Als Jugendliche machte ich mich im 900-seitigen Bildband «150 Jahre Fotojournalismus» gern auf Zeitreise. Los ging’s beim ländlichen Leben um 1840. In der Mitte des Bands folgen die grossen Kriege. Brennende Ortschaften, Kampfflieger oder Bombenkrater – beim Blättern wurde meine Ahnung davon deutlicher und detailgetreuer. Schwarz auf weiss.
Im Zweiten Weltkrieg begleiteten Journalisten und Fotografen erstmals Soldaten an die Front. An den letzten Solothurner Filmtagen sah ich dazu einen Dokumentarfilm über drei der allerersten Kriegskorrespondentinnen. Alle drei gingen über die übliche Frontberichterstattung hinaus, zeigten auch das Leben im Krieg und ordneten es menschlich ein. Alle drei wollten «sehen, schreiben und verstehen» und erachteten es als «Glück», dort zu sein, «wo etwas los ist». Martha Gellhorn beispielsweise schmuggelte sich 1944 an Bord eines Lazarettschiffs und erlebte so die Landung der Alliierten in der Normandie mit. Lee Miller ihrerseits dokumentierte die Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Dachau.
Die Schriftstellerin Susan Sontag fand lange, dass Kriegsbilder Menschen abstumpfen liessen. Dann änderte sie ihre Ansicht. In ihrem Text «Das Leiden anderer betrachten» sieht sie solche Fotos als Aufruf, zu intervenieren – das sei «die entscheidende Reaktion». Kriege, von denen es keine Fotos gebe, gingen vergessen, schreibt Sontag, «und Opfer möchten, dass wir ihre Leiden sehen». Der Berner Fotojournalist Alex Kühni reist regelmässig in aktuelle Kriegsgebiete. Seine Motivation dafür ist ähnlich wie jene der Kriegskorrespondentinnen im Film. Vor Ort schafft er entsetzlich schöne Bildkompositionen Momentaufnahmen, die zeigen, aufzeigen und kommentieren. Mit und ohne Worte.
Lesen Sie dazu: «Nicht hinschauen geht nicht». Kriegsfotograf Alex Kühni