Sport solle keine Ersatzreligion werden, Eurogames-Teilnehmer Manuel Alonso. Foto: Philipp Koch, Imagestudio

«Jeder spricht mit dem Verstand, den er hat»

Manuel Alonso möchte an den Eurogames glänzen

Sport bedeutet Manuel Alonso die Welt. Doch er ist weder sportsüchtig noch ist Sport ein Ersatz für Religion – ehrgeizig ist er: An den Eurogames Ende Juli in Bern, für die tausende Sportler:innen nach Bern reisen, will er für die Schweiz Top-Resultate erzielen.

von Marcel Friedli

Frisch geduscht und entspannt präsentiert sich Manuel ­Alonso an diesem Montagnachmittag. Zwei Stunden Training hat er hinter sich, hat seine Brust- und Armmuskeln gestählt. Dies wird ihm nützen für die eine Disziplin, in der er an den Eurogames in Bern startet: Hyrox Challenge, wozu auch Kraftübungen gehören (siehe Kasten).

Um auch für seine zweite Disziplin, Leichtathletik, fit zu sein, geht der 41-Jährige in weiteren Trainings joggen. So widmet er sich fünfmal pro Woche eineinhalb Stunden dem Sport: um für die Berner Eurogames – den Europameisterschaften der LGBTIQ-Athlet:innen – in Hochform aufzulaufen. Manuel Alonso, der in der Nähe von Thun lebt, hat Grosses vor: Mindestens in den Top Ten will er sich rangieren. Er mag es, an Grossanlässen zu starten, auch wegen der Stimmung.


Hinstehen

Seine Freude geht über die persönliche Dimension hinaus: «Ich hoffe, andere zu motivieren, sich sportlich zu betätigen. Und ich will dazu ermuntern, zu sich zu stehen.» Er selber hat das gemacht, bis zu einem gewissen Grad: In seiner Unihockey-Mannschaft hat er ein paar Kollegen erzählt, dass ihm Männer gefallen. «Vor die ganze Mannschaft hinzustehen und das zu sagen, hätte ich mich damals nicht getraut», sagt er, der in einer kleinen Gemeinde bei Thun lebt. «Das entspricht nicht meiner Art, meinem Typ. Aber ein Geheimnis habe ich nie daraus gemacht.»

Manuel Alonso hat nicht zum Thema gemacht, dass er schwul ist. Beim Eishockey, das er zwölf Jahre spielte, hat er keinem aus dem Team davon erzählt. «Gab es Sprüche gegen Schwule, habe ich sie nicht auf mich bezogen und gedacht: Jeder spricht mit dem Verstand, den er hat. Zumal man selber ja auch nicht gefeit ist, anderen zu nahe zu treten oder sie zu verletzen – ohne sich dessen bewusst zu sein oder dies zu beabsichtigen.»

Auf Signale hören

Sowohl im Eis- wie im Unihockey spielte Manuel oben mit. Doch er gab der Ausbildung den Vorrang und absolvierte eine Lehre im Detailhandel. «Es war schwierig, an Samstagen, wenn die Matches stattfanden, freizubekommen.» Während der Lehre trat der Sport in den Hintergrund. «Mein Körper brauchte eine Pause, die ihm guttat.»

Wie wichtig Pausen sind, ist Manuel Alonso bewusst. «Zwar bin ich schon etwas ehrgeizig», räumt er ein, «aber sportsüchtig bin ich nicht. Ich höre auf die Signale meines Körpers, gönne ihm Pausen und Ausgleich, zum Beispiel mit Yoga.»

Auch sei Sport für ihn keine Ersatzreligion, betont Manuel Alonso. Er gehört keiner Konfession an. «Religion ist oft von Regeln geprägt», findet er. «Ich möchte Freiheit erleben, mit Respekt für die Mitmenschen und die Natur.» Spiritualität sei ein grosses Wort. «In der Natur, in einem wohligen Duft, in einem berührenden Lied oder in einer Yoga-Lektion erfahre ich Spiritualität. Ich erlebe und geniesse sie jeden Tag.»

