Der Glockenbestand des Berner Münsters gehört zu den historisch bedeutsamsten und wertvollsten in Europa. Mit dem Abschluss der Sanierungsarbeiten sind die Glockenstuben nun besser vor Brandgefahr geschützt. Nach einem zweiwöchigen Unterbruch des Geläuts werden die Glocken nun neu intoniert.
von Antonio Suárez
Im unteren Glockenturm des Berner Münsters hängt an einem Glockenjoch die mit einem Gewicht von zehn Tonnen schwerste Glocke der Schweiz. Die sogenannte «Grosse Glocke» mit einem Durchmesser von fast zweieinhalb Metern stammt aus dem frühen 16. Jahrhundert und wurde nach einem Bruch im Jahr 1611 neu gegossen.
Weitere sechs schwingende Feuerglocken aus fünf unterschiedlichen Jahrhunderten komplettieren das Geläut. «Der Glockenbestand des Berner Münsters zählt aufgrund seiner Grösse und Vielfalt, aber auch hinsichtlich seines historischen Werts zu den drei bis fünf allerbedeutendsten Europas. Der Holzglockenstuhl und der Glockenklang wären nach einem Brand nicht mehr rekonstruierbar», betonte Matthias Walther, der Glockenexperte des Bundes, die Bedeutung von Brandschutzmassnahmen.
In der zweiten Februarhälfte wurden in den Glockenstuben des Berner Münsters diverse Brandschutzmassnahmen umgesetzt. «Alte Drähte waren nicht mit Schutzrohren verkleidet, die Motoren waren total verstaubt und die Steuerungskästen waren ohne Einhausungen und Brandschutz versehen. Das Geläut sollte jetzt sicherer sein und bald auch schöner klingen», erklärte Münsterbaumeisterin Annette Loeffel am Freitag, 1. März, anlässlich einer von der Berner Münsterstiftung und der Evangelisch-Reformierten Gesamtkirchgemeinde Bern einberufenen Medienkonferenz.
Die aus der erstmaligen Elektrifizierung des Geläuts im Jahre 1944 stammende Motorensteuerung wurde mitsamt den Verkabelungen runderneuert. Damit soll insbesondere die Gefahr eines durch einen Kurzschluss verursachten Brands vorgebeugt werden. Denn veraltete elektrische Systeme, die nicht den aktuellen Sicherheitsstandards entsprechen, stellen ein beträchtliches Risiko dar.
Matthias Walther wird sich als nächstes mit der Neuintonierung der Glocken befassen. In den kommenden Wochen werden die Läutmaschine justiert und die Klöppelsteuerung durch Neuregulierung der Schwingungswinkel austariert, damit die Glocken ein volles und warmes Klangerlebnis erzeugen. Dies ist deshalb so wichtig, weil die Glocken des Münsters «konzertfähig» sein müssen. Zumal der Münsterorganist an Neujahr jeweils das traditionelle Glockenkonzert im Vollgeläut spielt.
Münsterbaumeisterin Annette Loeffel steht als Präsidentin des Europäischen Dombaumeistervereins in engem Austausch mit führenden Baumeisterkolleg:innen aus dem In- und Ausland. An der Pressekonferenz war mit Régis Martin ein ausgewiesener Experte zu Gast. Der Präsident der Kathedralarchitekten Frankreichs verwies auf die in Paris gemachten Erfahrungen nach der Brandkatastrophe von Notre Dame im Jahr 2019. «Vor dem Brand galt Notre Dame als das brandschutzsicherste historische Gebäude Frankreichs», betonte Martin. «Doch im Zuge des Vorfalls wurden die alten Brandschutzansätze grundlegend infrage gestellt.»
Das Kulturministerium rief einen «Plan Cathedrale» ins Leben, um alle 85 Kathedralen des Landes einer Sicherheitsprüfung zu unterziehen. Martin nannte in diesem Zusammenhang diverse passive und aktive Brandschutzmassnahmen. Nebst der Installation von Brandmeldern hält er insbesondere den Einbau von Vernebelungsanlagen für zielführend. «Die Idee besteht darin, die Ausbreitung des Feuers und damit die Entstehung des Brandschadens von Anfang an zu unterbinden. Der grosse Vorteil ist, dass die Wassertröpfchen der Vernebelungsanlage wirklich in alle Winkel des Gebäudes vordringen», so Martin.
Auch im Berner Münster wird gemäss Annette Loeffel der Einsatz einer solchen Anlage geprüft. Die Brandschutzverantwortlichen des Münsters werden somit auch in Zukunft über zusätzliche Massnahmen weiterdiskutieren.