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Josef ist gegangen

Eine Erzählung des Berner Autors Konrad Pauli

Von Beatrice Eichmann-Leutenegger

Es geschieht jeden Tag, und doch reisst es die Betroffenen aus der Alltäglichkeit heraus. Ein Partner, eine Partnerin stirbt und hebt mit einem Schlag die langjährige Zweisamkeit auf. Das Thema hat seit jeher Eingang in die Literatur gefunden, auch ins Schaffen zeitgenössischer Schweizer Autorinnen und Autoren wie Hansjörg Schneider («Nachtbuch für Astrid», 2000), Gerhard Meier («Ob die Granatbäume blühen», 2005), Katharina Zimmermann («Und singe dir ein Lied», 2005).

Einen eigenen Weg schlägt der Berner Konrad Pauli (*1944) mit seiner Erzählung «Eva und Josef» ein. Im Oktober 2022 hat er plötzlich seine Ehefrau Silvia verloren. Vom schockartigen Ereignis erzählt er nicht autobiografisch, sondern spiegelt dieses in der Geschichte des Künstlerpaars Eva und Josef. Eine solche Verschiebung führt zu einer grösseren Distanz, welche den Erzählmodus grundiert. Ein verhaltener Text ist entstanden, der mit wenigen Bildern auskommt und eine schmucklose, aber gerade deswegen eindringliche Sprache einsetzt.

Eva steht im Zentrum dieser Innenschau. Ein Jahr ist seit Josefs jähem Tod vergangen. Noch immer wird die Siebzigjährige von Erinnerungen überschwemmt, wenn sie die gemeinsamen Wege geht oder die beiden Zeichentische nebeneinanderstehen sieht. Ihre Lebenslinien verbanden sich seit der gemeinsamen Lehrtätigkeit an der Prager Kunsthochschule. Der Dissident Josef erfuhr die Schrecken des Regimes und lernte die Folterknechte kennen. Aber er sprach kaum darüber, schrieb seine Geschichte nur manchmal in Zeichnungen hinein, einen Tannzapfen zum Beispiel, der sein Inneres blosslegte.

In Eva dringt zunehmend «das Gift der Freudlosigkeit», der Gleichgültigkeit. Auch wenn sie Vermeidungsstrategien einschlägt, um die heranbrausenden Erinnerungen zu bannen, ist Josef da – und eben doch nicht da. Sie erfährt das Herzweh, jenes Gefühl, als ob das Herz tatsächlich gebrochen sei. Sinn- und Kraftlosigkeit beherrschen sie, und von manchen Seiten kommt falscher Trost auf sie zu: Sie solle die Wohnung wechseln, oder beschwichtigend: Es sei doch schon eine Weile her seit dem Todesfall.

In sparsamen Zeichen kündet sich ein Wandel an. Eva beobachtet den Marienkäfer, der sich mit feuchten Flügelchen aus dem Wasser kämpft, sie hört den Gesang eines Vogels, singt leise mit, und der gefiederte Gesell scheint ihr zu antworten. Irgendwann erhält Eva das Angebot einer Galeristin, das Werk des Paars auszustellen. «Zaghaft, als könnte der kleinste Windhauch die Botschaft auslöschen, versuchte sie sich zu freuen.» Denn noch immer lauert Absturzgefahr «in jeder Ecke, bei jedem Schritt».

Konrad Paulis subtile und kluge Erzählung mündet in Evas Entschluss, «zum Gewonnenen, Geschenkten fortan Sorge zu tragen (…). Ein Gesichertes wäre es nie. So wenig, wie das Verlorene jemals neu zu gewinnen wäre».

Konrad Pauli, Eva und Josef. Erzählung. Klaus Isele Editor, D-Eggingen 2024

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