Rachelle Römer begleitet mit ihren Harfenklängen das jährliche Berner Lichterritual für die Angehörigen Verstorbener.
Foto: zVg

Kerzen der Erinnerung

«Blicklicht–Lichtblick» ein Ritual für Hinterbliebene

Mit dem Tod eines geliebten Menschen beginnt für Angehörige eine dunkle Zeit. Mit dem Ritual «Blicklicht–Lichtblick» möchten die drei Berner Landeskirchen den Trauernden ein Innehalten ermöglichen.

von Erik Brühlmann

Kerzen weisen den Weg zur Kapelle im Schosshaldenfriedhof, dem grössten Friedhof der Stadt Bern. Drinnen haben sich im weichen Licht vieler weiterer Kerzen an die 100 Personen versammelt. Sie alle haben einen geliebten Menschen verloren und sind gekommen, um mithilfe des Lichtrituals «Blicklicht–Lichtblick» noch einmal innezuhalten und Abschied zu nehmen.

Niederschwellige Rituale

«Es herrscht immer eine andächtige Stimmung in der Kapelle», sagt Gabriela Christen-Biner. Seit 13 Jahren ist sie als Pfarreiseelsorgerin in der Pfarrei Guthirt in Ostermundigen tätig, seit sieben Jahren gestaltet sie zusammen mit ihren Kolleg:innen aus der reformierten und der christkatholischen Kirche «Blicklicht–Lichtblick». Entstanden ist diese jährliche Feier 2009 als Teil eines rituellen Angebots des Pastoralraums, das Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen ansprechen will: «Herzwärts» für Brautpaare, «When I'm 64» für frisch Pensionierte, «Ich wünsche dir» für Geschiedene und Getrennte und, eben, «Blicklicht–Lichtblick» für die Angehörigen Verstorbener.

«Es ging darum, etwas anzubieten, das die Nähe zu Gott vermittelt, ohne dass man einen Gottesdienst besuchen muss», sagt die 61-Jährige. Denn in der heutigen Zeit suchen immer noch viele Menschen spirituellen Halt, sie besuchen dazu aber nicht unbedingt traditionelle Gottesdienste. Die Kapelle auf dem Schosshaldenfriedhof, wo Menschen aller Konfessionen beerdigt werden, war als Veranstaltungsort die perfekte Wahl.

Drei Schritte

Das Ritual folgt jedes Jahr entlang eines am Kapellenboden ausgelegten Wegs denselben drei Schritten: Trauer, Erinnern, Hoffen. «Wir entlassen die Menschen mit dem Bewusstsein, dass sie die Kraft haben, trotz ihres grossen Verlusts ihr Leben weiterzuleben», sagt Gabriela Christen-Biner. Begleitet werden alle Schritte von Rachelle Römers Harfenklängen. Im Anschluss erhalten alle Anwesenden eine Pilgerkerze, die sie anzünden und zur Erinnerung an die Verstorbenen in zwei mit Sand gefüllte Kästen stellen.

«Das ist immer ein sehr berührender Moment», findet die Pfarreiseelsorgerin, «für die Anwesenden ebenso wie für uns vom Team.» Gabriela ChristenBiner vermutet sogar, dass dieses Kerzenritual für die Anwesenden sehr viel wichtiger sei als das gesprochene Wort. «Was wir Theologinnen erzählen, ist, glaube ich, zweitrangig», sagt die Walliserin. Nach dem anschliessenden Gebet und einem Segen erhalten die Anwesenden eine Streichholzpackung. «Damit sie auch zu Hause ein Licht für ihre Lieben anzünden können.» Man merke, dass die Stimmung nun gelöster und hoffnungsvoller sei als zu Beginn des Rituals.

Ein Raum für die Trauer

Das Lichterritual findet jedes Jahr nur einmal statt, im späten November, am Freitag vor dem Ewigkeitssonntag der Reformierten. Dieses Jahr am 24. November. «Es ist der Monat, in dem die Landeskirchen traditionell den Verstorbenen gedenken», erklärt die Pfarreiseelsorgerin, der das Ritual «Blicklicht–Lichtblick» persönlich sehr wichtig ist. «Wir können hier den Menschen einen schlichten, aber unglaublich starken Raum für ihre Trauer geben», sagt sie.

Auch den Angehörigen scheint das Lichterritual viel zu bedeuten. «Wir erfahren nach dem Ritual sehr grosse Dankbarkeit seitens der Teilnehmenden», so Gabriela Christen-Biner. So manche:r komme sogar jedes Jahr wieder, um den Verstorbenen zu gedenken. Denn die Hinterbliebenen begleitet der Tod von lieben Menschen ein Leben lang – auch wenn sie, wie die Pfarreiseelsorgerin hofft, in der grossen Geborgenheit der Liebe Gottes aufgehoben sind.
 

Erinnerungen an Verstorbene aufleuchten lassen
Das diesjährige Lichterritual «Blicklicht–Lichtblick» findet am Freitag, 24. November, 19.00, in der Kapelle des Schosshaldenfriedhofs statt: Ostermundigenstrasse 116, Bern (Buslinie Nr. 10, Richtung Ostermundigen bis Station Schosshaldenfriedhof).

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