Koscher Käsen mit Christoph Rubi (links) und Rabbiner Michael Kohn. Foto: Christoph Knoch

Interreligiöse Zusammenarbeit mit «Laib» und Seele

Koscherer Käse aus dem Gürbetal

Christoph Rubi und Michael Kohn betreiben interreligiöse Zusammenarbeit mit «Laib» und Seele. Denn der reformierte Käsermeister stellt unter der Aufsicht des Rabbiners koscheren Käse her.

von Erik Brühlmann

Treffen sich ein Rabbiner und ein Käser in der Dorfchäsi Wattenwil … Was wie der Beginn eines zotigen Witzes klingt, ereignet sich im Gürbetaler Dorf tatsächlich jeden Monat einmal. Der Rabbiner ist Michael Kohn, der Käser Christoph Rubi – und gemeinsam stellen sie koscheren Käse her. «Es gibt zwar in der Schweiz koscheren Käse, aber der schmeckt ehrlich gesagt nicht», sagt Rabbiner Michael Kohn.

Der gebürtige Norweger ist in Bern dank seiner YB-Kippa auch ausserhalb der Jüdischen Gemeinde bekannt. «Irgendwann hatte meine Frau Dorit genug und sagte zu mir: ‹Wenn diese Ehe Bestand haben soll, musst du für guten koscheren Käse sorgen!›», fährt Rabbiner Michael Kohn schmunzelnd fort. Also machte er sich auf die Suche. Nach einer Weile bekam er von einem Gemeindemitglied den Tipp mit der Dorfchäsi. Kurzerhand rief er Christoph Rubi an. «Und deshalb bin ich immer noch verheiratet!»

Offene Türen eingerannt

«Mich hat der Anruf sehr gefreut», erinnert sich Christoph Rubi, «denn meine Familie ist schon lang mit Israel verbunden. Meine Grosstante verbrachte ihren Lebensabend in einer christlichen Gemeinschaft in Israel.» Auch der Käser selbst war stets von Israel fasziniert. «Ich bin reformiert, aber ich betrachte das Judentum von meinem Glauben her als den grossen Bruder des Christentums.»


Mittlerweile haben Rubis durch mehrere Besuche in Israel viele Bekanntschaften geschlossen. Der Gedanke, einmal selbst koscheren Käse herzustellen, hatte ihn schon länger beschäftigt. Der Anruf aus Bern war der Startschuss für das Projekt.

Der Weg zum koscheren Käse

Aber halt, Käse ist doch ein Milchprodukt, meist aus Kuh-, Schaf- oder Ziegenmilch. Alle diese Rohstoffe sind nach den jüdischen Speisegesetzen, als Kaschrut bezeichnet, grundsätzlich erlaubt, weil sie von erlaubten Tierarten stammen. «Aber damit aus der Milch Käse wird, braucht es eben Lab», erklärt Christoph Rubi, «dieses Enzym wird traditionellerweise aus Kälbermagen gewonnen.» Und damit wird es kompliziert, denn nach den Regeln der Thora darf Milchiges und Fleischiges nicht vermischt werden: «Du sollst das Böcklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen.»

Glücklicherweise gibt es mittlerweile Lab auf pflanzlicher Basis. Es macht den Käse vegetarisch – aber noch nicht koscher. Für diesen Zusatzschritt ist die Mitwirkung des Rabbiners gefragt. Idealerweise müsste die Herstellung koscheren Käses mit separaten Geräten ausgeführt werden. Dafür ist in der kleinen Dorfchäsi jedoch kein Platz, also muss das Vorhandene gekaschert werden, damit das tierische Lab aus der normalen Produktion nicht in den koscheren Käse gelangen kann.

«In der Praxis bedeutet es einfach, alle verwendeten Gerätschaften unter meiner Aufsicht mit heissem Dampf zu behandeln», erklärt Rabbiner Michael Kohn. «Das ist keine spirituelle Handlung, sondern es geht wirklich darum, alle Spuren des tierischen Labs zu beseitigen.»

Eigenes Salzbad, eigene Bürste

Die Kaschrut können verschieden streng ausgelegt werden. Bei strenger Auslegung müsste die Herstellung von A bis Z entweder persönlich oder per Kamera überwacht werden, und der Rabbiner müsste selbst Hand anlegen. Aus praktischen Gründen ist dies jedoch eine zu hohe Hürde. Also mussten der Rabbiner und der Käser zunächst einmal die Details der Herstellung besprechen, damit der Käse am Ende doch den Koscher-Stempel erhalten kann.

Gelagert wird die koschere Variante anschliessend getrennt vom normalen Sortiment, und für die regelmässige Pflege stehen ein separates Salzbad und eine eigene Bürste zur Verfügung. Auf die Überwachung dieser Aktivitäten verzichtet der Rabbiner jedoch. «Es war schnell ein gegenseitiges Vertrauen vorhanden», sagt Christoph Rubi.

Geld ist nicht alles

So entstehen in der Dorfchäsi in Wattenwil koschere Käse mit klingenden Namen wie King Salomon, King David, Mirjam, Aaron oder Moischele. Geschmacksunterschiede zum herkömmlichen Käse gibt es kaum.


Stösst Christoph Rubi jetzt also in eine echte Marktlücke? Der Käser winkt ab. «Ich freue mich, dass ich meinen koscheren Käse verkaufen kann, mittlerweile auch schon nach Lausanne und Basel. Aber das Business hat für mich in diesem Fall keine Priorität. Ich sehe das als einen Dienst an Israel und am jüdischen Volk.» Er geht sogar so weit, dass er die 15 Prozent Aufpreis, die der koschere Käse kostet, einmal pro Jahr der Jüdischen Gemeinde Bern überweist. Diese Einstellung hat Rabbiner Michael Kohn von Anfang an imponiert: «Es gibt hier nicht genug Juden, um mit koscherem Käse reich zu werden», sagt er, «und so viel Käse isst meine Frau nun auch wieder nicht!»

Bald wird Christoph Rubi seinen koscheren Käse wohl auch nach Oslo verschicken. Denn Rabbiner Michael Kohn wurde am 11. Juni verabschiedet; er verlässt die Jüdische Gemeinde Bern und zieht zurück in seine norwegische Heimat. Dies ist jedoch nicht das Ende des Projekts. Wie es genau weitergeht, wird derzeit vertrauensvoll ausdiskutiert.

 

 

 

 

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