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(K)ein normaler Tag

Kolumne aus der Inselspitalseelsorge

Ein 24-Stunden-Pikettdienst. Start: sieben Uhr morgens.

Motorradunfall am Vormittag, mit Beinamputation, mit einer Frau und einer Freundin. Nach dem Unfall braucht es Klärung. Im Tagesverlauf noch mehrere Gespräche: mit dem Behandlungsteam, mit der Sozialberatung, mit Angehörigen.

Eine 85jährige Frau besuche ich regelmässig. Sie lebt in Italien. Nun stellt eine schwere Krankheit ihr Leben zwischen der Schweiz und Italien abrupt auf den Kopf. 

Ein anderer Patient geht nach zwei Monaten Intensivstation in die Rehabilitation. Jetzt ist er auf der Zielgeraden. Wir freuen uns beide.

Zwischen den Besuchen bittet mich eine Pflegeexpertin mit einer Familie zu sprechen, deren Sohn während eines Sportanlasses zusammengebrochen ist. Der Verlauf sei glücklicherweise erfreulich, die Angehörigen seien aber immer noch in einem Ausnahmezustand. Verständlich. Die Eltern und der Bruder erzählen mir, wie sie informiert wurden und um das Leben ihres Sohnes und Bruders bangten. Nun mache er bereits wieder Witze. Was für eine Erleichterung! Aber die überstandene Ungewissheit liege ihnen noch im Nacken. Das Leben ist verletzlich.

18 Uhr, auf dem Weg ins Büro. Es klingelt. Ein Mann mittleren Alters wurde wiederholt operiert. Die Situation ist instabil. Seine Frau und die älteste Tochter wünschen ein Gespräch.

Ich komme doch noch im Büro an, dokumentiere und fahre heim. Kaum da, klingelt es erneut: Die Intensivstation. Eine Patientin wird überraschend sterben. Und schon wieder klingelt das Telefon: der Kindernotfall. Eltern wurde mitgeteilt, dass ihr neunmonatiges Kind morgen operiert werden muss. 

Die Angehörigen auf der Intensivstation wünschen doch keine Begleitung, also gehe ich direkt auf den Kindernotfall. Ein ärztliches Aufklärungsgespräch. Die Mutter möchte im Anschluss mit mir reden. Ich warte – mitten im Geschehen des Kindernotfalls. Sterbenskranke Kinder, eines mit Tierbiss, eines mit Erbrechen, eines mit einer offenen Wunde nach einem Unfall. Trotz dem Andrang geht es ruhig zu und her, oft sogar humorvoll. Ab und zu wechselt auch jemand ein Wort mit mir.

Fast Mitternacht. Ich bin müde. Noch einmal wurde ich gerufen. Jetzt bin ich zu Hause, gehe schlafen und bin froh, dass das Telefon ruhig bleibt.

Nadja Zereik, Seelsorgerin im Inselspital

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