Von der Stadtpfarrei zurück aufs Land: Abbé Christian Schaller. Foto: Ruben Sprich

«Kirche lebt, wenn in der Mitte ein Feuer brennt»

Zum Abschied von Abbé Christian Schaller

Zehn Jahre lang wirkte Abbé Christian Schaller in Bern. Ende August verlässt er die Paroisse de langue française und die Dreifaltigkeitspfarrei in Richtung Berner Jura. Ob bei Gottesdiensten in der Basilika oder im Pfarreileben – bei ihm hatten alle Menschen guten Willens Platz: fromm oder zweifelnd, international tätig oder auf der Gasse lebend.

von Karl Johannes Rechsteiner

Eingebettet in die Hügel des Juras und mit einzelnen verstreuten Bauernhöfen in der Landschaft liegt die Gemeinde Tavannes, seit dem 19. Jahrhundert ein Standort der Uhrenindustrie. Hier ist Christian Schaller aufgewachsen – hierher kehrt der heute 60-jährige Pfarrer der Berner Dreifaltigkeit und der Paroisse nach 45 Jahren zurück: «Back to the roots», schmunzelt er, für einmal nicht auf Französisch oder Berndeutsch.

Er übernimmt die Region «Tramata», zu dem die drei Pfarreien Tramelan, Malleray-Bévilard und Tavannes gehören. Seine ursprüngliche Heimat sei ein gewaltiger Perspektivenwechsel, verglichen mit der Berner Zentrumspfarrei, erläutert Abbé Christian: «Die Dreifaltigkeit ist eine Geh-hin-Kirche, die Leute kommen vorbei. Im Berner Jura müssen umgekehrt wir die Menschen aufsuchen.»

Die Ökumene zeigt sich in dieser Region vielfältig mit Täufergemeinschaften und allerlei Denominationen. Auch tickt die Kultur der Romandie anders als in der deutschen Schweiz.

Vom Zentrum in die Peripherie

In der städtischen Dreifaltigkeit habe er einen unglaublichen Reichtum an Herkunftsländern, Kulturen und sozialen Milieus erleben dürfen – sein neues Wirkungsgebiet gehöre nun zur Peripherie: «Dort haben wir keine wohlhabende Kirche», stellt Christian Schaller im Vergleich zur Region Bern fest. Hier half er, Betrieb und Budgets der katholischen Kirche sozialer auszurichten.

Diese Verpflichtung leitet sein Engagement, seit er sich zum Diakon weihen liess, später als Co-Dekan in Bern oder weiterhin als Domherr. Im Alltag als Priester oder Gemeindeleiter der Dreifaltigkeit überrascht Abbé Christian immer wieder mit starken Symbolen. So erinnert er etwa an Philoxenia, eine Ikone der Dreifaltigkeit: «Das meint griechisch Gastfreundschaft und die Liebe des Fremden. Sie ist das Gegenteil der Xenophobie, der Fremdenfeindlichkeit.» Mit dieser Identität trage die Dreifaltigkeitspfarrei die Gastfreundschaft in den Genen, schmunzelt der Theologe.


Was engagierte Menschen in den Kirchgemeinden an Infrastruktur aufgebaut hätten, müsse lebendig bleiben. Christian Schaller verbindet seine Herkunft als Wirtssohn mit dem Einsatz als Pfarrer, der der Gemeinschaft dient. Zentral sei es, Räume zu haben, um zusammen an einem Tisch zu sitzen: «Zum Beispiel kommt der Begriff Foyer vom Feuer, um das sich die Menschen verbinden.»

Auch der Tisch setze diese Tradition fort. Jede Kerze in der Mitte erinnere daran, dass man sich am Herd treffe und austausche. Beim gemeinsamen Essen geschehe Begegnung. Nur wer zusammen an einem Tisch sitze, könne sich auch am Tisch des Herrn versammeln.

Theologie der Gastfreundschaft

So sah Christian Schaller seine Rolle in der Berner Mutterpfarrei in einer Tradition: Vor 125 Jahren konnte sich KatholischBern endlich in einer eigenen Kirche treffen, Pfarrer Nünlist erweiterte vor 100 Jahren das Areal, um neue Begegnungsräume zu schaffen. Christian Schaller erwähnt den Bau des einstigen Gesellenhauses oder die ungarische Gemeinschaft, die hier Platz fand. Auch die passenden Neubauten und die Rettung des Pfarreigartens mit dem Offenen Haus «La Prairie».

Selber kochte er dort während des Corona-Lockdowns jeden Sonntagabend für die Leute auf der Gasse. Heute besuchen 100 Personen das Essen im neuen Zentrum «Dock8» in Holligen. «Wir müssen uns warm geben. Predigen reicht nicht», erklärt Abbé Christian.

Aber bitte kein Foto von ihm in der Küche in den Mittelpunkt stellen, wünscht Jeannette von Moos, seine Assistentin. Denn das Bild des Pfarrers als Koch wird Christian Schaller nicht gerecht. Wenn er einen Tag lang mit einem Dutzend freiwilliger Helfer:innen ein Buffet für 200 Leute zubereitet, geht es ihm nicht primär ums Essen und Trinken. Denn die Menschen kommen bewusst zusammen. In einer Trauerfeier, am offenen Mittagstisch oder bei der Fastensuppe: Pfarreiangehörige, Sans-Papiers, ein Diplomat oder eine Bundesrätin – alle essen sie dieselbe Suppe mit dem gleichen Löffel.

Das Team in der Küche ermöglicht, dass sich alle wohlfühlen und einen würdigen Anlass bekommen. So wird Kirche zu Heimat. Mit Gemeinschaft und Begegnung.

A bientôt, Abbé Christian!
 

Dankes- und Abschiedsgottesdienst für Abbé Christian Schaller. Sonntag, 27. August, 11.00, Basilika Dreifaltigkeit, Bern

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