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Menschen, durch welche die Sonne scheint

Gaby Bachmann über Eisheilige und andere Heilige

Seit ich das Gärtnern entdeckt habe, begegne ich nicht nur in der Kirche den Heiligen. Gerade der Monat Mai kennt ganz spezielle Heilige.

Als Kind erzählte mir meine Grossmutter immer von Bauernregeln und Gedenktagen von Heiligen wie den Eisheiligen Mamertus, Pankratius, Servatius, Bonifatius und Sophia. Denen, so sagte sie mir, werde vom 11. bis 15. Mai gedacht, und Sprichworte wie «Pankrazi, Servazi und Bonifazi sind drei frostige Bazi» gab sie an mich weiter. Auch die Kalte Sophie durfte bei ihrer Aufzählung nicht fehlen, denn diese wies auf die Nachtfröste hin, die bis Mitte Mai vorkommen können.

Für empfindliche Pflanzen können sie Folgen haben: «Die Kalte Sophie macht alles hie», sagt eine Bauernregel. Die Eisheiligen zählen zu den Wetterheiligen und waren im vierten oder fünften Jahrhundert Märtyrer und Bischöfe, die für ihren Glauben gestorben sind. Der Begriff Eisheilige kommt daher, dass es im Mai häufig Kälteeinbrüche gab, die durch Nachtfröste empfindliche Pflanzen erfrieren liessen. Deshalb galt die Regel, erst nach den Eisheiligen zu säen oder Pflanzen ins Freie zu setzen.

Die katholische Kirche hat viele Menschen heiliggesprochen. Aber es gibt Menschen bis heute, die sind für mich heilig: zum Beispiel ein Journalist in einem Kriegsgebiet, der sich dafür einsetzt, dass die Wahrheit ans Licht kommt, eine Sozialarbeiterin, die durch die Strassen zieht und Obdachlosen Essen und Kleider verteilt, Frauen und Männer, die sich für Gleichstellung und gleiche Löhne am Arbeitsplatz einsetzen, usw. Die untenstehende Geschichte drückt etwas von dem aus, was ein/e Heilige/r ist.

Ein kleiner Junge kam mit seiner Mutter an einer grossen Kirche vorbei. Er schaute an der Kirche hoch und sagte: «Mutti, schau mal, die grossen Fenster sind ja ganz schön schmutzig, die sehen aber gar nicht schön aus.» Daraufhin ging die Mutter mit ihm in die Kirche. Hier waren die Fenster, die von aussen ganz grau und schmutzig aussahen, plötzlich strahlend bunt und leuchteten in den hellsten Farben. Da staunte der Junge und schaute sich die Fenster genau an. Über dem Altar war ein auffallend schönes Fenster zu sehen – mit vielen Heiligenfiguren. Und durch eine Figur strahlte gerade die Sonne hindurch, sodass sie besonders hell war. «Mama, wer ist das?», wollte der kleine Junge wissen. Die Mutter antwortete: «Das ist ein Heiliger, der heilige Franziskus.»

Der Junge merkte sich das gut. Ein paar Tage später fragte die Religionslehrerin in der Schule ihre Schüler: «Wer von euch kann mir sagen, was ein Heiliger ist?» Da war grosses Schweigen in der Klasse. Nur der kleine Junge meldete sich und sagte: «Ein Heiliger ist ein Mensch, durch den die Sonne scheint!»

(Aus dem Buch: Damit für dich die Sonne scheint, von Cornelia Haverkamp)

Gaby Bachmann, Theologin

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