Skizze für die Chorausmalung von Ferdinand Gehr, dem seinerzeit bededeutendsten Kirchenmaler. Aus kirchenpolitischen Gründen konnte der Vorschlag nicht realisiert werden. Die Skizze befindet sich im Archiv von Bruder Klaus. Foto: Pia Neuenschwander

«liturgisch unrichtig»

Der Bau der Bruder-Klaus Kirche in Bern und katholische Widerstände

Die Kirche tat sich schwer mit der Erneuerung der Liturgie und der kirchlichen Architektur. Ein Rückblick auf den Bau der Kirche Bruder Klaus in Bern vor 70 Jahren

von Angelo Garovi*

Die Bruder Klaus-Kirche in Bern von Architekt Hermann Baur aus Basel «gilt als ein Markstein in der Entwicklung des römisch-katholischen Kirchenbaus in der Schweiz» - so das Urteil von  Bernhard Furrer, dem früheren Berner Denkmalpfleger. Die Kirche wurde 1952 bei einem Architekturwettbewerb – bei dem auch der renommierte Architekt Fritz Metzger ein Projekt eingereicht hatte - mit dem ersten Preis ausgezeichnet und in den Jahren 1953 bis 1954 gebaut. Die Einweihung fand im Oktober 1954 statt.

In der Festschrift zur Einweihung dieser Kirche resumiert der schon damals bekannte Architekt Hermann Baur über die damalige Situation der kirchlichen Architektur. Er meint, dass es damals noch ein Wagnis war, eine moderne Kirche zu bauen. Baur schreibt 1954: «Die Bruderklausen-Kirche zeugt davon, dass wir in einer Zeit des Umbruchs und der Erneuerung leben. Nicht allen ist, und vor allem nicht ohne weiteres, das Aussehen der neuen Kirche verständlich. Neu und ungewohnt bietet sich manches dar». 

Unbrauchbar gewordene Hülle

Und er schreibt weiter, bei der Erneuerung der Architektur gehe es nicht in erster Linie um neue äussere Formen, sondern zunächst um die Wiederherstellung des kirchlichen Raums als Ort, wo sich die Gemeinde zum Gottesdienst versammelt. Es gehe um die Ablegung der «unbrauchbar  gewordenen Hülle» des Gewohnten, «um die Schaffung einer dem heutigen Leben angepassten Gestalt, in der das Bewusstsein der mystischen Bedeutung der Kirche neu erwachen und erstarken kann – darum geht es im Letzten und Tiefsten bei der Erneuerung der kirchlichen Architektur.» Und er fügt bei, er hoffe, dass die bereits von Papst Pius X. geforderte liturgische «actuosa participatio» (lateinisch für «tätige Teilnahme») in seiner neuen Kirche verwirklicht werden könne.

Altar als Zentrum

In der Tat, der breite, sich nach vorne verjüngende Raum der Kirche will die Gläubigen zusammenfassen und ihre Blicke nach vorne lenken zum Raume, wo der Altar steht, der durch eine differenzierte Art der Belichtung hervorgehoben wird.  «Während im Schiff durch die perforierten Wände ein gedämpftes Licht einfällt, wird der Altarraum von einem hochliegenden Fensterband hell erleuchtet».

Kirchliches Unverständnis

Hermann Baur und Fritz Metzger, sein Mitstreiter, hatten es nicht immer leicht mit dem kirchlichen Ordinariat. Gerade der Bischof von Basel, Franziskus von Streng, war nicht besonders aufgeschlossen und opponierte gegen Forderungen der liturgischen Bewegung. Wenn etwas seiner Ansicht nach «liturgisch unrichtig» (er schreibt sogar «und unkatholisch») war, reklamierte er. So etwa, wenn der Unterschied zwischen Chor und Schiff nicht berücksichtigt wurde (Hierarchiedenken). Ja, er drohte sogar in Diskussion um einen freistehenden Altar oder um einen Seitenaltar mit Tabernakel (er kannte offensichtlich die mittelalterlichen Sakramentshäuschen in der Chornische nicht mehr) die Konsekration zu verweigern, wenn man nicht auf ihn höre. In einem Brief von 1952 spricht er von «Extravaganzen und Spielereien einiger Architekten, die keinen Bestand haben werden». Als diese liturgischen Forderungen der «celebratio versus populum» (Messfeier in mit Blick zum Volk) nach dem 2. Vatikanischen Konzil die Regel wurde, mochte sich der konservative Bischof von Basel nicht mehr an seine früheren Aussagen erinnern.