Heiraten und heiraten

Seit einem knappen Jahr ist Manuel mit Andreas Alonso verheiratet. Nach zehn Jahren registrierter Partnerschaft haben sie diese in eine klassische Ehe umgewandelt. «Etliche dachten, ich sei bereits verheiratet und wunderten sich, dass ich nochmals denselben Mann eheliche. Sie kennen den Unterschied nicht, den die Ehe für alle seit letztem Sommer – zivilrechtlich – ausgeglichen hat.»

Mit Freunden haben Manuel und Andreas Alonso den Bund der Ehe im kleinen Kreis gefeiert. Das grosse Fest war vor zehn Jahren. Mit einer Zeremonie im Tropenhaus Frutigen. «Umgeben von unseren Familien sowie Freundinnen und Freunden, von tropischen Pflanzen und berührender Musik – unvergesslich», schwärmt er. «Das hat uns Kraft und tiefe Dankbarkeit geschenkt: für unsere Liebe, für unsere Familie, für unsere Freunde.»

Es sei nicht sehr viel anders, nun richtig verheiratet zu sein, sagt Manuel Alonso. «Aber es ist schon praktisch, sich nicht mehr zwangsläufig zu outen, wenn man ein Dokument ausfüllt, bei dem man den Zivilstand angeben soll. Obwohl ich kein Problem damit habe: Es soll doch etwas sein, bei dem man selber entscheidet, ob und wem man es erzählt.»

Anders lieben

Manuel Alonsos Mann Andreas macht auch an den Eurogames mit. Als Langstreckenläufer am Zehn-Kilometer-Lauf ergänzt er den Kurzsprinter Manuel. Als Ausgleich und krönenden Abschluss werden die beiden nach den Eurogames an der Pride teilnehmen (siehe Kasten). «Ich finde es wichtig, sich zu zeigen – zu zeigen, wie man ist. Damit die Menschen sehen, dass der, welcher ihnen Kaffee verkauft, anders liebt als andere. Stellvertretend für viele, von denen man das vielleicht auch nicht unbedingt vermuten würde.» so werden Manuel und Andreas im Rahmen der Pride durch Bern ziehen – zusammen mit vielen anderen.

Die Hyrox Challenge, in der Manuel Alonso antritt, ist eine von zwanzig Disziplinen der Eurogames in Bern. Zu dieser trendigen Functional-Fitness-Disziplin gehört unter anderem je ein Kilometer laufen und rudern, Pushups und Übungen mit Bällen. Zu den weiteren Eurogames-Disziplinen gehören Leichtathletik, Volleyball, Fussball, Badminton, Minigolf, Wandern, Tischtennis und – als Première: Tanzen.
 

Eurogames und Pride
Die Eurogames, die vom 26. bis 29. Juli in Bern stattfinden, bringen 3000 queere und heterosexuelle Sportler:innen aus ganz Europa nach Bern. Seit gut dreissig Jahren werden die Eurogames jeweils in einer anderen europäischen Stadt ausgetragen. Die Wettkämpfe stehen im Zeichen von Vielfalt und Inklusion.
Zum Abschluss steigt am 29. Juli ein grosses Fest für die Community und die Berner Bevölkerung: die erste Bern Pride unter dem Motto «Bern wird bunt». Abends werden Nemo und Naomi LaReine auf dem Bundesplatz auftreten. Weitere Infos und Programm: eurogames2023.ch, bernpride.ch

Das Kino Rex in Bern zeigt anlässlich der Eurogames diverse Filme, mit Diskussion und Apéro danach:
25. Juli, 20:30: Breaking The Ice. Eine Eishockey-Kapitänin bricht aus ihrem starren Leben aus.
26. Juli, 18.00: In From The Side. Die leidenschaftliche Affäre zweier Rugby-Spieler sorgt für Aufregung.
27.Juli, 18.00: Building A Movement. Persönliche Erzählung über die Geschichte der Eurogames Infos: rexbern.ch

Diese Website nutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung der Site stimmen Sie deren Verwendung zu und akzeptieren unsere Datenschutzrichtlinien.