«Ich fühle mich als Teil einer dienenden Kirche» Francesco Marra vor der katholischen Kirche in Herzogenbuchsee. Foto: Pia Neuenschwander

«In einer universalen Kirche ist niemand fremd»

Francesco Marra leitet neu den Pastoralraum Oberaargau

Francesco Marra, 48, hat in Rom und Luzern Theologie studiert. Seit 2001 hat er im Bistum Basel vom Religionsunterricht bis zur Leitung ad interim praktisch alles gemacht. Seit 1. September bringt der gebürtige Italiener seinen Erfahrungsschatz als neuer Leiter des Pastoralraums Oberaargau ein.

Interview: Anouk Hiedl

«pfarrblatt»: Sie leben seit 26 Jahren in der Schweiz. Wie haben Sie die hiesige katholische Kirche am Anfang wahrgenommen?

Francesco Marra: Anfänge fordern immer eine gewisse Anstrengung – es geht ums Kennenlernen und Verstehen. Mein erster kirchlicher Kontakt fand hier Herzogenbuchsee statt. Ich glaube, die hiesige Kirche war damals besser vorbereitet, mich aufzunehmen als ich vorbereitet war, sie zu verstehen. Aber ich bin nicht bei meinem ersten Eindruck stehen geblieben und habe mich immer willkommen gefühlt. Jetzt ist es an mir, andere hier willkommen zu heissen.

Mussten Sie sich ursprünglich zwischen Ihrer deutschsprachigen Wohnpfarrei und der italienischsprachigen Mission entscheiden?

Nein, dieses Dilemma hatte ich nie. Ich bin Teil einer zweisprachigen Familie und einer universalen Kirche. Wir haben immer sowohl am Leben der Missionen und an dem der Pfarreien teilgenommen. Auch heute noch gehöre ich immer zur selben Kirche, sei es in deutsch-, französisch, kroatisch-, italienisch- oder englischsprachigen Liturgien. Niemand ist fremd.

Warum wollten Sie Seelsorger werden?

Das ist ganz natürlich und graduell passiert. Da war immer jemand, der mich anfragte oder einlud, irgendwo mitzuhelfen, und ich sagte spontan zu. Dabei ist mein Glaube und damit auch mein Zugehörigkeitsgefühl gewachsen. Da gibt es einige Analogien zu meiner ersten Berufung: Ich habe meine Frau kennengelernt und sie geheiratet, weil ich sie zutiefst liebe und mich mit ihr als Teil eines Gemeinsamen fühle. Ich bin Seelsorger geworden, weil ich Jesus Christus in einer Kirche kennengelernt habe, die dient und auf dem Weg ist. Ich fühle mich als Teil davon.

Sind Sie deshalb 2017 auch Diakon geworden?

Jede Berufung wächst auch aus einem Wunsch nach Zugehörigkeit zwischen dem Berufenen und dem Rufenden, aus einem Wunsch nach Identifikation mit dem anderen. Für mich war der Aspekt des Dienens, die Diakonie, immer wichtig. In einer Kirche, in der ich Anderen diene, habe ich mich wiedererkannt.


Welche Vorteile bringt es, Diakon statt Priester zu sein?

Ehemann und Vater zu sein, ist hilfreich für mich. Doch ich kenne auch Kolleg:innen, die es nicht sind und einen ausgezeichneten Dienst tun. Mit einem Freund, der Priester ist, haben wir einmal zum Spass eine Liste der Vor- und Nachteile des Diakon- respektive Priester-Seins gemacht. Am Ende waren wir uns einig: Nicht das Diakon- oder Priester-Sein, sondern das Diakon-Sein oder Priester-Sein ist wesentlich – sich selbst zu sein und die persönliche Berufung zu leben. Das kann man unter anderem als Bischof, Pfarreiseelsorger:in, Theolog:in, Diakon, Priester oder Katechet:in tun.

Seit bald drei Monaten leiten Sie den Pastoralraum Oberaargau. Hat dieser seine Probezeit bestanden?

Was mich betrifft, fühle ich mich zu Hause! Als Philippe Groux mich an meiner ersten Sitzung mit dem Kirchgemeinderat willkommen hiess, war ich kurz verwirrt und dachte: Was? Meine erste Sitzung? Ich hatte das Gefühl, schon lange mit diesen Menschen zusammenzuarbeiten. Dafür bin ich allen sehr dankbar.

In welche Richtung möchten Sie den Pastoralraum lenken?

Die Frage ist, wohin werden wir unseren Pastoralraum gemeinsam entwickeln? Wir haben bistumsweite pastorale Schwerpunkte, die ich teile. Wir haben ein kompetentes Team und verschiedene sehr engagierte Freiwillige wie den Pfarreirat oder den Frauenverein. Da gibt es viele, die wissen, in welche Richtung es gehen soll. Ich habe die Leitung übernommen, aber unsere Ziele, Tempi und die Art, wie wir etwas tun, sind eine gemeinsame Sache. 2023 werden wir uns mit neuem Personal und neuen Projekten unter anderem für die Diakonie und die Gemeinschaftsbildung einsetzen.

Kaplan Josef Wiedemeier hat ein interessantes Projekt der Glaubenskommunikation für Erwachsene entwickelt, das bald startet, und er pflegt auch intensive ökumenische Beziehungen. Kaplan Arogya Reddy Salibindla ist ebenso engagiert in der Liturgie. Carmen Amman und die Katechetinnen kümmern sich um die Initiationssakramente und tun wichtige Arbeit an der Basis. Mit unserem Kirchgemeinderat entwickeln wir unser Kommunikationskonzept weiter, und unsere Sekretärinnen unterstützen uns dabei tatkräftig.

Kann der aktuelle Reformprozess der Kirche gelingen?

Ja. Auch ich bin mit Vielem aus dem Status quo nicht einverstanden. Ich kann warten und hoffen – oder mit meinem Tun und Reden dranbleiben. Ich habe keine Alternative.

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