Gerade Hermann Baur hatte es bei seinen Kirchenprojekten in dieser Hinsicht nicht leicht. Es war auch nicht leicht, den modernen Bau in Bern zu realisieren, trotz des aufgeschlossenen Pfarrers Albin Flury. Das Damoklesschwert eines bischöflichen Verdikts hing damals immer noch im Raum. Und trotzdem baute Baur mit der Bruderklausen-Kirche in Bern einen kompromisslosen Bau und dokumentierte eindrücklich das Näherrücken der Gemeinde mit dem Altarraum, allerdings immer noch mit der Erhöhung der Altarzone.

Künstlerische Ausgestaltung der Kirche

Dem Architekten Hermann Baur war es stets auch ein Anliegen, in seine Kirchenbauten eine reiche künstlerische Gestaltung des Raumes zu verwirklichen. Er wollte die Kunst in den Kirchenbau integrieren – also sozusagen ein Gesamtkunstwerk schaffen.
Baur hatte innovative Ideen, drang aber in Bern nicht mit allen durch. Einige Vorschläge waren der Bau-Kommission und dem Kirchgemeinderat zu modern. So wurde etwa die Chorausmalung nach einem Entwurf von Ferdinand Gehr, dem seinerzeit bedeutendsten Kirchenmaler in der Schweiz, leider nicht realisiert. Eine farbige Skizze von Gehr ist noch vorhanden und lässt um so mehr bedauern, dass diese «malerische» Zusammenarbeit aus kirchenpolitischen Gründen nicht zustande kam.

Es sind aber trotzdem einige hervorragende Kunstwerke für den kirchlichen Raum entstanden. Erwähnenswert etwa der Altar von Albert Schilling aus dunklem Marmor, die farbige Verglasung des Radfensters über dem Eingang und der flankierenden Fenster sowie der Baldachin über dem Altar von Gehr, der Taufstein von Bernhard Luginbühl und das Altarkreuz und Glasbetonfenster in der Unterkirche von Leo Steck. Besonders apart sind der Tabernakel mit Kristallen auf der vergoldeten Vorderfläche und das grosse Altar- und Prozessionskreuz vom damals international führenden Goldschmied Meinrad Burch, der auch einen Kelch für Papst Johannes XIII. schuf.

Aus Anlass des 500. Todestages von Bruder Klaus (1987) wurde eine Gestaltung des Vorplatzes durch den Obwaldner Künstler Karl Imfeld konzipiert und zwei Jahre später realisiert. Nach der Intention des Architekten sollte der Vorplatz ein Ort der Sammlung und Einstimmung sein, also eine Art «Vorhof», durch den man vom lauten profanen Leben weg und hin geführt wird zum Heiligtum. Karl Imfeld nimmt diesen Gedanken auf und gestaltet in seinem Kunstwerk «Quelle des Lebens - Ort der Stille» einen Weg, einen Brunnen und zwei Stelen mit einer Weiterführung der Rillen (Betonsprossen) in der Rosette des Radfensters über dem Kircheneingang; das Kunstwerk ist in der Achse des Kirchenbaus aufgestellt - und führt so in den Kirchenraum und zum Altar hin.

Die Bruder Klaus-Kirche und ihre künstlerische Ausstattung ist also ein bedeutendes Zeugnis der modernen Schweizer Kirchenarchitektur des 20. Jahrhunderts.

*Angelo Garovi ist Germanist, Historiker, Musikwissenschafter und Komponist.

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