Foto: Becca Mchaffie/
unsplash.com

Kleiderrausch

Aki-Kolumne von Jessica Brunner

Wenn es draussen langsam wieder wärmer wird, mache ich mich jährlich daran, meinen Kleiderschrank auszumisten. Pullover in Kisten packen, Sommerkleider aus Kisten packen, die Stiefel zuhinterst in den Schrank und die Sandalen in den Flur stellen. Und jedes Jahr landen haufenweise Dinge in einer Tasche, die ich später in der Brocki abgeben werde.

Laut «Fashion Revolution» besitzt jede Person in der Schweiz im Schnitt 118 Kleidungsstücke und kauft jedes Jahr 60 neue dazu. Jedes T-Shirt braucht so viel Wasser in der Produktion, wie man in drei Jahren trinkt. Der Gedanke, dass ich von meinem T-Shirt drei ganze Jahre trinken könnte, macht mich sprachlos. Darf ich keine T-Shirts mehr tragen? Oder mir nur alle drei Jahre ein neues kaufen? Die Fakten würden ein Ja suggerieren. Ein Drittel des Mikroplastiks im Meer stammt von Textilien. Die Produktion von Polyester benötigt jedes Jahr 70 Mio. Fass Öl. Jeder sechste Mensch auf der Welt ist in der Textil- und Kleidungsbranche tätig, viele davon sind Opfer von Menschenrechtsverletzungen und arbeiten unter dem Mindestlohn.

Immer wieder nehme ich mir vor, nur noch fair produzierte Kleider zu kaufen. Das Problem dabei ist: Sich fair produzierte Kleidung leisten zu können, ist eine privilegierte Position. Ein T-Shirt für Fr. 100.–, das fair und in der Schweiz produziert wurde, klingt unglaublich gut. Gleichzeitig sind Fr. 100.– für viele Menschen unglaublich viel Geld. Ausserdem wird der Konsumkreis nicht gebrochen, wenn wir alle plötzlich nur noch Fair Fashion kaufen.

Stattdessen müssen wir uns angewöhnen, schlicht und einfach weniger neue Kleider zu kaufen. Zu sagen: «Ja, dieses T-Shirt ist sehr cool. Aber ich habe schon fünf sehr coole T-Shirts zu Hause.» Und wenn wir doch ein neues T-Shirt brauchen, dann könnte man zuerst in Brockenstuben, in Secondhandläden oder bei Kleidertausch-Events vorbeischauen. Es sind schon genug coole Kleider im Umlauf; neue im aktuellen Ausmass zu produzieren, ist schlicht nicht notwendig. Nur so können wir dazu beitragen, das Modesystem zu verändern. Und dafür ist es höchste Zeit.

Jessica Brunner, Praktikantin Kleidertausch im aki

Am Donnerstag, 28. April findet im aki ein Kleidertausch statt:
Von 10.00 bis 18.00 kann man im Saal «alte» Kleider abgeben und «neue» mitnehmen. Alle Geschlechter sind herzlich eingeladen vorbeizuschauen!

«pfarrblatt»-Beitrag zur «Fashion Revolution Week 2022» in Bern: Bye, bye, Fast Fashion!

Kolumnen aus dem aki im Überblick

Diese Website nutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung der Site stimmen Sie deren Verwendung zu und akzeptieren unsere Datenschutzrichtlinien.