«Unsere Gemeinden interessieren sich längst nicht mehr für Diskussionen über Ökumene», sagt Christoph Knoch. Foto: Noëmi Knoch

Kirche wird ökumenisch sein - oder sie wird nicht mehr sein

Zur Pensionierung des reformierten Pfarrers Christoph Knoch

Der reformierte Pfarrer Christoph Knoch (64) ist ein grosser Freund der Ökumene. Am Sonntag wurde er verabschiedet. Kardinal Kurt Koch schätzt er als «Langstreckenläufer, der in Jahrzehnten denkt». Sich selbst sieht er als Sprinter, «der sich schnellere Schritte in der Ökumene wünscht».

Interview: Raphael Rauch

Um die Ökumene war es schon mal besser bestellt. Was war für Sie persönlich der Tiefpunkt?

Christoph Knoch*: Ich war am Boden zerstört, als im Herbst 1987 die Bischofskonferenz allen verboten hat, eine eucharistische Gastfreundschaft weiter zu praktizieren. Mein katholischer Kollege in Langendorf hat daraufhin den Weihbischof und alle reformierten und katholischen Seelsorgenden in die Marienkapelle des Kirchenzentrums eingeladen, um die Zukunft der Ökumene zu diskutieren. Weihbischof Candolfi hat uns damals versichert, dass wir im Langendörfer Kirchenzentrum unseren gemeinsamen Weg weitergehen dürfen. Doch er hat uns eingeschärft: «Bitte verzichten Sie darauf, als Amtsträger in der je anderen Kirche die Kommunion zu empfangen.» Das hat wehgetan.

Haben Sie sich daran gehalten?

Knoch: Die nächsten zwei Jahre schon. Dann haben wir beiden Pfarrer entschieden, dass wir unserem Gewissen folgen und uns wieder als vom Herrn der Kirche eingeladen wissen. Allerdings haben wir nie mehr einander beim Austeilen der Gaben geholfen.

Wie beurteilen Sie den aktuellen Zustand der Ökumene in der Schweiz?

Knoch: Unsere Gemeinden interessieren sich längst nicht mehr für Diskussionen über Ökumene. Entweder sie wird ganz selbstverständlich gelebt. Oder es passiert nichts, weil jeder mit sich selbst beschäftigt ist. Die Cervelat lässt sich am besten über der heissen Glut grillieren. Dass diese Glut nicht verlöscht, dafür müssen wir sorgen.

Wie ist das zu schaffen?

Knoch: Ich plädiere immer wieder dafür, die ökumenischen Gremien weiter zu pflegen, die seit Ende der 1960er-Jahre bestehen wie die Arbeitsgemeinschaft der Kirchen im Kanton Bern und die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz. Es braucht die institutionalisierten Verbindungen. Ich hoffe, dass ich es noch erlebe, dass auch meine katholischen und orthodoxen Freunde und Freundinnen mich ganz offiziell an ihren Tisch einladen dürfen.

Was macht Ihnen da Hoffnung? Die katholische Kirche bewegt sich in dieser Frage nicht. Viele Orthodoxe betonen die Distanz.

Knoch: Die Basis, die sich immer weniger an die rational nicht mehr nachvollziehbare Trennung hält. Der synodale Prozess könnte auch da zu Veränderungen führen. Die Frage der Tischgemeinschaft stellt sich bei Orthodoxen grundsätzlich anders. Die Kelchkommunion empfangen die, die bei ihrem Priester gebeichtet haben. Aber zum Teilen des Antidorons, des gesegneten Brots, sind alle eingeladen. Enttäuscht bin ich nach vielen Jahren des Gesprächs von jenen orthodoxen Kirchen, die sich exklusiv als «Kirche» verstehen. 2013 haben der Ökumenische Rat der Kirchen und Vatikanvertreter beschlossen: «Jede Ortskirche birgt in sich die Fülle dessen, was es heisst, Kirche zu sein. Sie ist ganz Kirche, aber sie ist nicht die ganze Kirche. Daher sollte die Ortskirche nicht getrennt von anderen lokalen Kirchen, sondern in einem dynamischen Verhältnis mit ihnen gesehen werden.»

Sie haben öfters mit Kurt Koch zusammengearbeitet, dem heutigen Kurienkardinal und Ökumene-Minister im Vatikan. Wie nehmen Sie seine Arbeit wahr?

