Religion geprägt ist. Die ganze mittelalterliche Kunst bis in die Renaissance war kirchliche Auftragskunst. Ein weiterer Aspekt: In der heutigen globalisierten Welt kommen Religionen von anderen Kulturkreisen ins Spiel. Dabei wird unter Umständen die Kirche mit ihrer kolonialen Geschichte konfrontiert.
Warum ist ein Museum dafür ein guter Ort für die Veranstaltungsreihe «Kunst und Religion im Dialog»?
Wir denken, dass das Museum generell ein guter Ort ist, um über gesellschaftliche Wertvorstellungen zu diskutieren. Nur schon, wenn man über Ethik oder Moral spricht, sind oft christliche Werte gemeint. Man sagt auch, dass Museen heute die Rolle übernehmen, die früher die Kirche hatten. Umgekehrt besuchen viele Kirchen wie ein Museum. Beide Orte haben Gemeinsamkeiten: Sie zeigen Kunst und es geht um das Metaphysische.
Was fasziniert Sie an der südafrikanischen Künstlerin Tracey Rose?
Zunächst ihre Biographie: Die Künstlerin wurde 1974 in Durban in eine Familie von schwarzen Südafrikaner:innen hineingeboren. Sie besuchte eine katholische Mädchenschule. Ihr Vater hat sich in der Jugendarbeit engagiert. Ihre Mutter hat eine Gewerkschaft geleitet im Kampf gegen die Apartheid. Ihr ist das Kämpferische gewissermassen in die Wiege gelegt worden. Mit ihrer Kunst lehnt sie sich gegen Ungerechtigkeit auf. Nicht nur in der südafrikanischen Gesellschaft, sondern auch im Kunstbetrieb, wo sie als schwarze Frau diskriminiert wird. Ihre Kunst dreht sich immer wieder um Diskriminierungen aller Art.
Welche Themen setzt Tracey Rose in «Shooting Down Babylon» um?
In ihren humorvollen, aber auch drastischen Kunstwerken beschäftigt sie sich mit Rassismus und Sexismus. Dabei versucht sie, zum Ursprung von Ideologien vorzudringen, wie etwa der Bibel und ihrer Schöpfungsgeschichte in der Bibel. Denn die meisten Heiligenbilder zeigen Jesus, Gott und die Gottesmutter Maria als weisse Menschen. Aus einer afrikanischen Perspektive ist das befremdlich. Sie kommen schlicht nicht vor. Gleichzeitig sind die ältesten Überreste von Menschen in Äthiopien gefunden worden. Als Künstlerin hat sie die Freiheit, diesen Themenkomplex als absurdes Theater zu gestalten. In der Ausstellung ist das auf witzige Weise verwirklicht.
Was lösen ihre Werke in Ihnen persönlich aus?
Bilder entstehen in Übereinstimmung mit unseren Werten und unserem Weltbild. Wenn sie ideologisch eingesetzt werden, können sie verheerende Wirkung zeigen. Tracey Rose setzt fest verankerten Bildern, Stereotypen und Klischees etwas entgegen. Dabei nutzt sie auch satirische Überspitzung. Sie hält uns damit jedoch einen Spiegel vor. Denn in der Schweiz hat bei manchen die Auseinandersetzung mit der kolonialen Vergangenheit erst begonnen. Für mich ist diese Ausstellung eine Gelegenheit, darüber nachdenken, inwiefern wir, ich, Rassismus in unserem Alltag selber ausüben.
Kunst und Religion im Dialog, 15.00–16.00:
So, 24. März, in der Ausstellung Tracey Rose, Kunstmuseum Bern, mit dem Theologen André Flury.
So, 2. Juni, in der Ausstellung Albert Anker, mit der Theologin Angela Büchel Sladkovic.
Weitere Daten: So, 8. September, 20. Oktober, 24. November.
Online-Tickets