In der Moschee des Islamischen Kulturzentrums Thun wurde ein weiterer Meilenstein erreicht auf dem Weg zu einem besseren interreligiösen Dialog. Im Zentrum des Besuchs von Abt Urban Federer stand die Vermittlung von Wissen über den Islam. Imam Azir Aziri warb seinerseits für gegenseitigen Respekt und ein friedliches Zusammenleben der Religionen.
von Antonio Suárez
Die Moschee des Islamischen Kulturzentrums Thun und deren Imam Azir Aziri waren am 1. Februar Gastgeber beim Besuch eines hohen katholischen Würdenträgers. Pater Urban Federer, Abt des Klosters Einsiedeln und Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz, war gemeinsam mit seiner Gymnasialklasse eingeladen. Am Anlass nahm zudem Imam Salji Ibrahimi von der Islamischen Gemeinschaft Bern teil. Vermittelt und mitorganisiert hatte das Treffen Hans H. Weber, seines Zeichens Zentrums-Beauftragter für den religiös-kulturellen Dialog und ehemals Ökumene-Beauftragter der Thuner Pfarrei St. Marien.
Der Anlass reiht sich in eine Abfolge diverser interreligiöser Begegnungen ein, die zwischen der Thuner Muslimgemeinde und dem Kloster Einsiedeln stattgefunden haben. So waren in der Vergangenheit bereits 17 Imamschüler im Schwyzer Konvent gewesen.
Das Islamische Kulturzentrum betreut Muslime sunnitischer Glaubensrichtung aus der Region Thun und dem Berner Oberland und ist Mitglied des Dachverbands der Albanisch-Islamischen Gemeinschaften der Schweiz.
Lehrreicher Vortrag zum Islam
Nach der rituellen Lesung aus der Sure Maryam durch den Berner Gastimam Ibrahimi, hielt Zentrumsvorsteher Aziri einen lehrreichen Vortrag über die sechs Glaubensgrundsätze und die fünf Säulen des Islam sowie über die fünf konstitutiven Bauelemente einer Moschee. Der aus dem nordmazedonischen Skopje stammende Vorbeter leitet die Thuner Moschee seit 2018. Er hatte sich im saudischen Medina zum Religionsgelehrten ausbilden lassen und in seiner Heimat rund zehn Jahre lang Religionskunde an öffentlichen Schulen unterrichtet.
Während der Präsentation spielte er ein Video eines Adhāns ab, also eines Gebetsrufs, wie er von Muezzinen fünfmal am Tag auf Arabisch vorgetragen wird. Inhaltlich hob der Islamgelehrte die Bedeutung des Korans als letzte schriftliche Offenbarung Allahs hervor, betonte aber auch die Gleichstellung aller Propheten im Glauben sowie die religiöse Pflicht eines jeden Muslims, alle Menschen unabhängig von Ethnie, Geschlecht oder Religion zu respektieren.
Nach dem Referat wurde auf dem exakt nach Mekka ausgerichteten Teppichboden Platz gemacht für die 27 Gläubigen (darunter drei Frauen), die fürs Nachmittagsgebet die Moschee aufsuchten. Erst im Anschluss daran, beantwortete der Imam Fragen der Schülerinnen und Schüler, bei denen es vorwiegend um Themen wie die Kopfbedeckung und die Rolle der Frauen im Islam ging. Feierlicher Abschluss bildete ein Häppchen-Apéro mit Köstlichkeiten aus dem Balkan.
«Du musst es nicht glauben, aber Du musst es wissen.»
Ganz im Sinne dieses Leitspruchs, den sich der Islamische Kulturverein in seinem durch Grasboden-Arbeit entstandenen Praxis-Grundsatz beim interreligiösen Dialog selbst auferlegt hat, betonten sowohl Abt Federer als auch Imam Aziri die Bedeutung des gegenseitigen Wissensaustauschs.
Der Imam bezeichnete den Besuch des Abts als «historisches Ereignis». Dieser Austausch sei «sehr wichtig» für das «friedliche Zusammenleben» und für den «gegenseitigen Respekt zwischen Muslimen und Christen».
Abt Federer unterstrich seinerseits, dass man mehr voneinander wissen müsse, «denn sonst bleibt alles nur auf der Ebene der Gefühle». Zwar sei Wissen kein Allheilmittel, um Frieden zu schaffen, «aber es kann dabei helfen, zu verstehen und aufeinander zuzugehen». Ein Vorortbesuch sei «tausendmal wichtiger» als jeder Dokumentarfilm über eine Wallfahrt nach Mekka, fügte der Klostervorsteher in seiner Dankesrede hinzu. Besonders erfreut zeigte er sich über die die Gelegenheit, dem Nachmittagsgebet beizuwohnen. «Für mich persönlich ist das Gebet beeindruckender als jede Präsentation, weil ich dann wirklich sehe und spüre, wie Menschen ihren Glauben leben».
In den entstehenden Dialog setzt der Abt grosse Hoffnungen: Ziel sei nichts Geringeres als Frieden, hielt er am Ende des feierlichen Besuchs im Gespräch mit dem Pfarrblatt fest. Zwar würden Religionen instrumentalisiert und spielten oft eine unrühmliche Rolle, wenn auf der Welt teilweise Unfriede herrsche. Doch könne man die Religionen auch zum Guten nutzen. «Und dafür kämpfe ich.»