Knoch: Ich schätze ihn sehr. Er kann sehr gut zuhören und offen debattieren. Seine sorgfältige Art des Theologisierens überzeugt mich. Ich erlebe ihn als ökumenischen Langstreckenläufer, der in Jahrzehnten denkt. Ich bin eher ein Sprinter, der sich schnellere Schritte in der Ökumene wünscht. 2030 feiern wir 500 Jahre Augsburger Bekenntnis. Dann sollten mindestens Katholik:innen und Protestant:innen gemeinsam Abendmahl feiern können.

Die Kirchenlandschaft ist stark im Umbruch. Welche ökumenischen Formate könnten Zukunft haben?

Knoch: Ich bin überzeugt: «Kirche wird ökumenisch sein – oder sie wird nicht mehr sein.» Keinesfalls soll es eine Uniformität oder gar ein Einheitsbrei werden. Abschreckend ist für mich die Lobpreis-Musik vieler Freikirchen, die inzwischen von wenigen Verlagen weltweit lizenziert werden. Dabei geht die Vielfalt unserer Traditionen verloren.

Sie haben die Entstehung des Hauses der Religionen in Bern mitbegleitet und mussten gegen Widerstände ankämpfen. Warum gab’s damals Widerstand?

Knoch: Hartmut Haas, Pfarrer der Herrnhuter Brüdergemeine in Bern, hat das Haus der Religionen damals angeregt und die Arbeitsgemeinschaft der Kirchen im Kanton Bern (AKB) um Hilfe gebeten. Dann kamen die Landeskirchen – und vor allem die Reformierten als grösste Geldgeber der AKB formulierten ihre Bedenken. Es waren aber nicht nur die Finanzen, sondern eine gewisse Skepsis dem interreligiösen Ansatz gegenüber. Rückblickend sind alle stolz auf das Haus der Religionen.

Die meisten sagen: Wir brauchen beides, Ökumene und interreligiösen Dialog. In der Praxis kommt oft beides zu kurz. Wie lautet Ihre Antwort darauf?

Knoch: Beides lohnt sich! Mein Studienjahr 1979/80 in der Dormitio-Abtei in Jerusalem hat mir gezeigt, dass die Welt aus vielen Formen religiöser Traditionen besteht. Leider halten viele ihre je eigene Tradition für die einzig wahre und richtige – übrigens nicht nur die monotheistischen Religionen. Ohne den Austausch kann ich mir mein Leben nicht vorstellen. Das ist manchmal anstrengend, aber lohnend. Wie eine Wanderung auf einen Berg ohne Bergbahn. kath.ch

* Der reformierte Pfarrer Christoph Knoch wurde am Sonntag mit einem ökumenischen Gottesdienst in Muri-Gümligen verabschiedet.

 

Ökumene-Highlights von Christoph Knoch
Die Basler Versammlung von 1989 «Frieden in Gerechtigkeit»: «Das wurde zu einem leuchtenden Stern der ökumenischen Begegnung. Wir haben im Ökumenischen Zentrum in Langendorf jeden Tag die gleiche Liturgie gefeiert wie in Basel. Der Mauerfall im November des gleichen Jahres erschien mir wie eine Folge dieser ökumenischen Bemühungen.»
Die Tagung des Schweizerischen Pfarrvereins «Neue Impulse in der Ökumene» 1996: «In der Langendörfer Kirche diskutierten im September 1996 die drei Bischöfe Heinrich Bolleter, Hans Gerny, Kurt Koch (angefragt hatten wir ihn noch als Luzerner Professor) und Kirchenratspräsident Georg Vischer unter Leitung von Heinz Rüegger. Sie waren sich einig, dass die Schweizer Kirchen nur dann eine Zukunft haben, wenn sie die Ökumene mit aller Kraft pflegen.»
Das Reformationsjubiläumsjahr 2017: «Ohne Gottfried Lochers ökumenische Freundschaften hätten sich Margot Kässmann, Kardinal Kurt Koch, Bischof Justin Welby, der Generalsekretär des ÖRK Olav Fykse Tveit und andere kaum ins Berner Münster einladen lassen.»
Gemeinsames Ostern: «Wenn West- und Ostkirchen am gleichen Sonntag Ostern feiern (2011/14/17/2025), laden wir in Bern alle zur Ökumenischen Vesper ein.»
Schöpfungsgottesdienst am 1. September 2019: «Noch nie waren mehr Konfessionen und Kirchen im Berner Münster beieinander. Erstmals hat damals der serbisch-orthodoxe Bischof Andreij im reformierten Berner Münster gepredigt.» (rr)

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